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Wirtschaft: Schattenwirtschaft wächst rasant

Jeder sechste Euro wird in Deutschland mit Schwarzarbeit verdient – dem Staat entgehen Milliardensummen

Berlin (brö). Trotz Konjunkturflaute und Massenarbeitslosigkeit wird in Deutschland so viel gearbeitet wie nie – aber nur im illegalen Sektor, also in der Schattenwirtschaft. Das prognostiziert der Linzer Ökonom Friedrich Schneider in einer Studie für das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung (IAW) in Tübingen. Während Konjunkturexperten für dieses Jahr nur ein mageres Wirtschaftswachstum von etwa einem Prozent erwarten, wird bei der Schattenwirtschaft mit einem Zuwachs von 5,6 Prozent auf eine Leistung von 370 Milliarden Euro gerechnet. Mit einem Anteil von knapp 17,1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werde die Schattenwirtschaft ein Rekordhoch erreichen, glaubt der Wirtschaftsforscher. Im Vorjahr lag der Anteil noch bei 16,6 Prozent.

Als wesentlichen Grund für den Zuwachs nannten die Experten die gestiegenen Steuern und Sozialabgaben. Sie verteuerten den Faktor Arbeit weiter. Positiv wurde die Neuregelung der Minijobs gewertet. Diese habe dazu beigetragen, das Wachstum des schwarz erwirtschafteten Geldes von ursprünglich erwarteten 380 Milliarden Euro auf 370 Milliarden Euro zu begrenzen.

Gutes Vorbild USA

Bedenklich sei allerdings, dass es Deutschland im Gegensatz zur Mehrheit der OECDLänder nicht gelungen sei, das Ausmaß der Schattenwirtschaft einzudämmen, hieß es weiter. Im Durchschnitt der OECD-Länder sei der Anteil der illegalen Arbeit an der Wirtschaftsleistung seit 1997/98 um 0,3 Prozentpunkte gesunken, in Deutschland dagegen um 1,9 Punkte gestiegen. Allerdings liegt Deutschland bei der Verbreitung der Schwarzarbeit noch immer im Mittelfeld.

Führend sind südeuropäische Länder wie Griechenland, Italien, Spanien und Portugal, in denen mehr als ein Viertel der neuen Güter und Dienstleistungen am Staat vorbei erwirtschaftet werden. Am geringsten ist die Schwarzarbeit in den Vereinigten Staaten verbreitet, wo sie rund neun Prozent des Bruttoinlandsproduktes ausmacht. Auch Österreich mit einem Anteil von knapp elf Prozent steht vergleichsweise gut da.

Der größte Teil des schwarz erwirtschafteten Geldes in Deutschland stammt den Angaben zufolge mit gut 146 Milliarden Euro aus dem Baugewerbe und dem Handwerk. Je rund 63 Milliarden Euro tragen andere Gewerbe- und Industriebetriebe sowie das Hotel- und Gaststättengewerbe bei. Sonstige Dienstleistungen, zum Beispiel Schüler-Nachhilfe, Friseurdienstleistungen oder Babysitten, machen 56 Milliarden Euro an der illegalen Wirtschaft aus. Zwar fließt dieses Geld wieder in den legalen Sektor zurück. Es überwiegt jedoch der Schaden für die Allgemeinheit, hat Schneider herausgefunden. Der Grund: Das vorhandene Kapital werde nicht optimal für Investitionen genutzt.

Schneider sieht in der Bekämpfung der Schhwarzarbeit eine Aufgabe der gesamten Gesellschaft. Notwendig sei ein Bewusstseinswandel, denn die Schwarzarbeit sei kein Kavaliersdelikt. Dieser Auffassung seien aber mittlerweile rund zwei Drittel der Bundesbürger. Eine Mitschuld treffe aber auch den Staat. Der müsse dafür sorgen, dass Steuern und staatliche Leistungen wieder in einem angemessenen Verhältnis zueinander stünden. Von schärferen Strafen und Gesetzen riet Schneider indes ab – diei Schwarzarbeit sei zu sehr ein „Massenphänomen“.

Nach Einschätzung von IAW-Geschäftsführer Harald Strotmann kann nur mit einer konsequenten Senkung der Abgaben das Wachstum der Schattenwirtschaft eingedämmt oder zum Stagnieren gebracht werden. Zu Anfang des Jahres waren allerdings die Sozialbeiträge für die Renten- und die Gesundheitsversicherung gestiegen, Fachleute erwarten in den kommenden Monaten eine weitere Zunahme. Strotmann schlug vor, Dienstleistungen, die heute noch illegal erbracht würden, zu legalisieren. Dazu sei die geplante Einführung der so genannten Minijobs ab dem 1. April im Rahmen der Hartz-Reformen ein sinnvoller Beitrag.

Mehr zum Thema im Internet:

www.uni-tuebingen.de/iaw/

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