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Gestrandet. Wer festsitzt, kann zumindest eine Entschädigung verlangen.

© AFP

Schlichtungsstelle Luftverkehr: Jetzt wird auch bei Flugärger geschlichtet

Bei Verspätung, Annullierung und Überbuchung bekommen Kunden jetzt kostenlosen Beistand.

Diese Reise wird Uwe Döhler so schnell nicht vergessen. Zwei Wochen ist es her, dass der Berliner nach einer Dienstreise von München nach Hause fliegen wollte. Doch dann zog Air Berlin die Nachmittagsmaschine, auf die Döhler gebucht war, wegen eines technischen Defekts aus dem Verkehr. Der Berliner wurde auf einen der letzten freien Plätze im Spätflieger umgebucht. Aber auch dieser Flug wurde gecancelt; warum, weiß Döhler bis heute nicht. „Ich habe vier Stunden am Flughafen gewartet und keine Informationen bekommen“, ärgert er sich noch heute. Entnervt nahm sich Döhler schließlich einen Mietwagen und fuhr nach Berlin. „Um drei Uhr war ich zu Haus“, erinnert sich der Berliner, neun Stunden später als geplant.

Dass gleich zwei Verbindungen gestrichen werden, ist Pech. Aber dass ein Flieger nicht so fliegt, wie er soll, kommt häufiger vor als man denkt. Rund 1,3 Millionen Passagiere könnten jedes Jahr Schadensersatz verlangen, weil ihr Flug gestrichen wird oder die Maschine verspätet ankommt, schätzt Marek Janetzke, Geschäftsführer des Verbraucherportals Flightright. Doch Kunden, die sich bei der Airline beschweren, blitzen meist ab – bis sie einen Anwalt einschalten. „Zu 90 Prozent bekommen die Leute ihre Ansprüche dann durch“, weiß Ronald Schmid, Rechtsanwalt und Professor für Luftverkehrsrecht in Dresden. Das sagen auch die zahlreichen Flugrechtsportale wie Flightright, EU-claims, Fairplane oder Refund, die sich auf solche Fälle spezialisiert haben. Sie reklamieren eine Erfolgsquote von 90 bis 99 Prozent für sich. Vom erstrittenen Schadensersatz zwacken sie einen Teil des Geldes als Erfolgshonorar ab.

Ab diesem Freitag können sich Reisende an eine weitere Adresse wenden. Die Schlichtungsstelle öffentlicher Personenverkehr (SÖP) mit Sitz in Berlin, die bisher vor allem für Bahnkunden da war, hilft jetzt auch Fluggästen, wenn der Flug verspätet ist, annulliert wird oder sie wegen Überbuchung trotz gültigen Tickets keinen Platz in der Maschine bekommen. Nach jahrelangem Hickhack machen nun alle großen deutschen Fluggesellschaften wie Lufthansa, Germanwings, Air Berlin, Condor, Tuifly und Germania mit. Auch der Verband der ausländischen Fluggesellschaften, Barig, hat seinen Mitgliedern empfohlen, der SÖP beizutreten. Nach Ryanair, die bereits seit März dabei sind, haben sich auch United Airlines, Singapore Airlines, South African Airways und El Al angeschlossen, weitere Beitritte werden erwartet. Aber auch Airlines, die der SÖP nicht angehören, entgehen der Schlichtung nicht. Für sie ist die amtliche Schlichtungsstelle beim Bundesamt für Justiz zuständig.

„Endlich haben Fluggäste einen unabhängigen Partner, um ihre Rechte durchsetzen zu können“, sagt Gerd Billen, Vorstand des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, über die Schlichtung im Fluggeschäft. „Die Zeit war längst reif für die Schlichtung im Luftverkehr“. Mehrere Jahre hatte es gedauert, bis Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger die Branche auf Kurs bringen konnte. Immerhin müssen die Airlines, die Mitglied bei der SÖP werden, die Kosten des Verfahrens tragen. Viele Firmen fürchteten zudem, mit Beschwerden überzogen zu werden.

Die Bedenken hat das Ministerium aufgenommen: Die Schlichtungsstelle ist nur für neue Fälle zuständig. „Altfälle“ wie der von Döhler, die sich vor dem 1. November ereignet haben, müssen die Kunden weiterhin selbst regeln oder einen Anwalt einschalten. Zudem müssen sich Reisende zunächst an die Airline wenden. Erst wenn diese abwinkt oder zwei Monate lang gar nicht reagiert, kann man die Schlichter einschalten. Mit dem offiziellen Schlichtungsstart rechnet SÖP-Geschäftsführer Heinz Klewe daher erst im Januar. Und noch ein weiteres Zugeständnis haben die Airlines durchsetzen können: Anders als etwa bei den Versicherungen ist der Schlichterspruch für die Firmen nicht bindend. Bei Streitwerten über 5000 Euro müssen ohnedies die Gerichte entscheiden. Wie viel Fälle ihn und seine 15 Mitarbeiter erwarten, weiß Klewe nicht. Eines verspricht der Manager aber dennoch: Alle Fälle sollen innerhalb von drei Monaten geschlichtet werden. Verspätungen soll es nicht geben.

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