zum Hauptinhalt
Liebhaberobjekt: Für Ketten aus der Wellendorffschen Goldschmiede müssen Käufer mehrere Zehntausend Euro zahlen. Am Tag werden nur 20 bis 30 Stücke gefertigt..

© Mike Wolff

Schmuck: Wahre Werte

Seit 120 Jahren stellt die Familie Wellendorff teuren Schmuck her. Von Krise keine Spur. Im Gegenteil: Die Firma wächst in aller Welt. Besonders die Chinesen stehen auf Ketten und Ringe aus Pforzheim.

Berlin - Hoch oben in der Kuppel des Adlon wandelt sich die Artistin zum Engel. Die weißen Bänder, an denen sie zu Boden schwebt, werden zu Flügeln. Was auf den ersten Blick anmutet wie eine leicht esoterische Luxus-Show, fußt auf einer ursoliden Erfolgsgeschichte.

Das Schmuckhaus Wellendorff aus Pforzheim hat sich kürzlich das Berliner Hotel zum Auftakt der Jubiläumsfeierlichkeiten zum 120-jährigen Bestehen des Unternehmens ausgesucht. Und nun thront der Leitspruch der Familie „Wahre Werte“ über der Halle, die gerade in dem TV-Dreiteiler über das Adlon Furore gemacht hat. Sogar den berühmten Springbrunnen haben sie wegräumen lassen und die Bar für eine dreitägige Präsentation der Schmuckstücke gemietet. Dort hängt auch das „Collier der Ewigkeit“, eigens für das Jubiläum gefertigt. Es würde 425 000 Euro kosten – wenn es verkäuflich wäre. Ist es aber nicht. Allein der siebenkarätige lupenreine Diamant im Schutzengelanhänger ist eine Sehenswürdigkeit. Lange hat er im Tresor der Familie auf diesen Auftritt gewartet. Wie konnte es passieren, dass ein Familienunternehmen aus dem Schwarzwald Schmuckboutiquen nicht nur im Adlon, sondern auch in San Francisco, Hongkong oder Peking betreibt?

Zum Jubiläum ist die ganze Familie angereist. Georg Wellendorff, der zusammen mit seinem Bruder Christoph das Unternehmen in vierter Generation leitet, erinnert sich. Schon sein Urgroßvater, der Firmengründer, habe eine internationale Klientel im Visier gehabt. Um die zu akquirieren, musste er von Pforzheim aus zunächst nur die kurze Reise nach Baden-Baden antreten, wo die europäischen Kaiser- und Königshäuser gern ihre Sommerresidenzen aufschlugen, denn die badischen Prinzessinnen waren begehrte Heiratspartien. Hier knüpfte Ernst Alexander Wellendorff die notwendigen Kontakte, die ihm Einladungen an den russischen Zarenhof und ins britische Königshaus brachten. Er gab seinem Sohn Alexander auch die Maximen mit auf den Weg, an denen die Familie bis heute festhält: „Du musst nur die besten und edelsten Materialien verwenden, die besten Spezialisten einstellen und denen die besten Hilfsmittel an die Hand geben. Dann wirst du automatisch die besten Kunden haben.“

Zwei Weltkriege habe sein Großvater mitgemacht, erzählt Georg Wellendorff. Als er 1946 aus der Kriegsgefangenschaft zurückkam, lag Pforzheim in Trümmern. Gold gab es damals in Deutschland nicht, wohl aber einen Schweizer Kunden, der vor dem Krieg ein Bewunderer der Wellendorffschen Schmuckstücke war. Der stellte das Gold für den Neubeginn zur Verfügung. Zu den ersten Nachkriegskunden gehörten US-Soldaten.

1960 übernahm Hanspeter Wellendorff das Unternehmen. Dass die eigenen Schmuckstücke bei vielen Juwelieren neben minderwertigen Teilen im Schaufenster lagen, ärgerte ihn immer mehr. Er beschloss, aus Wellendorff eine eigene Marke zu machen, und kennzeichnete alle Schmuckstücke mit einem goldenen Brillant-W. Das sahen die Juweliere damals gar nicht gern. Auf einen Schlag verlor er 50 Prozent seiner Kundschaft. Dafür fand er mehr Abnehmer in Frankreich, England und den USA, wo man bereits ein ausgeprägtes Bewusstsein für Marken hatte. Ehefrau Eva schließlich inspirierte ihn zu der ersten Wellendorff-Kordel, die heute zu den Markenzeichen des Unternehmens gehört. Sie hatte als Kind gern mit den Gardinenkordeln der Großmutter gespielt, weil sie seidig waren und so weich. So etwas wollte sie gern als Schmuck um den Hals tragen.

Kurz vor dem Jubiläumsauftakt im Adlon hält sie das Geschenk ihres Mannes stolz in die Höhe. Der ersten Kordel sollten viele weitere folgen. Aus Goldstangen werden dünne Golddrähte gezogen, die mit einer sogenannten Seele versehen und geflochten werden, bis sie seidig weich auf der Haut liegen. „Da ziept nichts“, sagt die Verkäuferin in der Adlon-Boutique.

Im Jubiläumsjahr haben die Kordeln neben kleinen goldenen Schutzengelskulpturen raffinierte dreiteilige Amulette als Anhänger, einmal mit einem Citrin auf Diamantenbett, einmal mit einem ähnlich aufgewerteten Amethysten. Die kann man kaufen – für 54 300 beziehungsweise 59 700 Euro. Preiswerter sind die Jahresringe, aber nur, wenn man sie rechtzeitig bestellt, denn länger als zwei Wochen halten die limitierten Auflagen nicht vor. Für 2013 gibt es 213 dieser Ringe mit einem Engel auf rosa Emaille. Das ist extra hart, denn die Schmuckstücke sollen ein Leben lang Freude bereiten, und so lange läuft auch die Garantie. Um die sehr komplizierten Fertigungstechniken für die Kordeln und die in sich drehbaren Ringe zu lernen, müssen fertig ausgebildete Goldschmiedemeister noch mal zwei Lehrjahre an der Wellendorff-Akademie dranhängen. Die Farbe kam mit Georg und seinem Bruder Christoph, die Anfang der Neunzigerjahre ins elterliche Unternehmen eintraten. Beide reden gern über Design und gar nicht gern über Zahlen: „Wir sind schließlich Goldschmiede.“ Aber dass sie nur Zuwachsjahre kennen, dass diese Zuwächse nach der Jahrtausendwende im zweistelligen Bereich lagen und dass sogar die Finanzkrise noch Extragewinne beschert hat, das verrät Georg Wellendorff schon. Und dass sich der Kaufpreis der Jahresringe vervielfacht hat, könne man auf Ebay sehen.

Vor fünf Jahren kamen die Brüder nach Berlin und eröffneten eine eigene Boutique im KaDeWe. Unter den vielen internationalen Kunden dort stach eine Gruppe besonders heraus: die Chinesen. Ausgerechnet in dem kommunistisch geprägten Land gibt es offenbar eine konservative Schicht von überaus reichen Menschen, die sehr viel Sinn haben für das Motto „Wahre Werte“ und auch mit Engeln etwas anfangen können. Also beschloss der Familienrat, den Chinesen ein zusätzliches Angebot zu machen. 2010 eröffnete eine Boutique in Hongkong. Ein Jahr später folgte Peking. Ebenfalls 2010 wurde auch ein Geschäft in San Francisco eröffnet. „Der Christoph liebt diese Stadt, der kriegt immer ganz leuchtende Augen, wenn er dahin darf“, begründet Georg Wellendorff diesen Schritt. Dort fungiert als Partner ein befreundeter Juwelier, der ebenfalls in vierter Generation in der Schmuckbranche tätig ist. Eigene Boutiquen gibt es auch in Stuttgart, Düsseldorf, Mainz und Wien.

Es soll nur langsam weitergehen, denn das Unternehmen ist in der glücklichen Lage, dass die Nachfrage größer ist als das Angebot sein kann. Wegen der aufwendigen Fertigung können nur 20 bis 30 Schmuckstücke am Tag gefertigt werden. Von den 80 Mitarbeitern in Pforzheim sind 50 speziell ausgebildete Goldschmiedemeister. Viel größer soll das Unternehmen nicht werden: „Wir lieben den familiären Spirit“, sagt Georg Wellendorff. Außerdem lebt wahrer Luxus davon, dass er knapp ist. Dabei gäbe es viele Märkte zu erobern, in Dubai oder Singapur oder Brasilien. Denn auch dort gibt es reiche Menschen, die ihr Geld gern in wertvollem, europäischem Schmuck anlegen. Als nächsten Standort könnte man sich gut Tokio vorstellen, denn die Japaner hätten sehr viel Sinn für deutsche Qualitätsarbeit.

Die Zielgruppe der Wellendorffs sind etablierte Frauen, die für sich das Beste suchen und Understatement lieben. Die Frauen in der Familie tragen alle Stücke erst einmal eine Weile zur Probe, damit die Entwürfe perfektioniert werden können. Eva Wellendorff ist es zu verdanken, dass die Verschlüsse wirklich sicher sind und so einfach zu handhaben, dass man sie mit einer Hand im dunklen Hotelzimmer ablegen kann.

„Schmuck soll Freude schenken und beschützen“, das war der Ausgangsgedanke für die Kollektion der Engel, die im Jubiläumsjahr eine so große Rolle spielt. Die Lieblingsgeschichte der Wellendorffs geht so: Eine einsame Frau spaziert über einen dänischen Strand. Dort findet sie ein Amulett mit Schutzengel, das eine Fremde verloren hat. Durch einen unglaublichen Zufall lernt sie deren Witwer kennen. Dem gibt sie das Amulett der verstorbenen Frau zurück, obwohl es inzwischen zu ihrem Talisman geworden ist. Einige Monate später bringt er es ihr zurück verbunden mit einem Heiratsantrag. Hochzeit. Happy End.

Marken brauchen Mythen, und Schmuck braucht Romantik. Deshalb spielen Engel seit zwei Jahren eine große Rolle. Der Sinn für dieses Schutzsymbol hatte aber schon vorher Tradition im Familienunternehmen. Schon die goldene Buchstütze, die Ernst Alexander Wellendorff ein Jahr vor der Unternehmensgründung 1893 fertigte, zierte – ein Engel.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false