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Wirtschaft: Saubere Geschäfte

CO2-Kompensationen beruhigen das Gewissen. Gutes Geld lässt sich damit auch verdienen

Es klingt wie ein Paradox: klimaneutral Auto fahren. Immerhin steht die Automobilindustrie ebenso am Klimasünder- Pranger wie die Luftfahrt. Denn allein die Pkws auf deutschen Straßen stoßen laut Verkehrsclub Deutschland pro Jahr rund 102,8 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) aus – rund 65 Prozent der gesamten vom Verkehr verursachten Emissionen. Die Schweizer Stiftung Myclimate bietet seit dieser Woche an, die Klimagase freiwillig zu kompensieren – analog zu den ebenfalls freiwilligen Abgaben auf Flugtickets, die Reisenden von immer mehr Anbietern offeriert werden. Nur ein Teil der weltweit drei Dutzend Anbieter klimaneutralisierender Kompensationsgeschäfte ist gemeinnützig, der Rest verdient Geld.

Die neue Boombranche kann in diesem Jahr nach Schätzungen der Vereinten Nationen weltweit mit 90 Millionen Euro Umsatz rechnen. Bis Ende 2010 könnte es schon eine halbe Milliarde Euro sein. Viel versprechende Aussichten, an denen immer mehr teilhaben wollen. Sie heißen Greenmiles, 3C, Climatepartner oder Atmosfair und sitzen fast ausschließlich in Industrienationen. Ihr Ansatz: Firmen, Institutionen oder Privatpersonen zahlen freiwillig für von ihnen verursachte Emissionen, indem sie Zertifikate kaufen. Das Geld wird zum Großteil in Solar-, Wasserkraft-, Biomasse- oder Energiesparprojekte investiert. Auf diese Weise soll die Menge an Treibhausgasemissionen eingespart werden, wie sie verursacht worden ist.

Nicht immer erfolgt das aus altruistischen Gründen. „Viele Firmen haben entdeckt, dass sich das Instrument Klimaneutralität auch für das Produktmarketing ganz neu nutzen lässt“, sagt Sascha Lafeld, Vorstand des Frankfurter Emissionshandelspezialisten 3C. So habe etwa die Post mit ihrem „klimaneutralen Paketversand“ einem althergebrachten Produkt neuen Schwung verliehen.

Doch noch fehlt eine wirkliche Kontrolle, die Qualität der Anbieter variiert gewaltig. „It’s the Wild West“, heißt es in einem Bericht, den die renommierte Tufts University bei Boston jüngst veröffentlichte – eine der ersten Studien, die das Kompensationsgeschäft unter die Lupe nimmt. „Die Transparenz ist sehr gering in diesem Markt“, sagt Martin Stadelmann von Myclimate in Basel. Ungeklärt sei etwa, wie die Emissionen für die Zertifikate berechnet werden. „Da müssen international geltende Standards gesetzt werden, sonst berechnet ein Anbieter dreimal so viele Emissionen für eine Flugstrecke wie ein anderer.“ Auch müsse garantiert werden, dass Zertifikate nicht doppelt vergeben würden. Und wie viel fließt tatsächlich in die Klimaschutzprojekte? Laut Tufts-Studie kommen bei professionellen Firmen im Schnitt nur 43 Prozent des Geldes an. Bei gemeinnützigen sind es rund 80 Prozent. Doch auch diese Daten beruhen nur auf der Selbstauskunft der Anbieter.

Darum empfiehlt die Studie ein Gütesiegel, um die Angebote zu beurteilen: den Gold Standard. Für ihn müssen strenge Kriterien erfüllt werden: So werden nur nachhaltige erneuerbare Energie- und Energieeffizienzprojekte berücksichtigt. Aufforstungsprojekte, die CO2 nur temporär binden, sind davon ausgeschlossen. Die Emissionsreduktionen müssen nachweisbar sein. Auch muss es sich um eine zusätzliche Investition handeln: Was ohnehin geplant ist, wird nicht unterstützt. Erst siebenmal wurde das Label vergeben, meist an vergleichsweise kleine Projekte. Immerhin: „60 weitere stehen zur Überprüfung an“, sagt Michael Schlup, Geschäftsführer der gleichnamigen Schweizer Stiftung in Basel. Die Gebühren für das Label – zehn Dollar-Cent pro Tonne CO2, die kompensiert werden soll, – zahlen sich laut Schlup in besseren Marktchancen aus: „Der Preis für Zertifikate steigt durch unser Label deutlich.“

Nicht jedes Projekt, das dem Umweltgewissen angeboten wird, ist auch sinnvoll. „Da mischen viele mit, die die Investition in ein Projekt als Kompensation verkaufen“, sagt Schlup. Manche sind sogar schädlich. So entstehen etwa bei der Produktion von Kühlmitteln industrielle (Treibhaus-)Gase. Nun gibt es Projekte, um diese Gase zu zerstören. Für die braucht man aber einen Stoff, der wiederum die Ozonschicht zerstört. 30 bis 40 Prozent aller Zertifikate haben laut Schlup solche Nebeneffekte.

Ist es aber sinnvoll, eine Windanlage in Australien zu fördern, wie das etwa Climate Friendly anbietet? Ja, da das Land keine Verpflichtungen aus dem KyotoProtokoll habe, meint Schlup. „Das Ziel ist es, den Emissionshandel auch dort zu verankern.“ Über solche Projekte sollten Sensibilität geschaffen und Marktchancen aufgezeigt werden. Dennoch sei nicht zu vergessen, so Schlup, dass Kompensationsgeschäfte nur Übergangslösungen seien. „Langfristig müssen die Emissionen reduziert werden.“

Juliane Schäuble

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