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Berlins Erzbischof Heiner Koch polarisiert mit seiner Radio-Kritik anlässlich der Grünen Woche.

© Thilo Rückeis

Scharfe Kritik an Tierhaltung: Bauern fühlen sich von Berliner Bischof verunglimpft

Berlins katholischer Erzbischof Heiner Koch kritisiert in ungewohnt deutlichen Worten Landwirte für ihre Methoden – und provoziert damit einen kleinen Bauernaufstand.

Von Maris Hubschmid

Dass man ihn, den Erzbischof, mit Donald Trump vergleichen würde, hatte Heiner Koch wohl nicht erwartet, als er sein Wort zum Samstag ins Mikrofon las und wie gewohnt mit den Worten schloss: „Ich wünsche Ihnen ein erholsames und segensreiches Wochenende.“

Seine Äußerungen erinnerten „an die ,alternativen Fakten‘, von denen in diesen Tagen viel die Rede ist“, steht im offenen Brief des Deutschen Bauernverbands an Berlins höchsten katholischen Kirchenvertreter. Dieser ermahnt den Bischof: Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen!

"Unsägliches Leid an der Kreatur"

Worum, um Himmels Willen, geht es hier? Der Erzbischof „wollte darauf hinweisen, dass ein verantwortliches Management bei der Tierhaltung genauso notwendig ist wie ein verantwortliches Verhalten bei den Verbrauchern“, erklärt das Erzbistum. „Wir müssen unsere Lebensmittel, insbesondere Fleisch, und die, die es für uns herstellen, wieder mehr wertschätzen.“ Also hat Koch, der sich alle 14 Tage im rbb über das Radio an die Menschen wendet, die Grüne Woche zum Anlass genommen, die Haltungsbedingungen in Deutschland zu thematisieren. Er hat aber weniger diplomatische Worte dafür gewählt als seine Mitarbeiter. Von „katastrophalen Zuständen“ und „ Tierfabriken“ sprach er, Rinderzüchtern, die ihren Tieren „brutal Gewalt antun“, viel zu großen Mastbetrieben, die einzig und allein auf Profit setzen, „täglich aufs Neue unsägliches Leid an der Kreatur verursachen.“ Wer Tiere als Ware missbrauche, stellte Koch fest, schrecke auch vor weiterer Rücksichtslosigkeit nicht zurück. „Grundwasser wird verseucht und Billiglöhne sorgen für ein modernes Sklaventum.“ Der vollständige Kommentar ist hier nachzulesen.

Die Bauern werfen ihm gesellschaftliche Ausgrenzung vor

Eine „Brandrede“ nennt der Generalsekretär des Deutschen Bauernverbands, Bernhard Krüsken, diese Einlassung. „Ihr Radiowort ist von mehrfach widerlegten Vorwürfen, in der gewählten pauschalen Form unrichtigen Behauptungen und von Verurteilungen der Landwirtschaft und der Bauernfamilien geprägt“, beklagt er. Koch zeichne ein Bild, das mit der realen Welt nichts gemein habe. „Nach unserer Wahrnehmung kommen solche Pauschalurteile einer beruflichen, gesellschaftlichen und moralischen Ausgrenzung gleich – vor der uns viele christliche Grundsätze und Gebote eigentlich schützen sollten.“

Der Bauernverband Schleswig-Holstein schreibt dem Kirchenmann: „Lieber Erzbischof, wir kennen Ihr Gehalt nicht. Ein ,normaler‘ Bischof verdient bis zu 12 000 Euro.“ Dafür müsste man, weil bestenfalls zehn Euro pro Tier zu verdienen seien, im Jahr 14 400 Schweine mästen – Stallinvestitionen noch nicht mitgerechnet. „Wenn es den Tieren so ginge, wie Sie behaupten, würden Sie gar nichts verdienen. Denn kranke Tiere nimmt Ihnen niemand ab.“

Landwirte verweisen auf die Politik

Als die falschen Adressaten sehen sich auch die Landwirte vom „Landvolk Göttingen“: „Wo werden Tiere unter unsäglichen Bedingungen geschlachtet? Ist das Einhalten der gesetzlichen Regelungen ausreichend? Haben Sie diese angezeigt? Gilt der Mindestlohn in der Landwirtschaft nicht? Haben Sie auch diese Ausbeuterei angezeigt?“

Überdies melden sich hunderte Bauern aus ganz Deutschland privat zu Wort. „Uns ist es lieber, Sie reden mit uns und berichten dann im Radio, als einfach nur oberflächlich mit negativem Halbwissen über uns“, fordern etwa Marianne und Klaus Albersmeier aus Lippetal in Nordrhein-Westfalen, die auf 120 Hektar 5000 Schweine mästen. Sie laden den Bischof ein, ihren Betrieb zu besichtigen: „Sieben Tage die Woche kümmern wir uns zusammen mit vier Mitarbeitern um das Wohl unserer Tiere. Es ist unglaublich, da von unsäglichem Leid an der Kreatur zu sprechen.“ Ein erst 24-Jähriger, bei Facebook als Max Mä unterwegs, berichtet: „Die Unterstellung, dass Landwirte ihre Tiere wie Fließbandprodukte behandeln, spricht gegen alles, was mir in meiner Ausbildung vermittelt wurde.“ Natürlich gebe es „schwarze Schafe“. Derartige Hetze sei aber nicht der richtige Weg, Veränderungen zu bewirken.

Beifall für den Bischof

Diese zählen noch zu den freundlicheren Reaktionen, die derzeit beim Sitz des Ordinariats am Hausvogteiplatz eingehen. „Was mich bestürzt, ist die Heftigkeit und Wortwahl mancher Reaktionen, die teilweise wirklich unter der Gürtellinie liegen“, sagte Erzbischof Koch dem Tagesspiegel. „Meine Worte richteten sich an diejenigen, die dem Maßstab eines verantwortungsvollen Tierhaltungsmanagements gerade nicht gerecht werden (...) Sie sollten nicht die große Mehrheit der Bauern treffen, die ihrem Beruf mit hohem persönlichen Einsatz und großer Verantwortung vor Gott, der Schöpfung und den Menschen nachgehen. Dass sich die verantwortungsbewussten Landwirte durch meine Worte verunglimpft fühlen, bedaure ich sehr.“ Das Fachportal Topagrar.de berichtet von Protestaustritten aus der Kirche.

Doch auch viel Zustimmung gibt es – nicht nur von Seiten ausgewiesener Tierschützer. „Vielen Dank, Herr Erzbischof, für die mutigen Worte“, schreiben ihm Nutzer bei Facebook, drücken ihre „Hochachtung“ aus.

Mit der Kirche im Dialog

Bemerkenswert ist, dass viele der empörten Bauern ihre Nähe zur Kirche betonen. Sie beschreiben sich als „persönlich enttäuscht“, „verletzt“. Der 24-jährige Max Mä schließt seinen Brief mit den Worten: „Bitte fassen Sie dies nicht als Kritik am christlichen Glauben auf, sondern als Anstoß, moralisch Stütze zu sein für all diejenigen, die nicht mehr wissen, wie es mit ihren Betrieben weitergehen soll.“

Erzbischof Koch werde sich an jeden persönlich wenden, der ihm geschrieben habe, teilte sein Ordinariat auf Nachfrage mit. Auch eine der zahlreichen Einladungen will er annehmen. „Ich halte es für wichtig, diesen Dialog weiterzuführen und so gemeinsam zu Verbesserungen in den Rahmenbedingungen zu kommen“, sagte er dem Tagesspiegel. „Dabei ist mir klar, dass viele Landwirte wirtschaftlich sehr unter Druck stehen. Viele haben meine Kritik so aufgefasst, dass ich diesen Druck noch weiter erhöhe. Das war nicht meine Absicht.“

Die viel zu großen Mastbetriebe seien einzig auf Profit aus, kritisiert der Erzbischof: "Sie behandeln die Kreatur wie ein technisches Fließbandprodukt und schlachten die Tiere unter unsäglichen Bedingungen."
Die viel zu großen Mastbetriebe seien einzig auf Profit aus, kritisiert der Erzbischof: "Sie behandeln die Kreatur wie ein technisches Fließbandprodukt und schlachten die Tiere unter unsäglichen Bedingungen."

© dpa

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