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Wirtschaft: Schering bricht vor der Übernahme alle Rekorde

Umsatz und Gewinn des Berliner Pharmakonzerns steigen im ersten Quartal zweistellig – Aktionäre unterstützen Kauf durch Bayer

Berlin - Kurz vor der geplanten Übernahme durch den Bayer-Konzern hat Schering Umsatz und Gewinn noch einmal kräftig gesteigert und seinen Aktionären die Annahme des Bayer-Angebots empfohlen. Hubertus Erlen, der Vorstandsvorsitzende des Berliner Pharmaunternehmens, bedauerte zwar das Ende der Selbstständigkeit, zeigte sich aber zuversichtlich, dass Schering auch zusammen mit Bayer erfolgreich sein kann. „Schering und das Pharmageschäft von Bayer ergänzen sich mit Blick auf die strategische Ausrichtung auf Spezialmärkte sehr sinnvoll“, sagte er am Mittwoch auf der Hauptversammlung in Berlin. Welche Rolle er in einem fusionierten Unternehmen spielen könnte, sagte er nicht. Aktionärsschützer begrüßten die Übernahme mit Blick auf den hohen Preis der Aktie. Vertreter des Betriebsrats sorgen sich dagegen um den angekündigten Abbau von 6000 Arbeitsplätzen – und lehnten den Bayer-Plan ab.

Nach mehr als 150 Jahren nähert sich das Ende von Schering als selbstständigem Pharmaunternehmen. Der Leverkusener Konkurrent Bayer, der Mitte März ein Übernahmeangebot für Schering vorgelegt hatte, will schon bis Ende Mai 75 Prozent der Schering-Aktien kaufen. Der Konzern bietet 86 Euro je Aktie, und damit insgesamt 16,5 Milliarden Euro. Am Mittwoch empfahlen Schering-Vorstand und -Aufsichtsrat der Hauptversammlung, die Offerte anzunehmen. Zuvor hatten die Gremien ein Angebot des Darmstädter Merck-Konzerns zurückgewiesen.

Aktionärsschützer befürworten die Abwehr der Merck-Attacke und unterstützten ein Zusammengehen mit Bayer. „Als Anleger kann man sich mehr als freuen“, sagte Kai Weigert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) angesichts des Übernahmepokers der vergangene Wochen. „So schnell hätte man den Wert der Aktie sonst nicht steigern können.“ Das Schering-Papier hat seit Bekanntwerden der ersten Übernahmespekulationen um 39 Prozent zugelegt. Am Dienstagabend notierte die Aktie mit 86,29 Euro leicht über dem Preis, den Bayer den Aktionären bietet.

„Eigentlich können sich alle freuen“, ergänzte SdK-Vertreter Weigert. Der unterlegene Rivale Merck, der rund fünf Prozent der Schering-Aktien hält, werde bei einem Verkauf an Bayer „zwischen 200 und 300 Millionen Euro“ verdienen. Auch Bayer-Chef Werner Wenning habe mit der Übernahme „mal wieder eine Story vorzuweisen“. Und Schering sei zwar mit seinem Geschäftsmodell gescheitert, ein unabhängiger Nischenanbieter zu bleiben, habe aber immerhin die Zusage, dass das Pharma-Geschäft auch künftig in Berlin bleibt. Der Bayer-Konzern will seine Pharmasparte mit der Schering AG verschmelzen und als „Bayer-Schering-Pharma“ von Berlin aus führen.

Auch Malte Diesselhorst von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz sagte, eine freundliche Übernahme durch Bayer sei besser als eine feindliche durch Merck. Angesichts des Rekordergebnisses in 2005 stünde den Aktionäre aber eigentlich eine höhere Dividende zu als die von der Hauptversammlung genehmigten 1,20 Euro je Aktie. Der Konzerngewinn war um 23 Prozent auf 619 Millionen Euro gestiegen.

Auch der Start ins neue Jahr war erfolgreich. Schering hat den Umsatz im ersten Quartal nach vorläufigen Zahlen um 16 Prozent auf 1,4 Milliarden Euro gesteigert, der operative Gewinn legte im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um vier Prozent auf 240 Millionen Euro zu. Sondereffekte wie Unternehmensverkäufe waren dabei berücksichtigt. Der Konzerngewinn legte um 21 Prozent auf 174 Millionen Euro zu. Getrieben wurde das Wachstum durch das Multiple-Sklerose-Medikament Betaferon und die Antibaby-Pille Yasmin. Die endgültigen Quartalszahlen will Schering am 26. April vorlegen. Wegen der geplanten Übernahme sollen die Schering-Vorständen für 2006 die sonst üblichen Aktienoptionsrechte nicht erhalten.

Heftige Kritik kam am Mittwoch von der Belegschaft. Bei den Mitarbeitern herrsche „große Unsicherheit“, sagte eine Betriebsrätin. Es sehe ganz danach aus, als werde Schering – derzeit Weltmarktführer bei Hormonprodukten – durch die Übernahme ins dritte Glied zurückgestellt. „Geld ist eine tolle Sache – aber Arbeitsplätze im Unternehmen sind mir viel lieber“, sagte ein anderer Betriebsrat.

Maren Peters

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