zum Hauptinhalt
Kleine Pellets, große Sorgen. German Pellets hat Insolvenz angemeldet. Jetzt fürchten die Anleger um ihr Geld.

© Jens Büttner / dpa

Schieflage bei German Pellets: Wie riskant sind Mittelstandsanleihen?

Experten raten Kleinanlegern von Mittelstandsanleihen ab. Die Insolvenz von German Pellets verdeutlicht, warum. Allerdings gibt es Hochprozenter, die ordentliche Rendite bringen.

Es geht um 224 Millionen Euro. 10.000 bis 12.000 Anleger müssen nun um diese Summe bangen, seit German Pellets vergangene Woche Insolvenz beantragt hat. Sie hatten in drei mit 7,25 Prozent hoch verzinste Anleihen investiert, die der Hersteller von Holz-Heizpellets aus Wismar gegeben hatte. Im April wäre die erste davon zur Tilgung fällig gewesen. Was der Insolvenzantrag für die Ableger bedeuten könnte, zeigt der Kurs der Anleihe ziemlich klar: Im Januar lag er noch bei mehr als 90 Euro, mittlerweile ist er auf 2,36 Euro abgesackt. Ob und wie viel Geld das Insolvenzverfahren für die Anleger sichern oder ob der Betrieb vielleicht sogar gerettet werden kann, ist unklar.

Ruf der Anleihen ist ruiniert

Ähnliche Erfahrungen wie bei German Pellets mussten inzwischen schon viele Anleger machen, die in das 2010 begründete Segment der Mittelstandsanleihen investiert hatten. Von 7,8 Milliarden Euro, die Anleger seither in 208 verschiedene Anleihen investiert haben, seien 1,4 Milliarden Euro bereits ausgefallen, berichtet Sebastian Zank, Analyst bei der Berliner Ratingagentur Scope. Das betrifft zum Beispiel Papiere von Solar Millennium, Strenesse, Mifa oder Schneekoppe.

Eigentlich sei es eine gute Idee gewesen, auch kleineren Firmen einen zweiten Finanzierungsweg neben den Banken zu öffnen und an der Börse Mittelständler und Anleger zusammenzubringen, sagt Jürgen Kurz von der deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Den Unternehmern habe dies Kreditgeber beschert, die keine Mitspracherechte hätten. Die Anleger profitierten umgekehrt von sehr hohen Zinsen zwischen fünf und mehr als zehn Prozent  – mitten im Zinstal. Die Regional-Börsen hatten sogar eigene Segmente für die Bonds aus dem Mittelstand geschaffen.

Inzwischen ist jedoch klar: „Für einige Unternehmen war der Weg zum Anleger manchmal die letzte Möglichkeit, noch an Geld zu kommen“, sagt Zank. Mit rund 40 Ausfällen – das ist eine Quote von rund 20 Prozent – trage der Anleger bisher auch ein höheres Risiko, als im Markt der Hochrisiko-Anleihen üblich ist. Dort fielen nur rund fünf Prozent aus. Zank befürchtet auch, „dass die Zahl der Einschläge hoch bleiben wird“. Weitere Pleiten seien vorprogrammiert, wenn 2017 die erste größere Rückzahlungswelle für die Anleihen anstehe. 36 Firmen müssen dann insgesamt 1,4 Milliarden Euro zurückzahlen. 2018 folgen weitere 2,1 Milliarden Euro. Die meisten Firmen versuchen, anstehende Tilgungen über neue Anleihen zu finanzieren. Was üblich ist und von Staaten wie Unternehmen fast immer so gehandhabt wird, könnte in einem ohnehin angeschlagenen Markt schwierig werden, sagt DSW-Sprecher Kurz. Inzwischen haben auch die Börsen ihre Spezialsegmente und ihr Marketing für Mittelstandsanleihen eingestellt, und viele Mittelständler möchten nicht mehr mit dem angeschlagenen Ruf der Mittelstandsanleihen in Verbindung gebracht werden.

Womit Anleger verdienen

Allerdings gibt es durchaus Hochprozenter, die den Anlegern bisher ordentliche Renditen gebracht haben. Dazu zählen zum Beispiel die Anleihen von Ferratum, einer finnischen Spezialbank für mobile Mikrokredite: Sie platzierte 2013 eine achtprozentige Anleihe mit fünf Jahren Laufzeit und einem Volumen von 25 Millionen Euro, um damit ihr Deutschlandgeschäft aufzubauen. Aktuell notiert der Kurs der Papiere bei 102 Euro. Creditreform, neben Euler und Scope der wichtigste Rater für kleinere Anleihen, hat die Note BBB vergeben – was noch als „Investment grade“ gilt, also auch für Kleinanleger geeignet ist, wenn auch nur für sehr risikoorientierte. Die Anleger haben bisher zwei Zinskupons à acht Prozent erhalten, der Kurs ist leicht im Plus.

Im grünen Bereich hält sich auch eine Anleihe von Schalke 04. Im Jahr 2012 hatte sich der Fußballverein 50 Millionen Euro von Investoren geliehen und zahlt ihnen jedes Jahr im Juli einen Kupon von 6,75 Prozent aus. Zu den Zinsen kommt ein etwa sechsprozentiges Kursplus. Überhaupt ziehen bekannte Namen oft: Auch Anleihen der Brauerei Karlsberg, des Verlags Bastei Lübbe, des Getränkeherstellers Valensina oder dessen Mutterkonzerns Underberg notieren bei hohen Zinskupons rund um ihre Ausgabekurse.

Die finanziell schwer angeschlagene Fluggesellschaft Air Berlin hatte im vergangenen Herbst auch dank der Hilfe von Großaktionär Etihad 200 Millionen Euro beschaffen und damit eine Anleihe tilgen können. Derzeit laufen noch zwei Anleihen. Die eine mit einem Volumen von 225 Millionen Euro zahlt Anlegern pro Jahr 8,25 Prozent. Sie ist im April 2018 fällig und notiert aktuell bei 95,8 Prozent, also mit einem Abschlag zur Erstnotierung. Weil neue Anleger aber – im optimalen Fall – am Ende 100 Prozent zurückerhalten, ist die Rendite damit auf 10,07 Prozent gestiegen. Die zweite Anleihe über 252 Millionen lockt mit einem Kupon von 6,75 Prozent bis 2019, der sich aber wegen des gefallenen Kurses aktuell auch schon zu einer Rendite von 9,4 Prozent gemausert hat.

Ob die Käufer der Hertha-Fananleihe im November 2016 ihr Geld wiedersehen, das sie dem Fußballklub 2012 gegen einen Zins von fünf Prozent geborgt hatten, muss sich dagegen erst noch zeigen. Anfang 2014 war der US-Finanzinvestor KKR bei der hoch verschuldeten Hertha eingestiegen, hatte auch die Verbindlichkeiten übernommen – bis auf die Fananleihe, die dennoch von Hertha weiter bedient wird.

Woran man das Risiko erkennt

Generell gilt: Die Höhe des Zinskupons ist ein klarer Hinweis auf das Risiko, das mit einer Schuldverschreibung verbunden ist. Wer mehr als zehn Prozent zahlen muss, um sich Geld von Investoren leihen zu können, deutet damit an, dass er einen hohen Ausgleich für ein hohes Risiko leisten muss. Die Ratings sind dabei nicht immer ein klarer Hinweis. So hatte Creditreform die Anleihen von German Pellets noch bis in den Herbst 2015 hinein mit BB+ bewertet, dem Unternehmen also eine „befriedigende“ Bonität zugestanden. Inzwischen sind sie bei „D“, also einem Ausfall, gelandet.

Sowohl die Schutzvereinigung als auch der Rater Scope raten normalen Kleinanlegern von einem Investment in Mittelstandsanleihen grundsätzlich ab. Angesichts eines Ausfallrisikos, das bisher bei 20 Prozent lag, sei der Zins zu niedrig, glaubt Zank. Allerdings seien die hohen Ausfallquoten auch darauf zurückzuführen, dass sich ab 2010 sehr viele Projektentwickler und Nischenunternehmen aus dem Bereich erneuerbare Energien über die Börse Geld beschaffen wollten, die Branche aber ohnehin im Feuer stand. Allein 15 der rund 40 Ausfälle gehen auf das Konto der Ökofirmen.

Auch Anlegerschützer Kurz relativiert: Wer sehr vermögend sei und eben nur einen kleinen Teil seines Depots in mindestens vier bis fünf Mittelstandsanleihen mit sehr hohen Zinsen investiere, könnte notfalls einen Ausfall verkraften. Als Entscheidungshilfe rät die Börse Frankfurt: Die Auswahl einer Anleihe müsse neben der persönlichen Anlagesituation gleichzeitig auch Zinskupon und aktuelle Rendite (also etwaige Kursverluste) einbeziehen. Nicht empfehlenswert sei auch ein Kauf, wenn der Anleger das Geschäftsmodell des Unternehmens nicht genau kenne und verstehe.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false