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Finanzfeuerwehr. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker (rechts) und der irische Finanzminister Michael Noonan diskutierten, wie die Ansteckungsgefahr durch den nun beschlossenen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands einzudämmen ist.

© dapd

Rezession in Griechenland: "Wende zum Schlimmeren"

Laut der Troika wird die Rezession in Griechenland mit minus 5,5 Prozent noch dramatischer ausfallen als angenommen. Nun soll die Ansteckungsgefahr durch den nun beschlossenen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands eingedämmt werden.

Die Eurokrise hat eine neue Wortschöpfung hervorgebracht. So traf sich am Samstagabend im Brüsseler Ratsgebäude eine „Frankfurter Runde“, um einen Durchbruch bei der Rettung der gemeinsamen Währung zu erzielen.

Dabei waren jene europäischen Spitzenpolitiker, die vergangenen Mittwoch am Rande der feierlichen Verabschiedung von Jean-Claude Trichet am Sitz der Europäischen Zentralbank zusammengekommen waren. Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy, der bei dieser Gelegenheit seine gebärende Gattin Carla Bruni in Paris zurückgelassen hatte, und Bundeskanzlerin Angela Merkel natürlich, samt ihren beiden Finanzministern; dazu EU-Ratschef Herman Van Rompuy, Kommissionspräsident José Manuel Barroso, sein Währungskommissar Olli Rehn, Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker und eben Trichet. Angesetzt war das Treffen, bei dem es auch eine Einigung darüber geben sollte, über welchen Hebel die Wirkung des 440 Milliarden Euro schweren Rettungsfonds vervielfacht werden soll, für 21.15 Uhr.

Eine Änderung bei der Zusammensetzung des Treffens jedoch gab es. Geladen waren am Samstag zudem die Ministerpräsidenten von Italien und Spanien, Silvio Berlusconi und José Luis Zapatero. Europäischen Diplomaten zufolge erwartete sie ein unangenehmer Abend, wollten die Partner sie doch dazu drängen, noch am Sonntag weitere Sparmaßnahmen und Strukturreformen in ihren Ländern anzukündigen, um die Ansteckungsgefahr durch den nun beschlossenen teilweisen Zahlungsausfall Griechenlands einzudämmen. Aus Merkels Umfeld hieß es, man erwarte von „Ländern, die besonders im Visier der Märkte stehen“ weitere Anstrengungen. Im dem Tagesspiegel vorliegenden Entwurf der Gipfelabschlusserklärung werden die noch nicht gegebenen Zusagen Berlusconis und Zapateros bereits begrüßt.

Die Ansteckungsgefahr bannen soll auch ein Paket zur Bankenrekapitalisierung, das am Samstag im Kreise aller 27 EU-Finanzminister besprochen wurde. Ziel ist es, die Geldinstitute resistenter zu machen und mit einer Eigenkapitalquote von neun Prozent auszustatten. Wenn sie dies nicht aus eigener Kraft schaffen, sollen die nationalen Regierungen einspringen, wozu aber beispielsweise Spanien dem Vernehmen nach nicht in der Lage ist. In diesem Fall würde dann europäisches Geld fließen, möglicherweise auch aus dem Rettungsfonds EFSF – diskutiert wurde Diplomatenkreisen zufolge über „etwas mehr als 100 Milliarden Euro“. Die Finanzminister einigten sich in dieser Frage jedoch lediglich prinzipiell – weil alles mit allem zu tun hat.

Das nötige Volumen der Bankenrettung hängt wesentlich davon ab, wie hoch der jetzt in Brüssel beschlossene Schuldenschnitt für Athen ausfällt und wie viel die von den Banken gehaltenen Staatsanleihen Griechenlands an Wert verlieren. Die Eurogruppe beschloss am späten Freitagabend, entsprechende Gespräche mit dem Internationalen Bankenverband zu führen. Belgiens Finanzminister sprach in Brüssel von einem sogenannten Haircut von „nahe 50 Prozent“. Bisher haben die Banken im avisierten zweiten Rettungspaket für Griechenland auf freiwilliger Basis einer 21-prozentigen Abschreibung von Athener Bonds zugestimmt. Nach Angaben von Währungskommissar Rehn soll ein höherer Beitrag nur noch „vorzugsweise“ freiwilliger Natur sein.

Die neuen Zahlen zu Griechenlands Schulden nämlich sind dramatisch schlecht. In der dem Tagesspiegel vorliegenden Schuldentragfähigkeitsanalyse, die die Troika von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds am Freitag den Finanzministern präsentierte, ist von einer „Wende zum Schlimmeren“ die Rede. Die Rezession wird demnach noch tiefer sein – mit einem negativen Wachstum von 5,5 Prozent in diesem und drei Prozent im kommenden Jahr. Davon ausgehend würden Griechenlands Schulden mit dem neuen Hilfspaket auf Basis der Eurozonenbeschlüsse von Ende Juli im Jahr 2013 trotzdem noch auf 186 Prozent der Wirtschaftsleistung hochschnellen und selbst Ende 2020 noch bei 152 Prozent liegen. Erlaubt sind nach den Maastricht-Kriterien für den Euro maximal 60 Prozent. Der zusätzliche Finanzierungsbedarf liegt bei mindestens 252 Milliarden Euro, wie die Finanzexperten der Troika schreiben.

Wenn nun ein Schuldenschnitt für Griechenland erfolgt, heißt das aber noch lange nicht, dass Athen alle Sorgen los wäre. In der Analyse der Troika heißt es, dass in diesem Fall die Schulden gemessen an der Wirtschaftsleistung auch nur auf 120 Prozent zurückgehen könnten. Nur bei einem 60-prozentigen Schnitt bei den von Banken gehaltenen Anleihen wären den Experten zufolge die bisher vorgesehenen 109 Milliarden Euro des zweiten Hilfspaketes für Athen ausreichend.

Außenminister Guido Westerwelle, ebenfalls in Brüssel, forderte eine langfristige Antwort: „Es reicht nicht aus, Schulden mit neuen Schulden zu bekämpfen. Entscheidend ist eine Vertragsänderung.“ Defizitsünder sollen vor den Europäischen Gerichtshof gezerrt werden können und Eingriffe von außen in ihre Haushalte erdulden müssen. Zur Einberufung des dafür notwendigen Konvents, der nach deutschem Wunsch maximal ein Jahr dauern solle, müsse Deutschland aber noch „eine Menge Überzeugungsarbeit leisten“, gab Westerwelle zu. Kanzlerin Merkel, die dasselbe fordert, dürfte am Samstagabend in der „Frankfurter Runde“ damit begonnen haben.

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