zum Hauptinhalt

Wirtschaft: Rücktrittsrecht bei neuen Policen

Wer sich übers Ohr gehauen fühlt, kann 14 Tage lang problemlos aussteigenVON HELMUT ZERMIN"Wenn wir keine Fehler machen, heißt das, daß wir nicht genug neue Dinge ausprobieren." Dieser Satz von Phil Knight, Gründer und Chef des US-Sportartikelherstellers "Nike" gilt auch beim Abschluß von Versicherungspolicen.

Wer sich übers Ohr gehauen fühlt, kann 14 Tage lang problemlos aussteigenVON HELMUT ZERMIN"Wenn wir keine Fehler machen, heißt das, daß wir nicht genug neue Dinge ausprobieren." Dieser Satz von Phil Knight, Gründer und Chef des US-Sportartikelherstellers "Nike" gilt auch beim Abschluß von Versicherungspolicen.Diese Erfahrung mußte auch Hans Kahl (Name geändert) aus Berlin machen.Beim nächtlichen Surfen im Internet stellte der 35jährige Hotelkaufmann fest, daß die Unfallpolice, die er drei Tage vorher bei einem cleveren Vertreter abgeschlossen hatte, 400 Prozent teurer war, als die im Internet offerierte Police eines Kölner Direktversicherers.Auch die prognostizierte Ablaufleistung der abgeschlossen Kapital-Lebensversicherung fällt bei diesem Direktversicherer wesentlich höher aus. Guter Rat ist in solch einem Fall dann teuer.Zum Glück kannte Kahl einen gerichtlich zugelassenen Versicherungsberater, der ihm half, noch rechtzeitig aus den Policen auszusteigen. Denn seit dem 1.Januar 1991 gilt auch beim Abschluß von Versicherungspolicen ein Widerrufsrecht.Diese Frist, innerhalb der Kunden nach der Unterschrift unter einen Versicherungsantrag ihre Entscheidung ohne Angabe von Gründen widerrufen können, wurde zum 29.Juli 1994 von 10 Tagen auf 14 Tage verlängert.Versicherungskunden, die eine Police mit einer Laufzeit von über einem Jahr abschließen, haben also 14 Tage Zeit, einen einmal unterschriebenen Antrag zu widerrufen.Der Widerruf sollte dabei möglichst per Einschreiben/Rückschein erfolgen.Er muß dem Versicherer dabei nicht mehr innerhalb dieser Frist zugehen, sondern nur noch rechtzeitig abgesandt worden sein, um wirksam zu werden. Die Widerrufsfrist beginnt, sobald der Versicherer den Kunden über sein Widerrufsrecht belehrt und dieser die Belehrung durch seine Unterschrift bestätigt.Wird über das Widerrufsrecht im Antrag nicht oder nicht zutreffend und deutlich (beispielsweise versteckt auf der Rückseite) belehrt, erlischt das Widerrufsrecht erst einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie.Das Widerrufsrecht entfällt allerdings bei allen Policen, die im Zusammenhang mit einer gewerblichen oder selbständigen Tätigkeit stehen, also bei Vollkaufleuten.Wenn der Versicherer auf Wunsch des Kunden sofortigen Versicherungsschutz (vorläufige Deckungszusage) gewährt (z.B.bei einer Unfallpolice), beginnt die Widerrufsfrist erst mit Zusendung des Versicherungsscheines zu laufen. Viele Versicherer versuchen dann aber bei einem Widerspruch des Kunden, den Teil des Versicherungsschutzes bis zum Eingang des Widerrufs zum Kurztarif abzurechnen.Die Prämie kann dann für 14 Tage Unfallschutz bis zu einem Viertel der Jahresprämie betragen.In solch einem Fall sollten Kunden der Rechnungslegung widersprechen und die Verbraucherzentrale oder einen gerichtlich zugelassenen Versicherungsberater einschalten. Bei Lebensversicherungen gilt ein 14tägiges Rücktrittsrecht.Dieses endet erst 14 Tage nach Eingang der Police beim Kunden.Auch hier genügt zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung der Rücktrittserklärung.Wird über das Widerrufsrecht im Antrag nicht oder nur ungenügend informiert, erlischt das Rücktrittsrecht auch bei Lebensversicherungen erst einen Monat nach Zahlung der ersten Prämie. Seit dem 1.Januar 1995 muß der Versicherer dem Kunden zusätzlich beim Abschluß eines Vertrages auch die Versicherungsbedingungen aushändigen und eine Reihe von zusätzlichen Verbraucherinformationen geben, mit denen der Kunde schriftlich in verständlicher Form über "die für das Versicherungsverhältnis maßgeblichen Tatsachen und Rechte unterrichtet" wird.Diese "Verbraucherinformation" muß eindeutig formuliert, klar und verständlich, übersichtlich gegliedert und in deutscher Sprache abgefaßt sein. Bei Lebensversicherungen müssen beispielsweise vorab die individuellen Rückkaufswerte im Falle einer vorzeitigen Kündigung, die Gewinnbeteiligung sowie Angaben über den Leistungsumfang gemacht werden. Werden dem Kunden die Versicherungsbedingungen und speziellen Verbraucherinformationen nicht ausgehändigt oder wird man nur teilweise informiert, kann man die Police bis zu einem Jahr nach Zahlung der ersten Prämie widerrufen und alle bis dahin gezahlten Beiträge zurückfordern.Das Widerrufsrecht entfällt allerdings, wenn der Versicherer auf Wunsch des Kunden vorläufigen Versicherungsschutz gewährt. Den Informationspflichten kommt nach Erfahrung des Bundes der Versicherten e.V.(BdV) bisher allerdings kein Lebensversicherer in der vorgeschriebenen Form nach."Sie schicken zwar im Policenpaket Unterlagen mit, die sie als "Verbraucherinformation" bezeichnen.Diese erfüllen in aller Regel aber nicht die gesetzlichen Voraussetzungen", meint Geschäftsführer Hans Dieter Meyer. Insbesondere werden bei Lebensversicherungen die Überschußbeteiligungen und die Rückzahlung bei vorzeitiger Kündigung (Rückkaufswerte) nicht oder nicht richtig beschrieben.Wer daher in den letzten 12 Monaten eine Lebensversicherung abgeschlossen hat, kann nach Ansicht des BdV den Verträgen widersprechen und eingezahlte Beiträge plus die Zinsen zurückfordern.

HELMUT ZERMIN

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false