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Wirtschaft: Risikoanleihen nur für Profis

FRANKFURT (MAIN) .Hohe Renditen lockten viele Privatanleger zum Kauf der reichlich angebotenen DM-Anleihen aus Schwellenländern.

FRANKFURT (MAIN) .Hohe Renditen lockten viele Privatanleger zum Kauf der reichlich angebotenen DM-Anleihen aus Schwellenländern.Angesichts des Kursverfalls stehen sie heute allerdings vor einem Scherbengericht.Die Finanzkrise in Rußland zieht zwar immer noch ihre Kreise, ausländische Investmenthäuser sprechen allerdings bereits vom "Ereignis von gestern".Für J.P.Morgan werden die Entwicklungen in Brasilien die Kurse der Anleihen aus Schwellenstaaten maßgeblich bestimmen.Gleichzeitig machen die Experten Hoffnung: Wie bei allen vorangegangenen Turbulenzen würden sich die Märkte wieder erholen.In einem Jahr könnten die derzeitigen Kurse billig erscheinen.Doch das Virus, das sich die "Latinos" von den Russen geholt haben, wird sie nach Ansicht der Banker noch längere Zeit schwächen.

Vor diesem Hintergrund rät die DG Bank zur Vorsicht bei DM-Anleihen aus sich entwickelnden Staaten.Die Zeit für einen Einstieg auf der Basis der teilweise dramatisch eingebrochenen Kurse erscheint den Analysten Janis Hübner und Michael Wudonig noch nicht gekommen.Das Anlageurteil "Halten" im Fall von Festverzinslichen Argentiniens und Mexikos, Polens und Ungarns ist die positivste Empfehlung, die die beiden DG Bank-Analysten für Privatanleger zu bieten haben.

Anlageprofis können nach Ratschlag von J.P.Morgan etwas mutiger sein.Sie sollten sich am Kapitalbedarf der Staaten im kommenden Jahr orientieren: Je geringer, desto besser.Daher erscheinen den Bankern Mexiko, Peru und Polen attraktiv.Bei DM-Anleihen gibt es indes keine Emission Perus.Die eine vorhandene Festverzinsliche Polens wird von Marktteilnehmern als nicht sonderlich liquide eingeschätzt, so daß es leicht zu Preisverzerrungen kommen kann.Im Fall von Mexiko gibt es ein größeres Angebot von sechs DM-Eurobonds.

Die Urteile im einzelnen: Im Fall von Rußland bleibe abzuwarten, wie die internationalen Finanzmärkte reagieren, wenn Mitglieder der kommunistischen Partei an der Regierung beteiligt werden, meint Hübner.Er hält es indes für voreilig, von einer solchen Entwicklung auf einen Rückfall in die Zeiten des Kalten Krieges zu schließen.Eine Entwicklung hin zu mehr Staatskontrolle sei hingegen wahrscheinlich.

Der Experte ist zuversichtlich, daß die neue russische Regierung erkennt, daß der Bedienung der Euroanleihen für internationale Anleger "höchste Wichtigkeit eingeräumt werden muß".Es dürften daher alle Anstrengungen unternommen werden, es nicht zu Ausfällen kommen zu lassen.Wer DM-Anleihen Rußlands besitzt, solle sie auf dem jetzigen Kursniveau nicht verkaufen.Bedrohlich erscheint Hübner auch die Lage in der Ukraine, wenngleich mit der Freigabe des IWF-Kredits eine gewisse Entspannung eingetreten ist.Lichtblick sei, daß die politischen Gräben wohl nicht ganz so tief seien wie in Rußland.Doch: "Finger weg von Neuengagements", spricht der Banker deutliche Worte.Aber auch ein Verkauf auf dem jetzigen Niveau erscheint ihm falsch.Ebenfalls unter einer starken Ausweitung der Risikoprämien für Euroanleihen hat die besser eingeschätzte Slowakische Republik zu leiden, was auf den geschärften Anlegerblick für Emerging Markets zurückgeführt wird.

Musterknaben bei der Neuausrichtung auf die Marktwirtschaft in Osteuropa sind nach den Worten von Hübner Polen, Tschechien und Ungarn.Trotz schwachen Wachstums des Sozialprodukts in Tschechien sei die wirtschaftliche Lage aller drei Länder als stabil zu bezeichnen.Die Zuverlässigkeit der Schuldner sei als hoch einzuschätzen, ungarische Anleihen am attraktivsten.

Von den Staaten Lateinamerikas bezeichnet Analyst Wudonig von der DG Bank Brasilien als besonders anfällig gegenüber einer neuen Finanzkrise.Aufgrund seines hohen Leistungsbilanz- und Budgetdefizits sei es auf stetige Kapitalzuflüsse aus dem Ausland angewiesen.Insbesondere der inländische Rentenmarkt mit sehr kurzen Fälligkeiten und variablen Kupons gelte als Achillesferse der Staatsfinanzen.Im Oktober stünden Wahlen an.Ein weiterer Problemfall sei Venezuela.Die hohe Abhängigkeit vom Ölsektor bereite angesichts der fallenden Preise große Probleme, urteilt der Analyst.Rund zwei Drittel der Staatseinnahmen stammten aus dem Ölsektor.Wer Anleihen aus den beiden Ländern besitzt und sie nicht bis zur Endfälligkeit durchhalten kann, dem rät Wudonig, sie zu verkaufen.Kurzfristig hält er eine Erholung für unwahrscheinlich.

Trotz vergleichsweise positiver Fundamentaldaten (niedriges Leistungsbilanz- und Budgetdefizit) wurde auch Argentinien von der jüngsten Krise erfaßt.Für 1998 hat das Land nur noch einen Finanzbedarf von zwei Mrd.US-Dollar.Im nächsten Jahr werden jedoch hohe Finanzmittel für den Schuldendienst benötigt.Die Anlageempfehlung: "Halten".Analyst Wudonig gibt sie auch bei Mexiko.Das Land ist nach Venezuela am stärksten von den niedrigen Ölpreisen betroffen.Allerdings habe es die Regierung verstanden, durch strikte Ausgabekürzungen die Mindereinnahmen auszubalancieren.Der Peso sei bereits abgewertet.

ROBERT LANDGRAF (HB)

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