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Wirtschaft: Schiedsrichter für unterwegs

Immer wieder streiten Kunden mit Bahn oder Fluggesellschaften – Vermittler versuchen zu schlichten

Berlin - 3700 Euro für einen Flug mit der Lufthansa über den Atlantik sind eine Menge Geld. Vor allem, wenn man bereits ein Ticket für die entsprechende Strecke besitzt – die Lufthansa es aber nicht für gültig hält und den Passagier nur an Bord lassen will, wenn er einen neuen Flugschein kauft. So geschehen bei einem Passagier, der von Rom über Frankfurt am Main nach Houston (USA) fliegen wollte. Aus familiären Gründen nutzte er die Verbindung zwischen Rom und Frankfurt am Main nicht – und durfte deswegen auch nicht den restlichen Teil des Fluges in die USA antreten.

Reisende, die sich über einen solchen Service ärgern, können sich an die Schlichtungsstelle Mobilität wenden, die von diesem Fall berichtet. Sie vermittelt, wenn das Verkehrsunternehmen auf stur schaltet, der Kunde aber nicht sofort vor den Kadi ziehen mag. Seit 2004 gibt es das Büro, ein Pilotprojekt, das das Bundesverbraucherschutzministerium mit 1,4 Millionen Euro für drei Jahre finanziert. 4300 Anfragen und Beschwerden hatten die Vermittler in dieser Zeit auf dem Tisch. „Die außergerichtliche Schlichtung nützt nicht nur den Fahrgästen und den Unternehmen. Auch die Justiz wird auf diese Weise entlastet“, sagte am Donnerstag in Berlin Heidi Tischmann, Vize-Geschäftsführerin des Verkehrsclubs Deutschland (VCD), bei dem die Schlichtungsstelle angesiedelt ist.

Während Reisen mit Bus oder Schiff keine Rolle spielen, beschweren sich 55 Prozent der Kunden über die Fluggesellschaften. 35 Prozent sind mit den Bahn-Zügen im Fernverkehr unzufrieden. Für den Nahverkehr oder Pauschal- reisen ist die Stelle nicht zuständig.

Bei Flugreisen sind meist Annullierungen, Verspätungen und Schwierigkeiten mit dem Gepäck die Streitpunkte, bei der Bahn geht es um Verspätungen, Probleme mit der Bahncard oder Fahrpreisnachzahlungen. So wandte sich ein Mann an die Schlichter, der im Internet einen Fahrschein mit Bahncard, aber ohne Zugbindung kaufte. Allerdings trat er die Fahrt einen Tag früher an als eigentlich geplant und auf dem Ticket ausgewiesen – zuvor hatte er sich aber in einem Bahn-Reisezentrum schriftlich versichern lassen, dass sein Fahrschein dennoch gilt. Der Schaffner im Zug sah das anders und kassierte eine Nachzahlung von 109,70 Euro. Erst nach einigen Beschwerdebriefen, Verhandlungen und schließlich Vermittlung der Schlichtungsstelle lenkte die Bahn ein – und schickte dem Kunden einen Reisegutschein von 20 Euro als Entschädigung für die Bemühungen.

Ob die sechs Vermittler aber auch nach dem Jahr 2007 noch tätig sein werden, ist unklar. Eigentlich sollten nach einer Startphase die Verkehrsunternehmen für die Kosten aufkommen – bei vergleichbaren Stellen etwa in der Versicherungswirtschaft funktioniert das. Die Firmen denken jedoch nicht daran. „Deshalb sollte man die Schlichtungsstelle gesetzlich verankern, wie es auch in anderen Ländern üblich ist“, verlangte Tischmann.

Einige Fluggesellschaften wollen mit dem Büro gar nicht erst reden. Zu ihnen gehören Air Berlin, Easyjet, Germanwings, Ryanair – und der deutsche Marktführer Lufthansa. „Sie haben offenbar noch nicht die Chance erkannt, auf diesem Wege Kunden zurückzugewinnen und ihr Image zu verbessern“, monierte Tischmann. Für den Mann, der von Rom über Frankfurt nach Houston fliegen wollte, und den die Gesellschaft nicht mitnehmen wollte, war das Pech: Die Schlichtungsstelle konnte in seinem Fall erst gar nicht aktiv werden.

www.schlichtungsstelle-mobilitaet.org

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