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 dDa war noch vieles gut. Vor einem Jahr unterzeichnete Joe Kaeser in Riad ein Wirtschaftsabkommen mit Khalid Al Falih, dem Minister für Erdöl. Im Hintergrund schauen Bundeskanzlerin Angela Merkel und König Salman dem Treiben zu.

© picture alliance / Kay Nietfeld

Saudi-Arabien: Kaeser bleibt zu Hause

Der Siemens-Chef fährt nicht zum Investorentreffen nach Riad. 370 Berliner Firmen haben Geschäftsbeziehungen mit dem Königreich.

Joe Kaeser hat schwer mit sich gerungen und am Ende eine Entscheidung getroffen, von der er nicht wirklich überzeugt ist. Es wäre „couragierter“ gewesen, diese Woche zur Investorenkonferenz nach Riad zu fahren, teilte Kaeser in einer Erklärung am Montag mit. Nach langem Abwägen und der Prüfung verschiedener Optionen habe er jedoch „die klarste Entscheidung“ getroffen, erklärte der Siemens-Vorstandsvorsitzende und schloss sich so einer ganzen Reihe von Spitzenmanagern an, die bereits in den vergangenen Tagen ihre Teilnahme abgesagt haben, darunter Christian Sewing, Vorstandschef der Deutschen Bank.

Siemens gehört zu den rund 800 deutschen Unternehmen, die mit Saudi-Arabien Geschäfte machen. Auch für die Wirtschaft sei es wichtig, dass die Umstände, die zum Tod des Journalisten Jamal Kashoggi geführt haben, „vollständig aufgeklärt werden“, hieß es am Montag beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK) in Berlin. Die Wirtschaft brauche „Rechtssicherheit und Vertrauen“. „Zugleich kommt es darauf an, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen“, sagte DIHK-Hauptgeschäftführer Martin Wansleben. In den Bereichen Digitalisierung, Maschinen- und Anlagenbau, Pharma, Automobil und Erneuerbarer Energie „können deutsche Unternehmen zur Diversifizierung der Wirtschaft am Golf beitragen“.

Exporte über 6,5 Milliarden Euro

Nach Angaben des Dachverbandes der Kammern haben deutsche Firmen im vergangenen Jahr Waren und Dienstleistungen im Wert von 6,5 Milliarden Euro nach Saudi-Arabien exportiert. In diesem Jahr werden noch sechs Milliarden erwartet; das liegt deutlich unter dem Niveau von 2015, als das Exportvolumen bei rund zehn Milliarden Euro lag.

Der Berliner Export in das Königreich hat sich innerhalb von 15 Jahren nahezu verdreifacht, von 93 Millionen Euro (2002) auf 277 Millionen Euro 2017. Auch hier fällt 2015 mit einem Rekordwert von gut 845 Millionen auf. Nach Angaben der IHK schlugen damals Siemens-Gasturbinen, die aus dem Werk in Moabit stammen, zu Buche. Ebenso hätte sich ein Anstieg der Tabakpreise 2015 bemerkbar gemacht. Denn mit einem Anteil von gut 71 Prozent an den Ausfuhren nach Saudi-Arabien haben Tabakerzeugnisse mit großem Abstand den größten Anteil. Philip Morris („Marlboro“) betreibt in Neukölln eine große Zigarettenfabrik. Auf Platz zwei der Berliner Exportgüter Richtung Saudi-Arabien stehen nach Angaben der IHK Maschinen (6,8 Prozent), vor elektrischen Ausrüstungen mit 5,4 Prozent. Auf der Rangliste der wichtigsten Berliner Exportmärkte stehen die Saudis auf Platz 17. Alles in allem unterhalten rund 370 Berliner Unternehmen Geschäftsbeziehungen. Mit Importen dürften sich die wenigstens befassen: Die Einfuhren aus Saudi-Arabien bewegten sich in den vergangenen Jahren zwischen 500 000 und drei Millionen Euro.

Catherine Dussmann fährt auch nicht nach Riad

Noch nicht so richtig ins Geschäft gekommen ist der Berliner Gebäudedienstleister Dussmann. Die Mehrheitseigentümerin Catherine von Fürstenberg-Dussmann bemüht sich seit Jahren in Riad um Aufträge, unter anderem für die Versorgung von Pilgern in Mekka. In diesem Frühjahr berichtete Dussmann von einer Büroeröffnung in Riad. Zu der am Dienstag beginnenden, dreitägigen Investorenkonferenz wollte Catherine Dussmann indes nicht fahren, hieß es in der Unternehmenszentrale an der Friedrichstraße. Anders Joe Kaeser.

Der Siemens-Chef erklärte am Montag, weshalb er so lange für eine Absagebrauchte: Er habe noch auf eine Klarstellung durch die Saudis im Falle Kashoggis gehofft. Zum Zweiten sei er beschäftigt gewesen mit der Anbahnung eines „Megaprojekts“ im Irak, und drittens habe er versucht, trotz des „barbarischen Aktes“, nüchtern die Situation zu analysieren und eine Entscheidung zu finden, die allen möglichen Interessen innerhalb und außerhalb des Siemens-Konzerns einigermaßen gerecht werde. Siemens beschäftige immerhin 2000 Personen in Saudi-Arabien, die ebenso wenig mit dem Verbrechen zu tun hätten wie die 33 Millionen Saudis. Schließlich, so Kaeser, gehe es bei der Investitionsinitiative der Saudis um eine Volumen von rund 30 Milliarden Dollar bis 2030.

In ein paar Monaten business as usual

An eine lang anhaltende Isolierung des Königreichs glaubt Steven Cook vom Council on Foreign Relation indes nicht. „Geben sie der Sache sechs, neun, zwölf Monate und das Business wird wiederkommen“, sagte Cook dem „Handelsblatt“. „Ich vermute, es werden Vertreter mit niedrigerem Profil kommen, aber die Leute wollen in Saudi-Arabien Geschäfte machen.“

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