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Wirtschaft: Schering provoziert seine Aktionäre

Aktienrechtler: Pläne für Aufsichtsratsbezüge sind rechtswidrig – Kopplung an Aktienkurs verleitet zu Manipulation

Be rlin (pet). Aktienrechtler und Aktionärsschützer rügen den Plan des Berliner Pharmakonzerns Schering, die Bezüge der Aufsichtsratsmitglieder künftig teilweise an die Entwicklung des Aktienkurses zu koppeln. „Die Gefahr ist groß, dass der Aufsichtsrat zu sehr auf den Kurs schaut“, sagte Christian Strenger, früher Chef der größten deutschen Fondsgesellschaft DWS und Mitglied in der CorporateGovernance-Kommission der Bundesregierung, dem Tagesspiegel. „Das könnte die Neigung stärken, die Zahlen des Vorstands, die der Aufsichtsrat eigentlich kontrollieren soll, besonders schön zu finden“, sagte Strenger einen Tag vor der Hauptversammlung des Unternehmens.

Schering will die Vergütung seiner Aufsichtsräte zum Teil von der Entwicklung des Aktienkurses abhängig machen. Das sieht Tagesordnungspunkt acht der Hauptversammlung im Berliner ICC vor, über den die Aktionäre heute abstimmen müssen. Danach soll sich die Vergütung eines Aufsichtsratsmitglieds künftig aus einem festen und mehreren variablen Bestandteilen zusammensetzen. Letztere orientieren sich sowohl am kurzfristigen Erfolg des Unternehmens als auch an der Wertsteigerung der Aktie innerhalb von drei Jahren. Bislang ist die Vergütung nur an die Dividende geknüpft.

Der Bonner Wirtschaftsrechtler Marcus Lutter hält die geplante Neufassung für unvereinbar mit der jüngsten Rechtssprechung des Bundesgerichtshofes (BGH). „Der BGH hat entschieden, dass kursabhängige Vergütungen für Aufsichtsratsmitglieder nicht zulässig sind“, sagte Lutter. Auch die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) hält die geplante Neuregelung für rechtswidrig und will auf der heutigen Hauptversammlung gegen den Antrag stimmen. Die DSW wertet die kursabhängigen Vergütungsbestandteile für Aufsichtsräte auch als unvereinbar mit dem Corporate Governance Kodex (siehe Lexikon auf Seite 18), der Verhaltensregeln für Unternehmen festlegt. Zu diesem Kodex hatte Schering sich ausdrücklich bekannt.

Aktionärsvertreter befürchten, dass der Aufsichtsrat durch eine teilweise Koppelung seiner Vergütung an den Aktienkurs in der Kontrolle des Vorstandes gehindert sein könnte. „Die Gefahr der Manipulation des Aktienkurses durch den Vorstand ist sehr groß“, sagte der Frankfurter Aktienrechtler Theodor Baums, einer der Väter des deutschen Corporate-Governance-Kodex, und verwies auf Finanzskandale bei Enron, Worldcom und Comroad. Darum sei er gegen eine Kopplung ohne Benchmark, also ohne andere Vergleichsmaßstäbe.

Corporate-Governance-Experte Strenger hält eine teilweise mit dem Aktienkurs verbundene Vergütung nur dann für zulässig, wenn die Vergütung an den langfristigen Erfolg der Aktie geknüpft ist. „Das sollten mindestens drei bis vier Jahre sein.“ Schering dagegen hält drei Jahre für ausreichend.

Strenger kritisierte auch den Zeitpunkt der Neufassung. „Nach einem Jahr, in dem es nicht so gut gelaufen ist, sollte die Vergütung besonders sensibel gehandhabt werden“, sagte er. „Mehr Gefühl für die Realität wäre bei einem Unternehmen, das vergütungsmäßig bereits an der Spitze deutscher Konzerne steht, angebracht.“ Schering hatte 2003 ein schwächeres Betriebsergebnis als im Vorjahr vorgelegt. Auch die Aktie hat in den vergangenen Monaten deutlich an Wert verloren. Im Frühjahr 2002 notierte das Papier bei knapp 70 Euro, am Donnerstag lag der Kurs bei 40,50 Euro.

Wirtschaftsrechtler Lutter bezeichnete auch die Höhe der Aufsichtsratsvergütung bei Schering als „unangemessen hoch“. Nach Angaben der DSW hat ein einfacher Schering-Kontrolleur im vergangenen Jahr 195 430 Euro verdient – ein Spitzenwert unter den Dax-30-Unternehmen, wo die durchschnittliche Aufsichtsratsvergütung bei 65 980 Euro liegt.

Schering verteidigte seine Pläne. „Die vorgeschlagene Regelung trägt dem Corporate-Governance-Kodex Rechnung“, sagte ein Sprecher. Auch die Höhe der Bezüge hält das Unternehmen für gerechtfertigt. „Von den Aufsichtsratsmitgliedern wird eine besondere Expertise erwartet – dem tragen wir mit der Bezahlung Rechnung“, sagte der Sprecher. Die Bezüge des Aufsichtsrates seien von 2002 auf 2003 insgesamt sogar um rund zehn Prozent gesenkt worden.

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