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Wirtschaft: „Schröder braucht Einschaltquoten wie Gottschalk“

Marketingfachmann Bernd Michael über die Reform-Rede des Kanzlers, die Lust auf Zumutungen und das Vertrauen der Zielgruppe

Herr Michael, Deutschland wartet auf die ReformRede des Kanzlers. Wie kann Schröder Aufbruchstimmung im Land erzeugen?

Indem er nicht nur über Einzelmaßnahmen spricht, sondern die Wirkung der Reformen verkauft. Das Entscheidende ist nicht, was er tun will, sondern die Frage, welche Auswirkungen es für jeden Bürger, jedes Unternehmen, jede Gemeinde hat. Nur dann wird es verständlich und nachvollziehbar. Die Leute müssen spüren: Donnerwetter, da bewegt sich etwas, von dem wir alle profitieren!

Ist das bei so komplexen Projekten möglich?

Politiker reden gern über die Komplexität von Problemen, aber sie sind leider nicht so deutlich wie wir Werber, denen die Wirkung einer Maßnahme am Herzen liegt. Wenn ich einer Frau ein Duschbad verkaufe, sage ich ihr ja auch nicht nur, was alles drin ist. Ich sage ihr: Deine Haut fühlt sich sanfter an und ist frischer und gesünder.

Aber das Duschbad ist etwas Angenehmes, die Sanierung der Staatsfinanzen ist es nicht. Die Lust auf Zumutungen wird der Kanzler nicht wecken, oder?

Erinnern Sie sich an den Satz von Kennedy: Frag nicht, was das Land für dich tun kann, sondern frage, was du für dein Land tun kannst. Schröder muss derjenige sein, der zuerst sagt: Ich tue es für mein Land. Und er sollte nicht über die Schuld der anderen reden, sondern klar stellen, dass er Mitschuld trägt und seinen Platz zu räumen bereit ist, wenn er jetzt nicht seinen Pflichten nachkommt. Dann kann er Dramatisches ankündigen, auch wenn es jedem weh tut. Die Leute werden umso besser zuhören, je mehr sie daran glauben, auch wenn es sie schmerzt.

Was wäre Schröders größter Fehler?

Wenn er komplexe Reformen auf komplexe Weise vorträgt. Dann verstehen die Leute es nicht. Und er sollte nicht seine Gegner angreifen und zu schimpfen anfangen. Dann würde er nur signalisieren, dass es ihm um sein Amt und seine Partei geht. Er muss sich über die Parteien stellen und eine richtig staatsmännische Rede halten.

Ist der Bundestag die richtige Kulisse? Wäre eine Fernsehansprache nicht besser?

Vollkommen richtig. Der Kanzler müsste aus dem Tagesgeschäft aussteigen und quasi in die Kirche gehen, um eine aufrüttelnde Predigt zu halten. Ich hätte mir einen Fernsehsender gegriffen und zur besten Sendezeit eine heiße Rede gehalten, um Gottschalksche Einschaltquoten zu erreichen. Schröder muss Mut und Entschlossenheit ausstrahlen.

Um sich dann anschließend wieder im Tagesgeschäft zu verzetteln…

Nein. Wenn die Reform auf die einzelnen Zielgruppen – Steuerzahler, Rentner, Arbeitslose und andere – zugeschnitten wird und für jeden nachvollziehbar ist, wird die gewollte Wirkung auch eintreten. Um das kleinteilige Tagesgeschäft sollten sich die Fachleute kümmern, nicht Schröder in seiner Rede. Er ist Dirigent, nicht der Geiger.

War der Kanzler bisher falsch beraten?

Das kann ich nur von außen beurteilen. Ich glaube, er ist von Populisten beraten worden, weil er selber einer ist. In einer Lage wie heute ist Wahrhaftigkeit, Glaubwürdigkeit und Vertrauen gefragt – keine Show.

Das Gespräch führte Henrik Mortsiefer.

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