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Sanierung: Airbus baut 10.000 Stellen ab

Im Zuge einer neuen Konzernstruktur streicht der angeschlagene Flugzeugbauer Airbus in Deutschland 3700 Jobs, verkauft möglicherweise zwei Werke und gibt eines an einen Partner ab. Die Gewerkschaften wollen um jeden Arbeitsplatz kämpfen.

Toulouse - Mit einem gewaltigen Kraftakt will der angeschlagene europäische Flugzeugbauer Airbus die schwersten Krise in seiner fast 40-jährigen Geschichte überwinden: 10.000 Stellen sollen abgebaut und Unternehmensabläufe gestrafft werden. Vier Kompetenzzentren sollen die bisher in acht nationale Einheiten gegliederte Organisation ablösen. Die Pläne des deutsch-französisch dominierten Flugzeugkonzerns stießen bei den Beschäftigten auf massiven Widerstand. Dagegen lobten Politiker das Konzept der Unternehmensspitze. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete es als ausgewogen.

Wie das Tochterunternehmen des europäischen Luft- und Raumfahrtkonzerns EADS mitteilte, sollen in Deutschland 3700 Stellen wegfallen. Weitere 4300 Arbeitsplätze seien in Frankreich betroffen - davon 1100 auf die Airbus-Zentrale in Toulouse. In Großbritannien sind es 1600 Stellen und 400 in Spanien. 5000 der genannten Stellen seien mit "Zeitarbeitskräften oder Unterauftragnehmern" besetzt.

"Gift für Airbus"

Das Unternehmen will im Zuge des "Power 8" genannten Sanierungsprogramms niemanden entlassen. Die beschlossenen Anpassungen sollen durch natürliche Fluktuation, Vereinbarungen über freiwilliges Ausscheiden und weitere Maßnahmen erfolgen. "Bislang sieht das Management keine Notwendigkeit für Entlassungen", hieß es.

Airbus-Chef Louis Gallois sagte bei der Vorstellung der Umbaupläne in Toulouse: "Wir sind kein integriertes Unternehmen. Es gibt deshalb Überlappungen und parallele Hierarchien. Und es gibt nationale Konflikte. Das ist Gift für Airbus." Die geplanten Kostensenkungen von 2,1 Milliarden Euro bis zum Jahr 2010 seien ein Minimum: "Wir haben keine andere Wahl. Wir müssen sie erreichen." Er verwies dabei auch auf den Konkurrenten Boeing, der sich schon längst den neuen Herausforderungen gestellt habe.

Eine langfristige Bestandsgarantie wollte Gallois aber für kein Werk geben. "Wir können noch nicht einmal für den Eiffelturm garantieren, dass es ihn in 20 Jahren noch gibt", sagte Gallois der dpa. "Das gilt auch für alle Airbus-Werke. Wir sind ein Unternehmen und müssen am Markt kämpfen."

Bereits "unaufgeforderte Angebote"

Für die Airbus-Werke in Varel (Niedersachsen), Laupheim (Baden-Württemberg) sowie im französischen St. Nazaire will das Management verschiedene Möglichkeiten ausloten. Dazu zählt neben einem Verkauf an Hauptzulieferer auch eine Abgabe an das Management oder die Zusammenlegung mit anderen Werken. Für den Standort Nordenham (Niedersachsen) sowie für Filton in Großbritannien und Méaulte (Frankreich) erwägt Airbus "industrielle Partnerschaften". Für diese Standorte gebe es bereits "unaufgefordert Angebote möglicher Investoren".

Unterdessen legten Arbeitnehmer in Varel, Nordenham und Laupheim die Arbeit nieder. Die Arbeit solle vermutlich erst am Freitag wieder aufgenommen werden. "Sie haben die Schnauze voll", sagte ein IG-Metall-Sprecher. Zwei der Werke sollen verkauft und das dritte mit einem Partner betrieben werden.

Die französischen Arbeitnehmer reagierten erzürnt auf die Lastenverteilung. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Pläne legten mehr als 1000 Beschäftigte in Toulouse die Arbeit nieder. Die Mobilisierung gegen den geplanten Stellenabbau und die Airbus-Werksverkäufe müsse anschwellen, es werde als Protest dagegen spontane und auch organisierte Arbeitsniederlegungen geben, kündigte CGT-Sprecher Xavier Petrachi an.

Glos: Ausgewogenes Konzept

Der deutsche Gesamtbetriebsrat und die IG Metall reagierten ebenfalls verärgert: "Der Kampf um die Zukunft von Airbus in Deutschland hat jetzt erst begonnen." Der Gesamt- und Konzernbetriebsratsvorsitzende, Rüdiger Lütjen, sagte: "Wir werden das Konzept des EADS Boards so nicht akzeptieren." "Wir kämpfen um jeden Arbeitsplatz. Darüber hinaus werden wir die Beibehaltung aller Standorte innerhalb der Airbus Deutschland GmbH entschieden einfordern."

Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sah die deutschen Interessen bei der Verteilung der Lasten und der Zukunftstechnologien berücksichtigt. Er nannte "Power 8" ein ausgewogenes Konzept. "Es hat ja immer so mal den Verdacht gegeben, dass die deutsche Seite über den Tisch gezogen wird. Das ist nicht der Fall."

Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) sagte, "wir haben aktiv dazu beigetragen, das deutsch-französische Gleichgewicht bei EADS zu erhalten und Fairness bei der Überwindung der Krise durchzusetzen". Zugleich kritisierte er, dass die niedersächsischen Standorte in Varel und Nordenham aus dem Unternehmen herausgelöst werden sollen. Der deutsche EADS-Co-Chef Tom Enders sagte, bei dem Sanierungsprogramm "Power 8" sei es darum gegangen, die Lasten und Härten der Airbus-Restrukturierung ebenso "einigermaßen fair" zu verteilen, wie die Zukunftschancen. "Ich denke, das ist uns jetzt gut gelungen".

Flugzeugrumpf und Kabine in Deutschland

In den neuen vier transnationalen Kompetenzzentren erhält Deutschland die Federführung für Flugzeugrumpf und Kabine, Großbritannien für Tragflächen, Spanien für Heck und Frankreich für die Flugzeugstruktur. Hamburg erhält "unverzüglich" eine dritte Endmontagelinie für das Modell A320. Dieser Verkaufsschlager wurde bislang ausschließlich in Toulouse endmontiert, während in Hamburg die Schwestermodelle A318, A319 und A321 gebaut werden.

Airbus wird das neue Riesenflugzeug A380 sowohl in Hamburg als auch in Toulouse ausliefern. Toulouse bekommt im Gegenzug die Endmontage für das neue Langstreckenflugzeug A350. Für dieses Modell werden Arbeiten zu großen Teilen an Systemlieferanten ausgelagert, um die betriebswirtschaftlichen Risiken für Airbus zu mindern. "50 Prozent der Arbeiten an der Flugzeugstruktur werden ausgelagert und so das Risiko mit Partnern geteilt". (tso/dpa)

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