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Wirtschaft: Schering setzt auf „Angeliq“

Pharmakonzern rechnet mit gutem Geschäft – auch wenn einige Hormonpräparate umstritten sind

Berlin - Eine der großen Hoffnungen des Berliner Pharmakonzerns Schering heißt Angeliq. Angeliq ist ein Medikament, das Frauen in den Wechseljahren helfen soll. Schering hat in der vergangenen Woche angekündigt, das Hormonersatzpräparat europaweit auf den Markt zu bringen. Bisher ist die Tablette, mit der Klimakteriums-Beschwerden wie Schweißausbrüche und Hitzewallungen behandelt werden, nur in Holland, Belgien und Südafrika eingeführt.

Für Schering hat das Medikament eine strategische Bedeutung: Denn Angeliq steht für einen wichtigen, aber schwierigen Markt. Wichtig ist er, weil die Nachfrage nach einem solchen Produkt schnell wächst. Schwierig ist er, weil nach einer groß angelegten US-Studie die Zweifel gewachsen sind, ob Hormonpräparate die richtige Kur gegen die damit behandelten Beschwerden sind. Die Studie wurde vor zwei Jahren vorzeitig abgebrochen, weil bei den beteiligten Frauen die Wahrscheinlichkeit, einen Schlaganfall, Brustkrebs oder Thrombosen zu bekommen, gestiegen war.

Nach Angaben des Berufsverbandes der Frauenärzte ist die Zahl der Verordnungen in Deutschland in den vergangenen beiden Jahren um ein Drittel zurückgegangen. „Frauen, die Zweifel hatten, sind ausgestiegen“, sagte Verbandschef Manfred Steiner. Seit Beginn der Debatte war der Weltmarkt für Hormonpräparate von 4,4 (2001) auf 2,7 Milliarden Euro eingebrochen, hat das Marktforschungsinstitut IMS ermittelt.

Bis heute ist Angeliq in den USA nicht zugelassen. Die US-Gesundheitsbehörde FDA hatte den ersten Antrag vor zwei Jahren wegen möglicher Nebenwirkungen abgelehnt, ein zweiter läuft gerade.

Ob die Rechnung von Schering aufgeht, mit Angeliq den Markt wieder in Schwung zu bringen, wird von Experten und Branchenanalysten bezweifelt: Die Schering-Aktie entwickelte sich in der vergangenen Woche nicht anders als die anderen Börsenwerte der großen deutschen Unternehmen auch. „Für den Erfolg von Schering wird die Hormonersatztherapie in Zukunft nicht mehr die große Rolle spielen wie früher“, sagt Alexander Groschke, Pharmaanalyst der Landesbank Rheinland-Pfalz. Auch Verbandschef Steiner geht davon aus, dass die Zahl der Verordnungen weiter zurückgehen wird, weil die Frauen vorsichtig geworden sind.

Dagegen erwartet Schering-Chef Hubertus Erlen für das gesamte Geschäftsfeld „Menopause Management“ in den nächsten Jahren zweistellige Zuwachsraten. Bisher macht Schering sechs Prozent seines Umsatzes von insgesamt 4,8 Milliarden Euro mit Hormonersatzpräparaten für Frauen im mittleren Alter.

Von Angeliq erhofft Erlen mittelfristig einen Umsatz von 250 Millionen Euro pro Jahr. Denn die Pille steht für eine neue Generation dieser Medikamente, die wesentlich niedriger dosiert sind – und deshalb weniger Nebenwirkungen haben sollen. Das werde die Akzeptanz wiederherstellen, hofft das Unternehmen. Forschungsvorstand Günter Stock sagt, der Nutzen der neuen Pille sei deutlich höher als das Risiko. „Wir haben deutlich weniger Nebenwirkungen als mit Aspirin.“ Um das zu beweisen, hat Schering eine groß angelegte Studie mit 30 000 Frauen in Auftrag gegeben, die noch nicht abgeschlossen ist.

Doch die Experten bleiben skeptisch, was die Umsatzerwartung angeht. Pharmaanalyst Groschke etwa bezeichnet die Angeliq-Prognose als „ausgesprochen ambitioniert“. Das Ziel, einschließlich der ebenfalls von Schering hergestellten niedrig dosierten Hormonpflaster Climara und Menostar mittelfristig 450 Millionen Euro umzusetzen, hält er für „völlig unrealistisch“. Karl-Heinz Scheunemann vom Bankhaus Metzler sagt, das Ziel sei nur zu erreichen, wenn Angeliq bis Jahresende in den USA zugelassen werde. Davon geht Schering aus.

Umstritten bleibt aber auch dort, wo Angeliq bereits zugelassen ist, wem die Pille verschrieben werden soll. Bundesgesundheitsministerium, Krankenkassen, und Gynäkologenverbände warnen allgemein vor den Hormonprodukten, ohne für die neue Medikamenten-Generation eine Ausnahme zu machen. Seit dem 1. Juli muss auch deutlicher auf dem Beipackzettel auf die Risiken hingewiesen werden.

Bruno Müller-Oerlinghausen, Vorsitzender der Arzneimittelzulassung in der Deutschen Ärzteschaft, rechnet deshalb damit, dass Ärzte die Produkte künftig mit größerer Zurückhaltung verordnen werden. Von dieser Zurückhaltung könnte Schering langfristig sogar profitieren. Konkurrenzunternehmen wie Wyeth haben bereits angekündigt, ihr Engagement bei der Hormonersatztherapie zurückzufahren – weil sich das Geschäft nicht mehr lohnt. Für Schering ist das eine Chance, seinen Marktanteil auszubauen.

Maren Peters

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