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Flott durch den Garten: Olaf Scholz, DGB-Chefin Jasmin Fahimi und Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger am Montagnachmittag vor dem Kanzleramt.

© Kay Nietfeld/dpa

Scholz über konzertierte Aktion gegen Inflation: „Wir stehen vor einer historischen Herausforderung“

Bundeskanzler, Arbeitgeberpräsident und DGB-Vorsitzende wollen gemeinsam gegen die Krise agieren. Und treffen sich im Herbst wieder.

Mit Bekenntnissen zum gemeinsamen Handeln endete das erste Treffen der konzertierten Aktion im Kanzleramt. „Die aktuelle Krise wird nicht in ein paar Monaten vorübergehen“, sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Montagnachmittag. Deshalb werde man sich mit Arbeitgebern und Gewerkschaften in den kommenden Monaten häufiger treffen.

Scholz sprach von einer „historischen Herausforderung“, Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger von der „härtesten wirtschafts- und sozialpolitischen Krise seit der Wiedervereinigung“. „Der faire Ausgleich der Interessen prägt unser Land“, sagte Scholz. Ihm sei deshalb die Botschaft wichtig: „Wir stehen zusammen und wollen einen Geist entwickeln, der uns durch diese Zeit trägt.“

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Die DGB-Vorsitzende Jasmin Fahimi sprach von einem „historischen Präzedenzfall, in dem es einer gemeinsamer Kraftanstrengung bedarf“. Die Belastungen der privaten Haushalte allein durch die hohen Energiepreise gingen deutlich über die bisherigen Entlastungen hinaus, die Scholz mit 30 Milliarden Euro bezifferte. „Es geht um die Perspektive 2023“, sagte Fahimi. Eine Rezession müsse verhindert werden. Dulger zufolge sind Energiekosten, Rohstoffknappheit und Lieferprobleme die Ursachen der Inflation. „Löhne sind aktuell kein Inflationstreiber“,sagte der Arbeitgeberpräsident.

In den kommenden Monaten müssten dieTarifparteien die Frage beantworten, „wir wir für die Beschäftigten einen Teil der Inflation auffangen können“, fuhr Dulger fort. Die Politik könne dabei helfen, indem sie die kalte Progression im Einkommenssteuertarif angehe und die Coronaprämie wieder einführen.

Die Absenkung des Steuertarifs lehnen die Gewerkschaften ab, weil höhere Einkommen davon überproportional profitieren. „Wir wissen nicht, welches Feuer wir zuerst austreten sollen“, beschrieb Dulger die Situation in den Unternehmen. „Deshalb ist jetzt die Zeit, gemeinsam nach Lösungen zu suchen.“

Scholz: Keine weiteren Hilfen 2022

Wie Teilnehmer des Treffens anschließend dem Tagesspiegel sagten, hat Scholz keine weiteren Entlastungen angekündigt. Auch nicht für Rentner und Studierende, die den Energiebonus von 300 Euro nicht bekommen. Finanzminister Christian Lindner (FDP) habe die Wiedereinführung der Coronaprämie angesprochen, ohne jedoch ins Details zu gehen oder gar einen Termin zu nennen. „Jetzt werden erstmal Papiere geschrieben“, sagte ein Teilnehmer dem Tagesspiegel.

Im September treffe man sich wieder. Dann beginnt auch die Tarifauseinandersetzung in der Metallindustrie. Die IG Metall fordert eine Tariferhöhung um acht Prozent für knapp vier Millionen Beschäftigte.

Sechs Maßnahmen kommen in Frage

An möglichen weiteren staatlichen Hilfen werden sechs Maßnahmen diskutiert. Scholz selbst hatte Präferenzen für die Steuer- und Beitragsfreiheit von Einmalzahlungen des Arbeitgebers, wie es sie als Coronaprämie bis zum März dieses Jahres gab. Staatliche Einmalzahlungen in Form der Energiepauschale (300 Euro an alle Erwerbstätigen) und des Kinderbonus (100 Euro an Empfänger von Kindergeld) sind bereits vereinbart und werden im Juli (Kinderbonus) und September (Energiepauschale) ausgezahlt. Das könnte sich in einigen Monaten wiederholen.

Eine vorzeitige Erhöhung des Regelsatzes in der Grundsicherung, die bislang erst für Anfang 2023 vorgesehen ist, gehört ebenso zu möglichen Hilfsmaßnahmen wie die Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel. Ein Gaspreisdeckel für den Grundverbrauch wird vor allem von Gewerkschaften befürwortet, die Dämpfung der Steuerprogression von den Arbeitgebern.

Tariferhöhungen bleiben unter der Inflation

Angesichts der Gaspreise aber auch wegen der hohen Lebensmittelpreise müssten weitere finanziellen Hilfen „im Herbst kommen und bis weit ins nächste Jahr wirken“, hatte Verdi-Chef Frank Werneke dem Tagesspiegel vor dem Treffen gesagt. In manchen Wirtschaftsbereichen verdienten die Beschäftigten „nur um die 2500 Euro, manche noch weniger. Da ist die Not riesengroß“, hatte Werneke argumentiert. Für seine Gewerkschaft kündigte er eine Tarifpolitik an, die mit „dauerhaft wirkenden Tariflohnsteigerungen die dauerhaft steigenden Preise ausgleicht“.

Das gelingt aber nicht einmal der IG Metall, die kürzlich für die sehr gut verdienende Stahlindustrie eine Tariferhöhung um 6,5 Prozent durchsetzte. Das ist zwar die kräftigste Erhöhung seit 30 Jahren, doch da die Inflationsrate über sieben Prozent liegt, verlieren selbst die Stahlarbeiter Kaufkraft.

„Für Christian Sewing, Chef der Deutschen Bank ist die hohe Inflation „Gift“ für die Gesellschaft. Wenn in Umfragen 40 Prozent der Menschen angeben, sie könnten nicht mehr sparen, bedrohe das den sozialen Frieden, sagte Sewing. Sollte es im Zuge des Ukraine-Krieges zu einem Gas-Embargo kommen, werde es eine „tiefe Rezession“ geben, meinte der Chef der Deutschen Bank.

Von der Europäischen Zentralbank wünsche er sich, „dass sie schneller als erwartet die Zinsen erhöht“. In der Eurozone sind die Verbraucherpreise im Juni um 8,6 Prozent im Jahresvergleich gestiegen. In Deutschland lagen sie um 7,6 Prozent über dem Niveau des Vorjahresmonats.

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