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Urlaubsleid. Vor allem die Streitfälle von Kunden mit Airlines nahmen enorm zu.

© picture alliance/dpa

Schlichtungsstelle SÖP: Für frustrierte Reisende gibt es bald einen neuen Ansprechpartner

Flieger verpasst? Ab Dezember können sich auch die Kunden von Online-Reiseveranstaltern bei Beschwerden an die kostenlose Schlichtungsstelle SÖP wenden.

Es ist ein kleiner Fortschritt für den Verbraucherschutz. Erstmals können sich auch Pauschalreisende bei Ärger mit Anbietern an die kostenlose Schlichtungsstelle SÖP wenden und so im besten Fall hohe Anwaltskosten sparen. Allerdings bieten vom 1. Dezember 2019 an zunächst nur sechs bekannte Online-Reiseplattformen diesen verbraucherfreundlichen Service an. Ein großer Teil der Reiseveranstalter dagegen verweigert weiterhin, wie schon seit Jahren, die Teilnahme.

Die unabhängige Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr in Berlin arbeitet mit ihren Juristen bereits für rund 400 Airlines, Bahn-, Bus-, ÖPNV- und Schiffsunternehmen. Bei großen Verspätungen oder Flug- und Zugausfällen können Kunden der beteiligten Unternehmen die SÖP einschalten, um zum Beispiel außergerichtlich die gesetzlich festgelegten Entschädigungen durchzusetzen. Voraussetzung ist, dass es zuvor im Austausch mit dem Anbieter keine Einigung gab, die den verärgerten Kunden zufriedenstellt.

Der Antrag ist schnell im Internet zu finden (soep-online.de). An dem erfolgreichen Schlichtungsmodell nehmen ab Dezember auch Expedia.de, Ebookers.com, Evaneos, Holidaycheck, Journaway und weg.de teil. Basis ist eine Kooperationsvereinbarung des Verbands Internet Reisevertrieb (VIR) mit der SÖP. Die Zusammenarbeit sei ein „wichtiger Grundstein für noch mehr Kundenorientiertheit in der Digital-Touristik“, sagt VIR-Vorstand Michael Buller. Der Verband vertritt mehr als 90 Unternehmen.

Die Branche sieht keinen Bedarf für Schlichter

Die SÖP hat ihre Tätigkeit 2009 aufgenommen. Mehr als 18.000 enttäuschte Fluggäste und Bahnfahrer konnten allein voriges Jahr über eine Beschwerde bei den Schlichtern eine Zahlung erreichen, die von den Anbietern zuvor verweigert worden war. Allein 2018 gingen 32.000 Anträge ein und damit doppelt so viele wie im Jahr zuvor. Vor allem die Streitfälle von Kunden mit Airlines nahmen enorm zu und wuchsen um 140 Prozent auf rund 28 100. Die mit weitem Abstand meisten Beschwerden beziehen sich auf Verspätungen und Annullierungen von Flügen sowie Probleme bei der Gepäckbeförderung.

Die Bundesregierung begrüßt die Ausweitung der Schlichtung auf Reiseanbieter. Damit werde der gerichtliche Rechtsschutz ergänzt, sagt Gerd Billen, Staatssekretär im Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Für die Kunden sei das Verfahren kostenfrei, schnell und mit wenig Aufwand verbunden. Auch Unternehmen profitierten und könnten so Service und Kundenbeziehungen verbessern.

Große Teile der Branche sehen allerdings zum großen Teil weiterhin keinen Bedarf für einen Schlichter. Die Reklamationsquoten bei den Veranstaltern seien niedrig, die wenigen Fälle ohne Einigung würden vor Gericht entschieden, heißt es beim Deutschen Reiseverband (DRV). Die wichtigste Branchenvertretung betont, die Veranstalter lösten Probleme „am besten zeitnah und am besten vor Ort“. Marktführer TUI verweist auf sein bewährtes System der Kundenbetreuung durch Reiseleiter und Serviceabteilungen.

Neun Jahre lange Verhandlungen

In der Branche wird die Teilnahme bei der SÖP seit Jahren strittig debattiert. Das war allerdings am Anfang bei der Bahn und später den Airlines nicht anders. Bis die Schlichtungsstelle am 1. Dezember 2009 an den Start gehen konnte, vergingen sieben Jahre. Erst dann hatten sich neun Bahnunternehmen und ein Bahnverband auf die Gründung des SÖP-Trägervereins verständigt.

Die Airlines debattierten und verhandelten sogar neun Jahre, bis sie sich anschlossen. Erst im September 2013 unterzeichneten Vertreter der Luftfahrtbranche und die SÖP eine Absichtserklärung. Erst politischer Druck und ein Gesetz zur Schlichtung im Luftverkehr brachten den Verbraucherschutz voran.

Zuvor hatten viele Airlines ihren Kunden die Entschädigungen bei Verspätungen und Flugausfällen mit häufig fadenscheinigen Begründungen verweigert. Die meisten verärgerten Passagiere scheuten Klagen bei Gericht, verzichteten auf ihre gesetzlichen Ansprüche und ließen sich so jedes Jahr viel Geld entgehen. Wer Beschwerde bei der SÖP einlegt und den Fall dort prüfen lässt, kommt in vielen Fällen zum Ziel.

Bei 90 Prozent der knapp 20 300 abgeschlossenen Schlichtungen konnte 2018 der Streit außergerichtlich durch die Entscheidung beigelegt werden. Bei den Airlines lehnten nur 11 Prozent der Unternehmen den Vorschlag der SÖP ab, die Akzeptanzquote erhöhte sich von 76 auf 86 Prozent. Nur in drei Prozent der Fälle war der Flugreisende mit der Entscheidung der Schlichter unzufrieden, die Kunden können dann immer noch klagen.

Die Schlichter hoffen, dass wie ehemals bei den Airlines die Abwehrfront auch bei den Reiseveranstaltern bröckelt, wenn die ersten Unternehmen ihren Kunden den Service der kostenlosen Schlichtung anbieten. So stehen Online-Reisebüros wie Expedia in hartem Wettbewerb mit Platzhirschen wie TUI und Dertour. Zudem hat die Pleite von Thomas Cook viele Verbraucher aufgeschreckt, da zahlreiche Kunden ihre Anzahlungen verlieren werden. Dadurch könnten verbraucherfreundliche Angebote einen höheren Stellenwert bekommen.

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