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Wirtschaft: Schocktherapie für den Energiemarkt

Noch reichen die Reserven. Aber der steigende Ölpreis zwingt die Weltwirtschaft, alternative Quellen zu erschließen

Opel-Chef Carl-Peter Forster plant für die Zukunft. „Haltbarkeit und Leistung stimmen, jetzt muss das Brennstoffzellenauto nur noch bezahlbar werden.“ Doch das Problem ist größer, als Forster vorgibt. Denn „HydroGen 3“ kostet 80 000 Euro. In Wahrheit wird es noch lange dauern, bis Benzin- und Dieselmotoren ernsthafte Konkurrenz bekommen – und eine umweltfreundliche dazu. In den nächsten 20 Jahren, schätzt Opel-Konkurrent Volkswagen, ist mit Brennstoffzellenautos in Großserie nicht zu rechnen.

Es ist ein Zufall, dass die Demonstrationsfahrt des Wasserstoffautos und die Explosion der Benzinpreise zeitlich zusammenfallen. Auch die internationale Tagung über regenerative Energien ab Dienstag in Bonn ist schon lange geplant. Doch das Thema Energieversorgung der Zukunft ist so aktuell wie schon lange nicht mehr. Spektakuläre Blackouts beim Strom im letzten Sommer und horrende Preise für Öl, Gas und Kohle lassen die Frage zu, ob eine neue Energiekrise droht.

Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) zumindest ist der Meinung, dass die Verbraucher in Deutschland sich auch künftig auf hohe Benzinpreise einstellen müssen: Mittelfristig würden die Benzin- und Ölpreise nicht sinken, sagte Trittin der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“.Schließlich stehe der „vor allem wegen China“ weltweit steigenden Nachfrage ein „nicht unendlich vermehrbares Angebot gegenüber“.

Der Bedarf an Energie wächst in der Tat. Die Internationale Energie Agentur (IEA) in Paris sagt für die nächsten Jahrzehnte einen starken Anstieg voraus. Bis 2030 rechnet Claude Mandil, Chef der IEA, mit einer Steigerung des Verbrauchs um 70 Prozent – wenn nichts gegen den Trend getan wird. Durch verbesserte Effizienz könne die Rate auf 40 Prozent gesenkt werden. „Aber die Steigerung bleibt ein Fakt“, sagte Mandil dem Tagesspiegel. Und: „Es sind weniger die Industrieländer, die mehr Energie brauchen, sondern die sich entwickelnden Regionen, insbesondere Asien.“ Die großen Wirtschaftsnationen haben seit den Ölpreisschocks der 70er Jahre viel in effizientere Technik investiert. Die ist aber teuer – oft zu teuer für die jetzt aufstrebenden Länder wie China. Das ist beispielsweise seit einem Jahr der größte Ölverbraucher der Welt nach den USA. Daneben holt Indien stark auf. Und die Wirtschaft in Südamerika sollte ebenfalls bald wieder kräftiger wachsen können.

Während die Rohölpreise in New York inzwischen 40 Dollar erreichen, ziehen andere Energieträger nach. Kraftwerkssteinkohle kostet doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. „Von Krise kann aktuell durchaus die Rede sein“, sagt Claudia Kemfert, Energieexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin. Vor allem lasse uns aber auch das Klima keine andere Wahl, als nach Alternativen zum Öl zu suchen. So sieht das auch Minister Jürgen Trittin. Ausweg ist für ihn die erneuerbare Energie. Wind, Wasser, Biomasse oder Sonne sollen in weniger als 50 Jahren die Hälfte des deutschen Energiebedarfs decken. Viel zu optimistisch, sagen Kritiker des Grünen-Politikers. Doch die Branche sieht allenfalls politische Grenzen. Schon in 25 Jahren, so eine aktuelle Studie des Öko-Instituts, könnten 14 Prozent des deutschen Energiebedarfs aus Biomasse (Abfälle und Holzreststoffe) gewonnen werden. Ob Bioabfall oder Windenergie: Ohne massive staatliche Unterstützung geht es vorerst nicht. Das Instrument in Deutschland heißt Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Inzwischen werden rund drei Milliarden Euro von den Stromverbrauchern erhoben, mit denen regenerative Energien auf Marktpreisniveau heruntersubventioniert werden. Regierung, Opposition und Industrie streiten darum, ob dies der richtige Weg ist. Doch die Windradbauer verteidigen sich damit, dass Deutschland auf diesem Weg zum Weltmeister für moderne Windtechnik geworden ist. Im Übrigen, so einer der bekanntesten Vertreter der Branche, Repower-Chef Fritz Vahrenholt, werde Strom aus Windkraft in zehn Jahren wettbewerbsfähig sein und die rasant steigenden Energiepreise sogar bremsen.

Regenerative Energie hat gegenüber Kohle oder Öl einen wichtigen Vorzug: Es entstehen keine Emissionen. Aber es geht auch anders. Kraftwerksindustrie und Wissenschaftler forschen an einem emissionsfreien Kohlekraftwerk. Ein Prototyp soll unter Regie des Energiekonzerns Vattenfall in Ostdeutschland entstehen. Doch die Frage, ob das klimaschädliche CO2 tatsächlich unbedenklich in unterirdischen Kammern abgelagert werden kann, ist noch ungeklärt.

Einig sind sich die meisten Experten darin, dass Erdöl, Erdgas und Kohle vorerst nicht ausgehen. Im Gegenteil: Jeder Preissprung führe dazu, dass neue Lagerstätten aufgespürt und wirtschaftlich nutzbar werden, sagt der Wissenschaftler Christian von Weizsäcker. Die aktuelle Preisexplosion sei vor allem auf Transport- und Produktionsengpässe zurückzuführen. Allein Kohle hält – bei heutigem Verbrauch – noch 200 Jahre.

„Um die Quellen aber anzuzapfen, sind große Investitionen nötig“, sagt IEA-Chef Mandil. Er schätzt den Bedarf bis 2030 auf 16 Billionen Dollar weltweit. Vor allem müssten dafür private Investoren gefunden werden, sagt er. Das ist aber schwierig, weil die Rendite oft vergleichsweise niedrig ist. Was allerdings geschieht, wenn zu wenig investiert wird, zeigt die amerikanische Ölindustrie. Die kauft seit einigen Jahren Benzin massenhaft in Europa ein und treibt damit die Preise nach oben. Kurzfristig ist das billiger, als neue Raffinerien zu bauen. Aber langfristig drohen gefährliche Engpässe.

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