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Wirtschaft: Schröders zweite Chance

Oskar Lafontaine, der in weiten Kreisen beschuldigt wurde, die deutsche Wirtschaft in den Abgrund zu treiben, hat am Donnerstag seinen Rücktritt als Finanzminister und als Parteivorsitzender der SPD erklärt.Bundeskanzler Schröder, von dem einige annahmen, er sei eine Marionette des Finanzministers, scheint deutlich gemacht zu haben, daß es ihm reicht.

Oskar Lafontaine, der in weiten Kreisen beschuldigt wurde, die deutsche Wirtschaft in den Abgrund zu treiben, hat am Donnerstag seinen Rücktritt als Finanzminister und als Parteivorsitzender der SPD erklärt.Bundeskanzler Schröder, von dem einige annahmen, er sei eine Marionette des Finanzministers, scheint deutlich gemacht zu haben, daß es ihm reicht.Das bedeutet, daß Deutschland nun wohl vom Abgrund weg auf einen vernünftigeren Kurs zusteuert.Puh.Das war knapp.Knapp nicht nur für Deutschland, sondern auch für Europa und möglicherweise die Weltwirtschaft.

Lafontaines Pläne, die Unternehmen mit weiteren Steuern zu belasten, um mehr Sozialismus zu finanzieren, hatte zu einem Aufstand unter den deutschen Industriellen geführt.Die Vorstandsvorsitzenden von 20 Unternehmen hatten gedroht, ihre Geschäfte aus Deutschland abzuziehen, wenn der links-orientierte Finanzminister auf seiner sogenannten Steuerreform bestehen würde.Bundesbankpräsident Hans Tietmeyer beschuldigte Lafontaine, den Euro im Verhältnis zum Dollar abwärts zu treiben.Das deutsche Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt und die Arbeitslosigkeit, Deutschlands größtes Problem, hält an.

Die Situation erinnert an eine andere sozialistische Kehrtwende: 1983 mußte sich der damalige französische Präsident Francois Mitterrand von seiner Politik abwenden, nachdem die Straßen von Paris von Studenten gesäumt worden waren, die für Arbeitsplätze demonstrierten und Ladeninhabern, die gegen die ihnen auferlegte Steuerlast protestierten.Mitterrand änderte den Kurs.Er kürzte radikal die Ausgaben und unternahm Schritte, die Frankreich Luft verschafften.

Mit dem ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Hans Eichel als neuem Finanzminister wird eine bessere Politik wahrscheinlich.Eichel hatte wesentlich dazu beigetragen, daß die SPD sich im Wahlkampf vor der Bundestagswahl im September als Partei der Mitte präsentierte.Bedeutender ist jedoch die Frage, wer die Nachfolge Lafontaines im Amt des Parteivorsitzenden antreten wird.Wenn Gerhard Schröder den Vorsitz übernimmt, kann die SPD sich wieder zur Partei der Mitte entwickeln.Natürlich wird sich auch die Regierung ohne Lafontaine in diese Richtung bewegen.Ein weiterer Nutzen wird sein, daß die Europäische Zentralbank nicht länger den fragwürdigen Plänen Lafontaines zur Neuordnung der internationalen Währungslandschaft ausgesetzt sein wird.

Niemand wird den Rücktritt Lafontaines mehr feiern als die deutsche Wirtschaft.Die Märkte reagierten auf Lafontaines Rücktritt jedenfalls positiv.Die Aktienkurse stiegen und der Euro gewann hinzu.Es besteht dennoch die Möglichkeit, daß Schröder die Wendung um hundertachtzig Grad nicht vollenden wird.Eichel ist trotz allem ein getreuer Anhänger der SPD und Freund der Gewerkschaften, die viel getan haben, um die Lohnkosten - und infolge die Arbeitslosigkeit - hoch zu halten.Es bleibt abzuwarten, welche Richtung die Regierung nach dem Rücktritt Lafontaines einschlägt.

"Ist das der gefährlichste Mann Europas?" titelte das Londoner Boulevardblatt Sun in diesem Jahr neben einem unvorteilhaften Foto, auf dem Lafontaine anzüglich grinst.Er könnte es gewesen sein.Aber jetzt ist er fort.Mit seinem überraschenden Rücktritt zieht die dunkle Wolke, die über der wirtschaftlichen Zukunft Europas hing, vorüber.Schröder hat jetzt die Chance, es noch einmal zu versuchen.Hoffen wir, daß er seine Lektion so gut gelernt hat wie 1983 Mitterand.Dieser hatte gesagt: "Wir waren vom Sieg getragen, wir waren berauscht." Deutsches Bier hat manchmal die gleiche Wirkung.

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