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Wirtschaft: Schöner Einkaufen

Immobilienbesitzer sollen nach dem Willen der CDU in Berliner Geschäftsstraßen für Ambiente sorgen.

Berlin - Die Pläne für neuartige Kooperationen in Berliner Geschäftsstraßen, die Immobilieneigentümer zu finanziellen Beiträgen verpflichten sollen, kommen nach jahrelangen Diskussionen voran. Die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus hat ihren neuen Gesetzentwurf für „Business Improvement Districts (BID)“ erarbeitet, die auch „Innovationsbereiche“ genannt werden. Zurzeit berate man über das Papier noch intern, sagt Vize-Fraktionschef und Stadtentwicklungsexperte Stefan Evers. Unterdessen erwarten die Grünen bald die Abstimmung über ihren Gesetzesvorschlag zum selben Thema, den sie bereits im Juni vorgestellt hatten. Doch dieses Konzept wird wohl keine Mehrheit finden. Bei einem Diskussionsabend der IHK Berlin machte Evers kürzlich deutlich, dass die CDU einiges anders sehe – zur Enttäuschung der grünen Wirtschaftspolitikerin Nicole Ludwig, die sich eigens schwarz-grün gekleidet hatte und damit ein politisches Zeichen setzen wollte.

Ludwig signalisiert Kompromissbereitschaft. Bisher sieht ihr Entwurf vor, dass 20 Prozent der Abgaben für klimafreundliche Maßnahmen ausgegeben werden sollen. „Man kann aber auch über zehn Prozent reden“, sagt sie nun.

Immer wieder ist beim Thema BID von dem Vorbild Hamburg die Rede, denn 2005 hatte die Hansestadt das einst im kanadischen Toronto erdachte und später unter anderem von New York übernommene Modell als erste deutsche Stadt eingeführt. Im selben Jahr lehnte die damalige rot-rote Berliner Landesregierung einen CDU-Vorstoß ab.

Anders als in klassischen Standortgemeinschaften, die sich aus freiwilligen Beiträgen von Händlern finanzieren, zahlen Grundeigentümer für Verschönerungen der Umgebung, mehr Sicherheit und Sauberkeit oder besseres Standortmarketing. Eine Voraussetzung ist, dass im jeweiligen Gebiet mindestens 15 Prozent der Vermieter einen Antrag stellen und später nicht mehr als 33 Prozent widersprechen. Im BID müssen sie dann alle zahlen – auch vorherige „Trittbrettfahrer“, bei denen es sich oft um Fondsgesellschaften handelt.

Inzwischen gebe es im Hamburg zehn beteiligte Einkaufsquartiere, sagt Ulrike Rehr von der dortigen Unternehmens- und Kommunalberatung Lademann und Partner. Mehrere hätten die auf fünf Jahre begrenzte Projektdauer schon verlängert, die Etats lägen zwischen 330 000 und fünf Millionen Euro. Grundsätzlich sei es wichtig, dass die Initiative direkt aus dem Quartier komme und nicht von einer übergeordneten Stelle. Schwammige Ziele dürfe es nicht geben, die geplanten Maßnahmen müssten klar definiert werden. Auf diese Weise könnten sich Einkaufsstraßen besser gegen Mitbewerber wie den Onlinehandel und Shoppingcenter behaupten und der „nachlassenden Aufenthaltsqualität“ durch die Geldnot der Kommunen entgegenwirken. Aber: „Es ist kein Allheilmittel.“

Bisher haben sieben Bundesländer einschlägige Gesetze geschaffen. „Überschaubar“ nennt die Expertin aber die praktische Umsetzung: Außerhalb Hamburgs gebe es 18 Projekte in 14 Städten. Der Berliner Stadtentwicklungs-Staatssekretär Ephraim Gothe begründete, warum Berlin bislang nicht dazugehörte: Der Senat plane „keine Zwangsbeglückung“ und habe keinen lauten Ruf aus den Geschäftsstraßen nach dem neuen Modell vernommen.

CDU-Politiker Evers ist vergleichsweise euphorisch, er sieht enorme Chancen für Hilfe zur Selbsthilfe. Die Pflichtabgaben würden zunächst vom Land Berlin als Hoheitsträger kassiert, dann aber weitergeleitet zu den Betreibern des BID. Einig sind sich Politiker und Wirtschaftsvertreter darin, dass Maßnahmen von Anliegern die staatlichen Aufgaben nicht ersetzen können und sollen.

Beides kann sich aber ergänzen, wie ein Beispiel aus der Berliner City West zeigt: Weil es bei der Stadtreinigung noch keine sogenannte Reinigungsklasse gibt, die in stark frequentierten Straßen mehrere Säuberungen pro Tag ermöglichen würde, zahlen Immobilieneigentümer seit dem Frühjahr für mehr BSR-Einsätze auf Teilen von Tauentzien und Kurfürstendamm. Noch geschieht dies freiwillig, und es beteiligen sich auch nicht alle Grundbesitzer. Aber das Projekt zeigt, was in BID machbar wäre.

Die AG City wolle das Modell gerne ab 2014 oder 2015 umsetzen, um die westliche Innenstadt zum Top-Standort in Deutschland zu entwickeln. sagt Vorstandsmitglied Gottfried Kupsch. Bisher gebe es rund um den Ku'damm viele Privatinvestitionen, aber zu wenig öffentliches Engagement. Die „enormen Steuereinnahmen“ durch den Einzelhandel würden „nicht bei uns reinvestiert“, die Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Charlottenburg-Wilmersdorf sei schlecht.

Interesse bekundet haben auch die IG Friedrichstraße sowie Gewerbetreibende in der Wilmersdorfer Straße in Charlottenburg, am Tempelhofer Damm und in der Altstadt Spandau. Doch nicht alle Geschäftsstraßen scheinen geeignet. „In der Müller- oder Turmstraße würde es schwierig“, sagt Staatssekretär Gothe, der früher Baustadtrat im Bezirk Mitte war. Solche Gegenden seien zu heterogen mit vielen verschiedenen Akteuren. Laut Ulrike Rehr funktioniert ein BID auch nur, wenn die Geschäfte schon passabel laufen: „Man braucht eine Grundstabilität, um die Abgaben finanzieren zu können.“

Berlins Industrie- und Handelskammer hatte Zwangsabgaben lange abgelehnt, nun zeigt sich ein Meinungswandel. Beeindruckt von Besuchen in Hamburg ist der Immobilienunternehmer und Vorsitzende des IHK-Ausschusses für Infrastruktur, Stadtentwicklung und Bau, Christoph Meyer. Den dortigen Anrainern sei ihr Engagement eine „Herzensangelegenheit“, und es gebe eine sehr enge Zusammenarbeit mit Politik und Ämtern. Eine BID-Managerin habe erzählt, sie treffe sich mindestens einmal pro Woche mit Bezirksvertretern. Das deckt sich mit Evers' Erfahrungen, der in Hamburg erlebt hat, dass auch Fondsmanager die Vorteile erkennen und sogar Wachleute stolz auf die Fortschritte im Quartier seien.

Worin sich der neue CDU-Gesetzentwurf vom ersten aus dem Jahr 2005 unterscheidet, sagt Evers wegen der laufenden Fraktionsberatungen noch nicht. Ein Detail nennt er aber schon: Für jedes Gebiet soll es einen Lenkungsausschuss geben.

Einzelhändler werden in den meisten BID zwar nicht direkt zur Kasse gebeten, müssen nach den Erfahrungen von Ulrike Rehr aber oft mit einer steigenden Ladenmiete rechnen – nicht nur, weil manche Vermieter einen Teil der Kosten umlegen wollen, sondern auch, weil das Quartier im Erfolgsfall gefragter wird. Andererseits können höhere Kundenzahlen und Umsätze die Mietsteigerung dann verschmerzbar machen.

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