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Thilo Sarrazin bei der Vorstellung von Dirk Laabs' investigativem Buch über die Treuhand.

© dpa

Ende der DDR: Sarrazin vergleicht Treuhand-Arbeit mit "Notschlachtung"

Thilo Sarrazin teilt verbal wieder kräftig aus: Bei der Vorstellung eines Buches von Dirk Laabs spricht der frühere Berliner Finanzsenator über das Ende der DDR - und sorgt mit schrägen Äußerungen zur Treuhand für Empörung.

Das Ende der DDR ist noch immer eine emotionale Angelegenheit für viele – und Thilo Sarrazin hat noch immer eine ganz spezielle Beziehung zu sensiblen Themen. Das zeigte sich am Montagabend bei der Vorstellung des Buchs „Der deutsche Goldrausch. Die wahre Geschichte der Treuhand“, das der investigativ arbeitende Journalist und Autor Dirk Laabs geschrieben hat (Pantheon Verlag, 384 S., 16,99 €). Mit auf dem Podium im dbb-Forum in der Berliner Friedrichstraße saß Sarrazin und sorgte mehrmals für empörtes Raunen im Publikum.

Anfang der 90er führte er im Bundesfinanzministerium die Aufsicht über die Treuhandanstalt, die umstrittene Institution, die nach der Wende die ostdeutschen Betriebe in die Marktwirtschaft überführen sollte und für drei Millionen Menschen keine Arbeit mehr fand. Einige davon sitzen an diesem Abend im Publikum und erleben auf der Bühne den Bürokraten Sarrazin, für den sich die Wende vor allem als Kostenfrage in einer fünfspaltigen Excel-Tabelle vollzog. „Mir war klar: Wir Westdeutschen müssen für alles zahlen“, sagt Sarrazin. „Die Frage war, wie man das in eine rationale Form bringen kann.“

Thilo Sarrazins umstrittenes Buch und die Folgen - ein Rückblick in Bildern:

Während Sarrazin spricht, starrt Detlef Scheunert am anderen Ende des Podiums auf seine Hände. Dann erklärt der einzige von 46 Treuhand-Direktoren, der aus dem Osten kam, was seiner Meinung nach schiefgelaufen ist: Am Ende habe die Wertschätzung für die Arbeit, für das Leben der Menschen im Osten gefehlt. Es fehlte das Fingerspitzengefühl.

Es fehlt auch Sarrazin an diesem Abend. Sein Fazit der Treuhand-Arbeit: „Es war eine Notschlachtung, so wie die Schweine damals gekeult wurden, die keiner mehr essen wollte.“ Unruhe entsteht im Publikum. Christa Luft meldet sich zu Wort. Bis jetzt saß die ehemalige Wirtschaftsministerin der DDR-Übergangsregierung still im Publikum. „Es war nicht alles Schrott, es gab Fachkräfte, Märkte, Forschungsergebnisse, an denen sich bereichert wurde“, wendet sie sich an Sarrazin. Der sitzt tief im Ledersessel, ein Arm baumelt über die Lehne. Das Statement ignoriert er. Stattdessen dreht er sich zu Buchautor Dirk Laabs und hält einen Kurzvortrag über den Kapitalismus.

Wie die Kreuzberger gegen Sarrazin protestieren:

Erst dann wendet Sarrazin sich der eigentlichen Frage zu: „Es gab Glücksritter, aber sie haben sich nur an einer Quelle bedient: Dem Geld von West nach Ost“, sagt er. „Das stimmt nicht“, ruft es aus dem Raum. Auf eine Diskussion lässt sich Sarrazin nicht weiter ein. „Ostdeutschland hat am Ende profitiert.“ Auch dass Laabs' spannendes und äußerst gut recherchiertes Buch vor allem die mangelnde Kontrolle bei den Privatisierungen – und damit Sarrazins damalige Zuständigkeit – kritisiert, ficht ihn nicht an: Es habe eben „ein absoluter Mangel an Übersicht geherrscht“. Anika Kreller

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