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Wirtschaft: Rote Rosen für den Marlboro-Mann

HARARE .Tabakfelder, so weit das Auge reicht.

HARARE .Tabakfelder, so weit das Auge reicht.Cumuluswolken im azurblauen Himmel.Eine idyllische Farm, gepflegte Rundhütten, dahinter die Kulisse der Umvukwe-Berge.Eigentlich sollte Ian Hammond, dessen Großvater vor über 60 Jahren hierher kam, Grund zur Zufriedenheit haben.

Doch die Idylle täuscht: Die Stimmung ist gedrückt.Verantwortlich dafür sind die Pläne der Regierung von Simbabwe, viele der produktivsten Großfarmen, die der weißen Minderheit gehören, zu enteignen und an landlose schwarze Kleinbauern zu verteilen.Obwohl es sich bislang nur um eine Absichtserklärung handelt und der Staatskasse das Geld für Entschädigungen fehlt, hat der Plan dem simbabwischen Tabakmarkt einen schweren Schlag versetzt.Schließlich stammt rund ein Viertel der gesamten Tabakproduktion des Landes von jenen 550 Tabakfarmen, die Präsident Robert Mugabe für die Umverteilung ausersehen hat.

Die Enteignungspläne und die Willkür bei der Auswahl der weißen Farmen werden nicht nur von den Farmern, sondern auch den internationalen Tabakkäufern als Mißtrauensvotum empfunden."Ausländische Kunden haben kein Interesse an der Innenpolitik eines Landes, sondern verlangen stete Lieferungen.Doch gerade die sind durch die Regierungspläne nun gefährdet", warnt der Ökonom John Robertson.

Das rigorose Vorhaben Mugabes, der Simbabwe seit nunmehr fast genau 20 Jahren regiert, ist umso verblüffender, als er und seine korrupte Führungsclique auf die Einnahmen aus dem Tabaksektor angewiesen sind: Obwohl die Landwirtschaft des Landes mit 15 Prozent nur einen relativ kleinen Anteil zum Bruttosozialprodukt des südafrikanischen Binnenstaats beiträgt, kommt der Tabakindustrie eine zentrale Rolle zu: Sie erwirtschaftet rund ein Drittel der Deviseneinnahmen von Simbabwe und beschäftigt mehr als 100 000 Menschen.

Dazu kommt: Wie die Banane in Ecuador ist der Tabak in Simbabwe Motor für zahllose andere Industriezweige.Ein Grund für die herausgehobene Stellung des gelben Krauts liegt darin, daß Simbabwes Tabak wegen seines Geschmacks und hohen Nikotingehalts auf dem Weltmarkt besonders begehrt ist.Sein qualitativ erstklassiges "Zitronenblatt" wird zum Beispiel zur Mischung von Topmarken wie Camel und Marlboro verwendet.Derzeit kaufen fast 70 Länder Tabak aus Simbabwe, wobei Unternehmen in der Europäischen Union zuletzt fast die Hälfte der Produktion abnahmen.Anders als die meisten anderen Produzenten hat das südafrikanische Land besonders günstige Boden- und Klimaverhältnisse.Darüber hinaus wird hier eine spezielle Trocknungstechnik angewandt.Heute ist Simbabwe, das 98 Prozent seiner Ernte ausführt, gleich hinter Brasilien und den Vereinigten Staaten der weltweit drittgrößte Tabakexporteur.Zu den anderen Großproduzenten gehören Indien und China, die jedoch einen Großteil ihrer Ernte selbst verbrauchen.

Die internen Probleme des Landes sind allerdings nicht einzige Sorge von Tabakfarmern wie Ian Hammond: Ihnen bereitet auch der starke Regen Kopfschmerzen.Deswegen dürfte die diesjährige Ernte im eigenen Land nicht bei den ursprünglich erwarteten 205 Mill.Kilogramm, sondern nur bei etwa 185 Mill.Kilogramm liegen - und das bei fallenden Preisen: Die Wirtschaftskrise in Asien und eine Prozeßlawine gegen Tabakfirmen in den USA bereiten Unruhe auf dem Weltmarkt.Dazu kommt die Angebotsschwemme: Während der Zigarettenkonsum zuletzt pro Jahr weltweit nur um 1,5 Prozent wuchs, nahm die gesamte Anbaufläche gleich um zwölf Prozent zu.Brasilien hat dazu mit mehr als 400 Mill.Kilogramm in diesem Jahr eine besonders gute Ernte eingefahren.

Angesichts der angespannten Lage am Markt suchen Zigarettenproduzenten derzeit immer öfter nach Ländern mit niedrigen Produktionskosten.Leidtragende dieser Entwicklung sind Qualitätsproduzenten wie Simbabwe.Allerdings gibt es für die Farmer im Süden des afrikanischen Kontinents auch einige Lichtblicke: So hat sich die simbabwische Regierung dazu durchgerungen, die vor zwei Jahren verhängte Umsatzsteuer auf die Einnahmen von Tabakauktionen zu überdenken.Erholung für die Farmer verspricht auch der jüngste Kursverfall des Simbabwe-Dollar - der Währungseffekt hat die Einnahmen der Tabakfarmer in Landeswährung immerhin um 80 Prozent erhöht.

Dennoch haben immer mehr Tabakfarmer wie Ian Hammond nach den Enteignungsdrohungen der Regierung den Glauben an die Zukunft verloren: Sie wollen ihre Farmen verkaufen.Sie sind es leid, mit der Bedrohung einer konfusen Landreform zu leben.Andere sind dazu übergegangen, die Tabak-Monokultur aufzugeben und ihre Anbaupalette zu erweitern.

Zu den Rennern gehört in Simbabwe nun ein Produkt, das am Tage geerntet und verpackt wird und bereits am Abend im Flugzeug nach Europa liegt: Schnittblumen - allen voran Rosen.WOLFGANG DRECHSLER/HB

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