zum Hauptinhalt

Wirtschaft: "Riester kämpft nicht für seine eigenen Überzeugungen"

Dieter Hundt (60) ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Köln.Hundt, geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers Allgaier-Werke im schwäbischen Uhingen, hat als Verhandlungsführer der baden-württembergischen Metallarbeitgeber jahrelang dem heutigen Arbeitsminister und damaligen Metallgewerkschafter Riester gegenübergesessen.

Dieter Hundt (60) ist Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände in Köln.Hundt, geschäftsführender Gesellschafter des Automobilzulieferers Allgaier-Werke im schwäbischen Uhingen, hat als Verhandlungsführer der baden-württembergischen Metallarbeitgeber jahrelang dem heutigen Arbeitsminister und damaligen Metallgewerkschafter Riester gegenübergesessen.Mit Hundt sprach Ursula Weidenfeld.

TAGESSPIEGEL: Herr Hundt, haben Sie Mitleid mit Arbeitsminister Walter Riester, Ihrem früheren Partner in Tarifverhandlungen?

HUNDT: Ich bedauere sehr, daß er sich jetzt für Gesetze verkämpft, die an den Bedürfnissen der Wirtschaft und der Beschäftigten vorbeigehen.Das steht in krassem Gegensatz zu seiner früheren pragmatischen Linie.Bei Tarifverhandlungen hat Riester immer Augenmaß bewiesen, angemessene Abschlüsse zu vereinbaren, mit denen beide Seiten leben konnten.Jetzt wundere ich mich sehr über ihn.Ich kann mir in vielen Positionen nicht vorstellen, daß Walter Riester für seine eigenen Überzeugungen kämpft.

TAGESSPIEGEL: Sie glauben, daß der Arbeitsminister fremdbestimmt ist?

HUNDT: Ich habe mit ihm in einer langen Periode aktiver Tarifverhandlungen viel zu tun und zu streiten gehabt.Er war ein engagierter Vertreter seines Lagers, aber er war den Unternehmen gegenüber immer aufgeschlossen.Riester war reformfreudig, innovativ und durchsetzungsfähig.Das kann ich derzeit bei ihm nicht erkennen.

TAGESSPIEGEL: Er ist angetreten mit den Worten, er wolle eher ein Arbeits- als ein Sozialminister sein.

HUNDT: Aber er hat dieses Versprechen nicht eingelöst.Die bisherige Arbeit Riesters und der Bundesregierung insgesamt ist nicht geeignet, Arbeitsplätze zu schaffen.Diese Kritik bezieht sich ganz zentral auch auf die Gesetze, die Walter Riester verantwortet: die 630-DM-Jobs und die Scheinselbständigkeit.

TAGESSPIEGEL: Der einzige Maßstab, an dem sich die Regierung Schröder messen lassen will, sind neue Stellen.

HUNDT: So wie die Regierung bisher arbeitet, werden keine neuen Arbeitsplätze geschaffen.So werden Arbeitsplätze vernichtet.

TAGESSPIEGEL: Sollte Riester zurücktreten?

HUNDT: Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, Herrn Riester oder dem Bundeskanzler einen Ratschlag in dieser Hinsicht zu geben.

TAGESSPIEGEL: Wie müßte denn die deutsche Arbeitsmarktpolitik jetzt gestaltet werden?

HUNDT: Wir brauchen einen sehr schnellen und sehr grundsätzlichen Trendwechsel.Wir müssen endlich die Reformen realisieren, über die wir seit langem reden: eine Steuerreform mit einer Nettoentlastung für die Unternehmen und die Beschäftigten.Außerdem benötigen wir - und darüber ist sich Walter Riester sehr bewußt - eine wirkliche Reform der Sozialversicherungen mit deutlichen und dauerhaften Beitragssenkungen.Nehmen Sie zum Beispiel die Gesundheitsreform: Die jetzt geplanten Reformen werden keinen Erfolg haben, im Gegenteil.Sie werden zu einer weiteren Kostensteigerung im Gesundheitswesen und zu Beitragssteigerungen führen.

TAGESSPIEGEL: Reden Sie eigentlich noch mit der Regierung Schröder?

HUNDT: Ja, natürlich.Ich rede mit dem Kanzler und dem Arbeitsminister immer wieder über die Probleme des Arbeitsmarktes.Darüber hinaus reden wir ja auch im Bündnis für Arbeit.Nach dem zweiten Treffen hatte ich den Eindruck, daß wir schon ein Stück weiter sind, als dies derzeit die Tagesentwicklung wiederspiegelt.

TAGESSPIEGEL: Werden Sie die Bündnisespräche weiterführen, wenn sich die Regierung nicht bewegt?

HUNDT: Ich werde diese Gespräche solange führen, wie ich den Eindruck habe, daß wir noch eine Chance für positive Ergebnisse haben.

TAGESSPIEGEL: Sehen Sie die Chance denn jetzt noch?

HUNDT: Im Augenblick ja.

Zur Startseite