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Wirtschaft: Rolls-Royce und Bentley fahren gegen Jaguar

BERLIN .Schlanke gepflegte Hände umfassen leicht das lederne Lenkrad.

BERLIN .Schlanke gepflegte Hände umfassen leicht das lederne Lenkrad.Ein prüfender Blick streift das glatte Amaturenbrett aus Walnußwurzelholz: "Perfekt".Die noble Limousine hat das Herz der Kundin erobert.In Deutschland, dem zweitgrößten Markt für Luxusgüter nach den USA, lockte die automobile Topklasse 1997 insgesamt 32 537 Käufer.Die großen, ausländischen Marken sind dabei nur mit relativ niedrigen Zulassungszahlen vertreten.Der Markt zwischen 100 000 und 200 000 DM wird von den deutschen Herstellern dominiert.Rolls-Royce verkaufte 1997 beispielsweise fünf Fahrzeuge an die deutsche Kundschaft, die sportlichere Schwester Bentley 63.Beim italienischen Sportwagenhersteller Lamborghini registrierte das Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) in Flensburg 19 Neuzulassungen, bei Maserati 80 und bei Ferrari 621."Hier macht sich der Schumi-Boom bemerkbar", erklärt Reinhard Elkmann vom Verband der Importeure von Kraftfahrzeugen (VdIK) den Run auf die roten Rennwagen.Der beliebteste Luxus-Importwagen ist laut KBA-Statistik der zum US-Konzern Ford gehörende Hersteller Jaguar mit 3180 Zulassungen.Die Japaner schließlich sind im deutschen Luxuswagenmarkt mit dem Toyota Lexus mit 800 Neuzulassungen vertreten.

Dagegen zählte das KBA im Luxussegment bei den deutschen Herstellern allein bei BMW über 11 000 Neuzulassungen (39 Prozent).Ein weiteres Drittel entfiel auf die S-Klasse von Mercedes (29 Prozent), die Volkswagen-Tochter Audi lag mit ihrer 8er-Reihe nur knapp darunter (23 Prozent).Künftig wollen die deutschen Autobauer noch weiter nach oben: Daimler-Benz denkt an eine Wiederbelebung der legendären Vorkriegsmarke Maybach und auch BMW forciert den Bau eines neuen, 200 000 DM teuren Luxussportwagens.

Am energischsten marschiert jedoch VW Richtung Topklasse.Durch die Übernahme von Rolls-Royce und Bentley schafften die Wolfsburger den Vorstoß in ganz neue Image-Sphären.Für den krönenden Abschluß ihrer Modellpalette bezahlten sie 479 Mill.Pfund (rund 1,44 Mrd.DM).Damit nicht genug.Kurz nach dem Rolls-Royce-Deal bereitete die VW-Tochter Audi den Erwerb Lamborghinis vor.Zudem besitzen die Ingolstädter noch die Namensrechte an der "schlafenden" deutschen Traditionsmarke Horch.In jedem Fall soll in Dresden ein "Passat-plus" gebaut werden.

"Der Konzern positioniert sich nach oben", kommentiert Rolls-Royce-Marketing-Chef Georg Canzler die Strategie, mit der sich Ferdinand Piëch für den Konzentrationskampf in der Autobranche rüsten will.Langfristig werden nur etwa "fünf bis zehn Herstellergruppen" überleben, glaubt Piëch."Daimler-Chrysler war nur der Anfang" prophezeit auch Canzler.Auf der anderen Seite könne ein exklusiver Hersteller auf Dauer aber auch nicht allein überleben.Das habe schon der Fall Ferrari gezeigt, dem Fiat kurz vor dem Konkurs die Rettung brachte, und auch die Übernahme der Marken Jaguar und Aston Martin durch Ford.

Bei den Briten vertraut man auf das neue Management aus Wolfsburg: "VW weiß wie man Marken prägt", glaubt Canzler und verweist auf Skoda und Seat, die erfolgreich in der VW-Familie aufgebaut wurden.Ebenso werde auch die weitere Entwicklung der beiden britischen Marken bei VW mit großer Sensibilität angegangen."Auch Jaguar wurde nach der Übernahme nicht fordisiert", erinnert Canzler.

Mit Hilfe der neuen Mutter streben Rolls Royce und Bentley ergeizige Ziele an.Für 1998 sind 2300 verkaufte Wagen anvisiert, langfristig nennt Canzler eine Zahl von 10 000."Natürlich nicht allein mit der bestehenden Modellpalette", deutet der Marketing-Manager Innovationen unter der neuen VW-Regie an."Das erste neue Modell unter VW-Regie wird relativ schnell kommen", verrät Canzler.Der Autobauer aus Crewe, der sich weit jenseits der 300 000-DM-Grenze bewegt, werde auch mit VW "nicht den Fehler machen, ein Auto für 100 000 DM herauszubringen".In Deutschland rechnet er mittelfristig mit 300 verkauften Fahrzeugen pro Jahr.Durch die Übernahme erwarten die Briten vor allem eine Erweiterung des Händlernetzes.Bisher gibt es in Deutschland sechs Händler - davon einer in Berlin - plus einen reinen Servicebetrieb.

Auch in Sachen Sportwagen werde sich einiges tun.Ein Muß ist - aufgrund der Breitenwirkung der Formel Eins - die Rückkehr in den Motorsport.Die Marke Bentley biete hier eine "hervorragende Basis", mit der man etwa an den Ferrari-Erfolg anschließen könne."Von denen könnten wir lernen", so Canzler.Insgesamt sind in Deutschland derzeit etwa 800 bis 1200 Rolls Royce und Bentley zuhause.Die meisten stehen allerdings - bei den vielen begüterten Sammlern - in der Garage.In Berlin gibt es etwa 20 bis 30 Stück, schätzt Canzler.Die erlesene Klientel setzt sich - abgesehen von einigen "Paradiesvögeln" (auch Modedesigner Mooshammer fährt einen Rolls) - zum einen Teil zusammen aus jungen erfolgreichen Mittelständlern, etwa aus der Softwarebranche, zum anderen aus etablierten älteren Geschäftsleuten, die sich, am Ziel ihrer Karriere angekommen, "etwas leisten wollen".Auch wenn meist bar bezahlt wird, kommt die Kundschaft selten aus dem Rotlichtmilieu."Für diese Leute sind unsere Fahrzeuge zu dezent." Der Hersteller grenzt sich auch bewußt ab von absurden Kundenwünschen.Auch wenn der Kunde auf dem sechsseitigen Bestellformular fast alles - bis zur Farbe des Fadens, mit dem die Sitze genäht werden, festlegen kann.Besonders geschmacklos: Ein kanadischer Kunde, der die Innenausstattung seines Rolls ohne Zustimmung des Herstellers komplett auswechseln und die Sitze mit der Haut von 10 000 Fröschen beziehen ließ.

FRIEDERIKE STORZ

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