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Wirtschaft: „Schröder reagiert nur auf Druck“

Der designierte IG-Metall-Chef Jürgen Peters über den „Kanzler-Wahlverein“ SPD und die Sozialreformen

Herr Peters, Sie werfen der SPD eine neoliberale Politik vor. Tragen Sie sich mit dem Gedanken, aus der Partei auszutreten?

Ein Austritt wäre der falsche Weg. Ich rate den IGMetall-Mitgliedern in der SPD, sich im Gegenteil sehr viel stärker in die Parteiarbeit einzumischen. Denn einige in der SPD geben einen Kurs vor, der von der Mehrheit nicht getragen wird.

Die Kritiker von Gerhard Schröder wollen den Kurswechsel durch ein Mitgliederbegehren erreichen. Werden sie dabei von der IG Metall unterstützt?

Das Mitgliederbegehren ist ein Hilferuf. Die Parteispitze hat sich so weit von der Basis entfernt, dass diese Angst vor der völligen Entfremdung haben muss. Ich hoffe, die Parteioberen begreifen das endlich. Die SPD ist kein Kanzler-Wahlverein und der Kanzler kann nicht machen, was er will.

Werden Sie zur Teilnahme an dem Mitgliederbegehren aufrufen?

Wenn es dazu kommt, natürlich. Ich glaube aber, dass es durch den Sonderparteitag abgebogen wird. Ich warne die SPD-Spitze aber davor, den Sonderparteitag zu einer Entscheidung zwischen einerseits dem Kanzler und seinem Programm oder aber andererseits einem Ende mit Schrecken hochzustilisieren. Eine Politik, bei der die Sache nicht mehr unabhängig von der Loyalität zu einer Person diskutiert werden darf, ist höchst gefährlich.

Wie werden die Gewerkschaften reagieren, wenn Schröders Strategie aufgeht?

Für die Gewerkschaften wäre das ein herber Rückschlag. Denn bisher haben wir mit der SPD die meisten Berührungspunkte für eine gemeinsame Politik. Davon bliebe dann nur ein sehr schmaler Grat.

Sie kennen Schröder gut aus Ihrer Zeit als IG Metall-Bezirksleiter in Hannover. Reagiert er auf Druck?

Es ist das Einzige, worauf er überhaupt reagiert. Wenn die Anderen den Druck erhöhen, weicht er auf dem Spielfeld zurück. Wir müssen deshalb Gegendruck erzeugen, sonst setzt er die Pflöcke immer stärker gegen unsere Interessen.

Kann die Krise der Sozialversicherung ohne Einschnitte gelöst werden?

Ich werde nicht diesem Schwarz-Weiß-Denken folgen, das alles auf die Frage nach Einschnitten reduziert. Niemand kann erwarten, dass eine Gewerkschaft Grundsätze wie den der Solidarität einfach aufgibt. Wir müssen über die Weiterentwicklung der Systeme reden. Wir haben zum Beispiel im internationalen Vergleich die dritthöchsten Kosten und trotzdem nur eine mäßige Qualität im Gesundheitswesen. Da kann man doch nicht annehmen, dass sich dem Problem mit Leistungskürzungen für die einzelnen Arbeitnehmer beikommen lässt. Vor allem muss eine Effizienzsteigerung bei den Nutznießern des heutigen Systems erreicht werden – das sind Ärzte und Apotheker. Wer das Krankengeld streichen und allein von den Kranken finanzieren lassen will, der bereitet in Wahrheit den Bruch mit dem System vor.

Klaus Zwickel hat die IG Metall immer wieder durch überraschende Initiativen - zum Beispiel das Bündnis für Arbeit - in die Debatte gebracht. Ich das für Sie ein Vorbild?

Auch ich will die IG Metall in die Debatte bringen. Der Politikstil muss aber immer der Organisation angemessen sein. Daher will ich mich bemühen, die wichtigen Dinge immer erst mit den Gremien abzustimmen, selbst wenn das zu Lasten des Überraschungsmoments geht.

Das künftige Führungsduo der IG Metall mit Berthold Huber als Zweitem Vorsitzenden erinnert an das Tandem Lafontaine-Schröder.

Ich glaube nicht, dass wir ein solches Rollenverständnis haben.

Aber inhaltliche Unterschiede zwischen Ihnen und Huber gibt es schon. Wie wollen Sie damit umgehen?

Jede sinnvolle Diskussion um Positionen braucht ein Element der Abwägung, das von kontroversen Ansichten lebt. Doch in letzter Konsequenz geht es darum, dass die IG Metall in den wichtigen Fragen nach außen ein erkennbares Modell vertritt. Selbst wenn ein Modell nicht alle selig macht, gehe ich davon aus, dass es dann von allen vertreten wird.

Das Gespräch führten Dietrich Creutzburg und Helmut Hauschild (HB)

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