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Wirtschaft: Schöner Schein

Unternehmen werben oft mit Siegeln oder tollen Events um Nachwuchs. So können Bewerber herausfinden, wer beim Image trickst.

Mit Siegeln, Kampagnen und schicken Events versuchen sich Unternehmen als attraktive Arbeitgeber zu präsentieren. Doch steckt auch Substanz hinter dem schönen Schein? Mit einfachen Mitteln können Bewerber herausfinden, welches Unternehmen beim Image trickst.

„Top Company“, „Great Place to work“ oder „Top Arbeitgeber für Ingenieure“. Bei jedem zweiten Stand im Kongresszentrum der Dortmunder Westfalenhallen stoßen Besucher der Jobmesse auf eines dieser Siegel. Sie sind als unübersehbare Aufsteller platziert und sollen etwa die Deutsche Bahn, den TÜV Nord, Bosch oder Siemens als tolle Arbeitgeber kennzeichnen. „Darauf achte ich schon gar nicht mehr“, sagt Elisabeth Guthardt. „Diese Etiketten verraten mir nicht, ob das Unternehmen für mich interessant ist.“

Die Maschinenbau-Ingenieurin, die sich in Dortmund nach neuen beruflichen Möglichkeiten umsieht, legt für die Attraktivität eines Arbeitgebers andere Maßstäbe an: internationale Ausrichtung, persönliche Verantwortung, Kundenkontakt und das Vertrauen vom Chef stehen ganz oben. Zudem beobachtet sie genau, wie ihr Personaler begegnen und ob sie mit ehrlicher Begeisterung vom Unternehmen erzählen. Guthardt gehört als Ingenieurin zu den Fachkräften, die ganz besonders stark umworben werden – und denen die Orientierung mitunter besonders schwerfällt. Denn im Kampf um Nachwuchskräfte versuchen sich inzwischen sehr viele, große und kleine Unternehmen gleichermaßen ins rechte Licht zu rücken und als attraktive Arbeitgeber zu vermarkten.

„Dabei entsteht häufig der Eindruck, wir müssten als begehrte Fachkräfte den Spieß im Bewerbungsverfahren einfach umdrehen und uns nur für das beste Angebot entscheiden“, sagt Guthardt. Nur: Wenn alle toll sind, wer ist dann am tollsten? Reichen Werbesprüche, bunte Online-Seiten und schicke Messestände, um eine konkrete Vorstellung vom künftigen Arbeitgeber zu gewinnen? Nein, sagt Wolf Reiner Kriegler, Geschäftsführer der Deutschen Employer Branding Akademie: „Viele Firmen konzentrieren sich darauf, ihr Image zu polieren. Das Ergebnis sind austauschbare Kampagnen, die steile Karrierepfade und gute Entwicklungschancen versprechen.“ Das sei jedoch ein Fehler. „Tatsächlich sind andere Merkmale ausschlaggebend dafür, ob ein Bewerber zu einem Arbeitgeber passt oder nicht.“ Die fachliche Eignung sei eher zweitrangig. „Wichtiger ist, ob ein Mitarbeiter in die Unternehmenskultur passt oder ob er sich dort eher ein Magengeschwür holt.“

Denn wer überall anecke, könne auch trotz erstklassiger Fähigkeiten nicht die volle Leistung bringen. Gute und ehrliche Arbeitgeberkommunikation könne solch eine Situation verhindern, sagt Kriegler: „Nämlich dann, wenn Firmen auch den Mut haben, Ecken und Kanten zu zeigen. Je realistischer das Bild ist, das sich Bewerber von Arbeitgebern machen, desto besser können sie sich entscheiden.“

Auch Jens Plinke, der als Employer Branding Manager bei Henkel tätig ist, hält umfassende Einblicke bei der Suche nach neuem Personal für entscheidend: „Der Bewerber sollte wissen, was es bedeutet, wenn er bei uns einsteigt.“ Dafür präsentieren sich Henkel-Mitarbeiter auf Jobmessen, organisiert Plinke Vorlesungen von Führungskräften und Top-Managern wie Henkels Vorstandsvorsitzendem Kasper Rorsted an Universitäten.

Zudem informieren Plinke und sein Team Interessierte auf Karriereseiten in sozialen Netzwerken. Sie stellen Videos zum Praktikumsalltag bei Youtube ein oder beantworten via Facebook persönlich Fragen zum Unternehmen und zu den Chancen für einen Berufseinstieg. „So kann ein Kandidat besser einschätzen, ob wir als Arbeitgeber in Frage kommen.“ Von einem solchen Aufwand profitieren beide Seiten: Die Jobsuchenden sparen Zeit und vermeiden Fehlentscheidungen. Die Unternehmen erzielen eine höhere Bewerberpassung. Das reduziert die Mitarbeiter-Fluktuation und schafft eine größere Identifikation mit dem Unternehmen und damit mehr Leistungsbereitschaft.

Kriegler spricht von einer „Effektivität der Ehrlichkeit“. Die hält auch Annerose Buche, Personalmanagerin bei der Management-Beratung Batten & Company, für unerlässlich: „Falsche Versprechungen erkennen Mitarbeiter spätestens nach ein paar Monaten. Da ist es besser, sofort zu kommunizieren, was möglich ist und was nicht. Das verhindert Frustrationen.“

Für zusätzliche Details sollten Jobsuchende in Netzwerken wie Xing, Linked-In, Twitter oder Facebook recherchieren. Winkler rät dazu, auch aktuelle und ehemalige Mitarbeiter zu kontaktieren und nach ihren Erfahrungen zu fragen. Die gesammelten Informationen helfen dann nicht nur bei der Entscheidung für einen Arbeitgeber, sondern bereiten auch gut auf die Bewerbungsgespräche mit ihm vor.

Rankings und Siegel sind nur ein erster Anhaltspunkt und sagen wenig über die tatsächliche Zufriedenheit der Arbeitnehmer aus. Oft ermitteln sie nur den Bekanntheitsgrad und die Beliebtheit der Unternehmen unter Absolventen. Von den Ergebnissen profitieren vor allem Personaler. Sie erfahren durch den Vergleich mit der Konkurrenz, wie sie die eigene Arbeit verbessern können. Schöner Nebeneffekt: Nach außen soll das Siegel auch die Attraktivität als Arbeitgeber dokumentieren. Tatsächlich ist es als Entscheidungshilfe für Bewerber aber unbrauchbar.

Der beste Weg führt über den persönlichen Kontakt. Wer wie Elisabeth Guthardt auf Recruiting-Veranstaltungen und Jobmessen geht, kann gezielt Fragen stellen und sich bekannt machen. „Interessierte wenden sich bei solchen Veranstaltungen am besten an Mitarbeiter aus den Fachabteilungen“, rät Kriegler. Die schildern ihre Arbeit im Idealfall besonders konkret und völlig ungeschminkt. (HB)

Mirjam Sander

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