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Wirtschaft: Ringen um Kompromiß

Staats- und Regierungschefs beraten heute auf EU-Gipfel LUXEMBURG.Der Streit auf dem EU-Beschäftigungsgipfel ist programmiert.

Staats- und Regierungschefs beraten heute auf EU-Gipfel LUXEMBURG.Der Streit auf dem EU-Beschäftigungsgipfel ist programmiert.Die gegensätzlichen Positionen sind abgesteckt, die Argumente bekannt.Am heutigen Freitag müssen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union Farbe bekennen. Der Gastgeber des Luxemburger EU-Sondergipfels, Ministerpräsident Jean-Claude Juncker, hatte schon zu Beginn der Woche als Grundlage der Beratungen seine "Beschäftigunspolitischen Leitlinien" vorgelegt: eine spürbar entschärfte Variante der Vorschläge, mit denen die EU-Kommission schon im Oktober an die Öffentlichkeit gegangen war.Der Luxemburger Regierungschef, der in diesem Halbjahr in der EU den Ratsvorsitz führt, kann mit der Unterstützung einer großen Mehrheit der EU-Staats- und Regierungschefs rechnen, doch es gibt auch Widerstand. Auf der anderen Seite haben nämlich die Spanier und die Deutschen ihre argumentativen Gräben ausgehoben, um am Freitag auf dem Luxemburger Kirchberg, dem Europa-Viertel, hinhaltende Gegenwehr zu leisten.Obgleich Arbeitsminister Norbert Blüm die Vorschläge Junckers noch diese Woche als "brauchbare, sehr gute Diskussionsgrundlage" bezeichnet hatte, legten die Deutschen ein eigenes Positionspapier für den Beschäftigungsgipfel vor, das die Luxemburger Leitlinien in wesentlichen Punkten rundweg ablehnt oder zum Skelett verschlankt und lediglich allgemeine Absichtserklärungen stehen läßt. Die von EU-Kommissionspräsident Santer vorgeschlagene "Maastrichter Methode" - gemeinsam überprüfte Leitlinien und Ziele - scheint aber inzwischen auch die Bonner Regierung zu schlucken.Sie wehrt sich lediglich dagegen, die europäische Beschäftigungspolitik mit dem vertraglich vorgezeichneten währungspolitischen Konvergenzprozeß zu vergleichen. Ob der Vergleich nun hinkt oder nicht - Santer und sein Landsmann Juncker dringen jedenfalls darauf, in Luxemburg für die europäische Beschäftigungspolitik "konkrete, präzise Ziele" zu beschließen.Die Regierungen der Mitgliedsstaaten sollen sich dann selbst eigene Ziele setzen und nationale Aktionspläne für den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit erarbeiten, die der jeweils unterschiedlichen Situation in den unterschiedlichen Regionen Rechnung tragen.Einmal im Jahr werden dann die Staats- und Regierungschefs zusammenkommen, um gemeinsam zu prüfen, ob die schönen Pläne auch tatsächlich umgesetzt wurden.Bleibt die Wirklichkeit hinter den Versprechungen zurück, drohen in Form von "Empfehlungen" eine Art "blaue Briefe" aus Brüssel.Dadurch, so hofft man in der EU-Kommission, entsteht politischer Druck auf die Untätigen und Säumigen. Genaue Zieldaten für den Abbau der Arbeitslosigkeit dagegen hat der Luxemburger EU-Ratspräsident Juncker, der die Kunst des Kompromisseschmiedens beherrscht, aus den Leitlinien herausgestrichen.Von 12 Millionen neuen Arbeitsplätzen in der EU innerhalb von fünf Jahren, von der Verbesserung der Beschäftigungsquote von gegenwärtig 60,4 Prozent auf 65 Prozent, ist nun nicht mehr die Rede.An anderen, durchaus auch präzisen Zieldaten hat er jedoch festgehalten: So soll zum Beispiel der Anteil der Arbeitslosen, der ein Angebot zusätzlicher Ausbildung oder Umschulung bekommen soll, künftig europaweit auf 25 Prozent steigen.In Deutschland liegt dieser Anteil derzeit lediglich bei 15 Prozent.Die Bundesregierung hält das 25-Prozent-Ziel denn auch für "keineswegs akzeptabel".Die finanziellen Folgen bei einer Umsetzung der Brüsseler Forderung seien "nicht absehbar". Festgehalten hat Juncker auch an den Plänen, den jugendlichen Arbeitslosen mit konkreten Versprechungen für ein Ende ihrer Misere wieder Hoffnung zu machen.Innerhalb von sechs Monaten soll künftig in der EU allen arbeitslosen Jugendlichen ein Angebot unterbreitet werden, entweder in Form eines Arbeitsplatzes, einer Ausbildung oder einer Umschulung.Doch auch hier fürchtet die konservative Regierung in Bonn die Kosten.Die Luxemburger Pläne seien in dieser Form deshalb "noch nicht akzeptabel".Der etwas verwässerten Form eines Angebots an erwachsene Arbeitslose kann Bonn dagegen allerdings zustimmen: Um Langzeitarbeitslosigkeit gar nicht entstehen zu lassen, sollen künftig alle Arbeitnehmer ehe sie zwölf Monate arbeitslos sind, entweder wie die Jugendlichen ein Job-, Umschulungs- oder Ausbildungsangebot bekommen.Ist dies nicht möglich, sollen sie immerhin eine "individuelle Betreuung in Form von Berufsberatung" bekommen.

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