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Zentrale Lage: In der Kaiser's-Filiale im Hauptbahnhof ist viel los, doch das trifft nicht auf alle der gut 120 Berliner Läden zu.

© Hartmut Schwarzbach/argus

Ringen um Kaiser's Tengelmann: Supermarktchefs sind offen für einen letzten Rettungsversuch

Lässt sich die Zerschlagung doch noch abwenden? Rewe und Tengelmann wollen weiter verhandeln. Wirtschaftsminister Gabriel schlägt Schlichtung vor.

Noch ist für Kaiser’s Tengelmann nicht alles verloren: Die Chefs von Tengelmann, Karl-Erivan Haub, und Rewe, Alain Caparros, sind offen für einen letzten Rettungsversuch. „Wir wären bereit, noch einen letzten Versuch zu unternehmen“, sagte Caparros dem Tagesspiegel. Auch Haub räumte nach Angaben des WDR in einem Brief an die Mitarbeiter eine letzte Chance für die Suche nach einer Lösung ein. Verdi versucht, die Kontrahenten zusammenzubringen. Nach Tagesspiegel-Informationen hat Gewerkschaftschef Frank Bsirske am Freitag alle Teilnehmer des Krisengipfels angerufen und versucht, sie zu einem Einlenken zu bewegen. Auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) appellierte am Freitag in Absprache mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an alle beteiligten Unternehmen, sich ernsthaft um eine Einigung zu bemühen und schlug – wie Caparros – ein Schlichtungsverfahren vor. Ob er selber als Schlichter auftreten würde, ließ Gabriel offen.

Krach nach dem Gipfel

Die Chefs von Rewe, Norma, Markant, Edeka und Tengelmann hatten sich vor gut einer Woche auf einem Krisengipfel über eine Rettung der angeschlagenen Supermarktkette verständigt. Bis Montag nächster Woche wollten sie eine Einigung gefunden haben. Doch die Folgegespräche verliefen weniger harmonisch. Unter gegenseitigen Schuldvorwürfen hatten Rewe, Tengelmann und Edeka am Donnerstag das Scheitern der Verhandlungen erklärt. Haub hatte angekündigt, das Unternehmen zu zerschlagen und in der kommenden Woche mit der Suche nach Interessenten für die Filialen in Nordrhein-Westfalen und die Fleischwerke beginnen zu wollen. Die rund 120 Berliner Läden sollten dann zeitversetzt auf den Markt kommen.

Die Situation ist verfahren

Seit zwei Jahren will Haub seine Supermarktkette an Marktführer Edeka verkaufen. Das Bundeskartellamt hatte das Geschäft mit Blick auf die Marktmacht Edekas untersagt, Gabriel hatte die Wettbewerbsbehörde überstimmt und per Ministererlaubnis die Supermarktehe genehmigt. Im Sommer hatte das Oberlandesgericht Düsseldorf auf eine Klage von Rewe, Norma und Markant hin die ministerielle Genehmigung wegen handwerklicher Mängel und einer vermeintlichen Befangenheit Gabriels zugunsten von Edeka kassiert. In von Verdi initiierten Krisenrunden hatten die beteiligten Supermarktchefs zusammen mit den Verdi-Vorständen Bsirske und Stefanie Nutzenberger versucht, eine Lösung für die verfahrene Situation zu finden. Nach dem offen ausgetragenen Streit von Rewe, Tengelmann und Edeka am Donnerstag schien das zunächst gescheitert zu sein.

Die Stimmung in Berlin ist "unterirdisch"

Bei den 5300 Beschäftigten in Berlin sei die Stimmung „unterirdisch“, sagte der Berliner Betriebsratsvorsitzende Volker Bohne dem Tagesspiegel. Nach den positiven Signalen aus dem letzten Krisentreffen hätten sich alle „schon auf ihr Weihnachtsfest gefreut, jetzt ist die Enttäuschung groß“. Eine der Betroffenen ist Heidi Lipper. Sie hat bei Kaiser’s gelernt und ist seit 36 Jahren im Unternehmen. Zur Zeit arbeitet sie in der Mall of Berlin. Lipper tut es leid um ihren Arbeitgeber. „Dem Unternehmen ist immer wichtig gewesen, dass sich seine Mitarbeiter wohlfühlten“, sagte Lipper dem Tagesspiegel. Kein Unternehmen, das sie kenne, sei derart fair und human zu seinen Mitarbeitern wie Kaiser’s Tengelmann. Trotz des drohenden Arbeitsplatzverlusts hat Lipper aber keine Angst vor der Zukunft. „Als Einzelhandelskauffrau finde ich immer wieder einen Job in Berlin“, sagt sie.

Viele Mitarbeiter hoffen auf eine Rettung

Nicht nur am Leipziger Platz, auch in anderen Filialen loben die Mitarbeiter ihren Arbeitgeber. Viele hoffen, dass in letzter Sekunde noch einmal Geld in die Supermarktkette gepumpt wird, um die Arbeitsplätze wenigstens noch einige Monate zu erhalten. „Wir sind die Kaiserlichen, viele von uns wollen durchhalten, zur Not bis das Licht ausgemacht wird“, fasst ein leitender Angestellter in der Filiale der Yorckstraße die Situation zusammen. Viele Beschäftigte fühlen sich machtlos. Alle Beteiligten hätten nicht genug auf die Zukunft der Mitarbeiter geachtet, sondern allein ihre eigenen Interessen verfolgt, meinen einige.

Die Zukunft bleibt ungewiss. Viele Angestellte wissen nicht, ob ihre Märkte neue Eigentümer finden, und ob sie dann übernommen werden. Endgültige Informationen erhalten sie erst in den kommenden Wochen. Ein Mitarbeiter in der Yorckstraße sorgt sich in erster Linie um seine älteren Kollegen. „Ich selber bin jung und werde schon irgendwo unterkommen“, meint er. Auch Heidi Lipper hat Sorge, dass gerade Kolleginnen, die alleinerziehend sind, schnell wieder eine vergleichbar gute Anstellung finden.

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