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Wirtschaft: Rot-Grün kennt kein Pardon für die Sparer

So hatten sich das die Sparer wohl nicht gedacht, die bei der letzten Bundestagswahl Rot-Grün zur Mehrheit verholfen haben.Viele erlebten ein böses Erwachen, als die neue Regierung ihre Vorschläge für eine Steuerreform auf den Tisch legte.

So hatten sich das die Sparer wohl nicht gedacht, die bei der letzten Bundestagswahl Rot-Grün zur Mehrheit verholfen haben.Viele erlebten ein böses Erwachen, als die neue Regierung ihre Vorschläge für eine Steuerreform auf den Tisch legte.Was die Unterhändler in Windeseile zusammengezimmert haben, liest sich für Anleger wie eine Liste des Grauens: Halbierung des Sparerfreibetrags von derzeit 6100 DM für Ledige und 12 200 DM für Verheiratete, Verlängerung der Spekulationsfrist bei Aktien von einem halben auf ein Jahr und bei Immobilien gar von zwei auf 10 Jahre.Zahlreiche Steuerprivilegien für Immobilienkäufer werden gestrichen.

Zugleich fordert Rot-Grün die Bürger auf, mehr für ihre private Vorsorge zu tun.Zwar wird der sogenannte Demographiefaktor in der Rentenversicherung wieder zurückgenommen, der nach dem Wunsch der schwarz-gelben Koalition zu einem langsameren Anstieg der Rentenbezüge geführt hätte.Doch auf die gesetzliche Rente allein werden sich die Jüngeren dennoch nicht mehr verlassen können.Auch Rot-Grün will im nächsten Jahr Vorschläge für eine Rentenreform vorlegen.Schon heute heißt es unmißverständlich: Private Vorsorge ist das Gebot der Stunde.

"Der Staat muß dann aber auch die Bedingungen schaffen, daß die Bürger in ihre private Altersvorsorge investieren können", kritisiert Commerzbank-Sprecher Peter Pietsch.Vor allem die geplante Halbierung der Sparerfreibeträge, die im Jahr 2000 auf die Sparer zukommen soll, macht den Anlegern das Leben schwer.Betroffen sind nicht nur Großverdiener, wie die Regierung glauben machen möchte.Auch Ledige, die 75 000 DM und mehr auf der hohen Kante haben, werden bei einem Zinssatz von vier Prozent künftig für ihre Kapitaleinnahmen Steuern zahlen müssen, Verheiratete müssen ab einem gemeinsamen Vermögen von 150 000 DM den Fiskus an den Zinseinnahmen beteiligen.Nach Berechnungen des Bundesverbandes deutscher Banken brockt allein die Kürzung des Sparerfreibetrags Verheirateten jährliche Mehrausgaben von rund 1300 bis 3200 DM ein.Damit spucken Sozialdemokraten und Grüne aber vor allem denjenigen in die Suppe, die Jahr für Jahr brav einen Teil ihres Geldes für schlechte Zeiten oder für das Alter zurückgelegt haben.Sie werden zur Kasse gebeten, damit die neue Regierung ihre Steuerreform - Anhebung des Grundfreibetrags, Absenkung des Eingangssteuersatzes - gegenfinanzieren kann.Nach Schätzung der SPD-Bundestagsfraktion bringt die Halbierung des Sparerfreibetrags dem Fiskus Mehreinnahmen von 2,8 Mrd.DM im Jahr.

Mit einer erneuten Kapitalflucht wie bei Einführung der Zinsabschlagsteuer rechnet niemand."Steueroasen in der Karibik kommen für Normalanleger nicht in Frage", sagt Commerzbank-Sprecher Pietsch.Und in Europa sind die Bemühungen um eine Harmonisierung der Zinsbesteuerung inzwischen recht weit gediehen; das einstige Steuerschlupfloch Luxemburg verliert damit seinen Glanz.Auch die hartnäckigen Ermittlungen der Staatsanwälte gegen Steuerhinterzieher zeigen Wirkung.Vor dem Transfer von Schwarzgeld ins Ausland dürften daher viele zurückschrecken.Bei der SPD in Bonn sagt man offen, was Sache ist.Wer sein Geld im Inland habe, könne es jetzt kaum mehr außer Landes schaffen, ohne Spuren zu hinterlassen.Über Freistellungsanträge oder die Steuererklärungen der vergangenen Jahre sei es möglich, Steuersünder aufzuspüren."Die Leute geben das Geld lieber aus", vermutet auch Pietsch.Das kurbelt zwar die Binnenkonjunktur an, für die private Altersvorsorge bleibt aber wenig übrig.

Denn auch Aktiensparer will Rot-Grün vom 1.Januar 1999 an stärker in die Steuerpflicht nehmen.Immerhin verbuchten die deutschen Anleger im Boomjahr 1997 mehr als 400 Mrd.DM an Kursgewinnen.Doch nur ein kleiner zweistelliger Millionenbetrag ging davon an den Fiskus.Die Verdoppelung der Spekulationsfrist auf ein Jahr soll dieses Mißverhältnis beenden.Doch der Schuß kann auch nach hinten losgehen.Denn erstens bleibt es unter Rot-Grün bei dem Freibetrag von 1000 DM für Zocker-Gewinne.Und zweitens darf der Anleger auch weiterhin Kursverluste gegenrechnen.Angesichts der Turbulenzen an den Finanzmärkten mit starken Ausschlägen nach oben und nach unten könnten viele Spekulanten von der Fristverlängerung sogar profitieren.Rot-Grün rechnet jedoch unverdrossen mit Mehreinnahmen für die Staatskasse von 30 Mill.DM.

Zwiespältig auch: die deutliche Ausdehnung der Spekulationsfrist für Wertzuwächse bei Immobilien.Die betrug bislang zwei Jahre und soll ebenfalls schon zum Jahreswechsel auf stolze 10 Jahre verlängert werden.Zudem sollen Vorkosten- und Instandhaltungskostenpauschalen gestrichen und der vertikale Verlustausgleich eingeschränkt werden.Der Ring Deutscher Makler läuft Sturm und spricht von einer "Ungleichbehandlung" der Haus- und Grundeigentümer.Besonders problematisch: Die Reform soll nicht nur neu abgeschlossene Kaufverträge erfassen, sondern auch Immobilien, bei denen die alte 2-Jahres-Frist bereits verstrichen ist.Kalkulierte Einnahmen für den Fiskus: 450 Mill.DM im Jahr.

Selbstnutzer können jedoch aufatmen.Anders als bei der bisherigen Regelung bleiben sie künftig von der Pflicht, Spekulationssteuer zu bezahlen, verschont.Denn die neue Regierung will die Mobilität der Bürger fördern, heißt es, und da würde eine solche Steuer nicht ins Konzept passen.

Doch das ist auch der einzige Lichtblick.Ansonsten spielt Rot-Grün vor allem einer Branche in die Hände - den Lebensversicherungen.Denn deren steuerliche Privilegien bleiben unangetastet.Von einer Steuerfreiheit der Erträge bei langlaufenden Verträgen können die Investmentfondsgesellschaften, die mit ihren AS-Fonds ebenfalls eine Absicherung für das Alter anbieten, nur träumen.Dennoch hört man auch bei den Lebensversicherern leise Kritik an den Steuerplänen der Regierung.Die Absenkung der Steuertarife sei doch "sehr vorsichtig" erfolgt, heißt es.

In der Tat: Die geplante Senkung des Spitzensteuersatzes von 53 auf 48,5 Prozent im nächsten Jahrtausend bleibt weiter hinter den Reformplänen der alten Regierungskoalition (39 Prozent) zurück.Das rot-grüne Reformpaket enthalte nur die Empfehlungen, die man einst gegeben habe, um die Einnahmenseite zu verbessern, sagt Gerold Krause-Junk, Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats beim Bundesfinanzministerium.Die andere Seite der Medaille, die Entlastung der Steuerzahler, bleibe aus.

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