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Fahrzeuge des Volkswagen Konzerns stehen im Hafen von Emden zur Verschiffung bereit.

© Jörg Sarbach/dpa

Schrumpfende Wirtschaft: Ist Deutschland auf den Abschwung vorbereitet?

Parolen wie „Hartz IV abschaffen!“ oder „Soli abschaffen!“ sind rückwärtsgewandt. Deutschland braucht eine strukturpolitische Weichenstellung. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Gründe für Pessimismus mit Blick auf die Konjunktur gibt es genug. Der Brexit: Der ist, egal ob geregelt oder ungeregelt, für Deutschland einfach nur schlecht. Trump: Wer will darauf wetten, dass dieser Mann im Kopf noch die Kurve bekommt und die USA wieder auf einen kooperativen Kurs im Umgang mit anderen Handelsmächten führt? Italien: Da genügt womöglich ein Funke, ein Bilanzproblem bei irgendeiner Regionalbank, und schon folgt die Kettenreaktion nach dem Lehman-Bank-Muster vor zehn Jahren. Dann wäre sie wieder da: die Krise. Auch hierzulande.

Abschwung, Arbeitslosigkeit, Hunderttausende Immobilienbesitzer, die Kredite nicht mehr bedienen können. Diese reiben sich dann am politischen System. Und so weiter. Die Erinnerung an die Gründung der Weimarer Republik vor genau 100 Jahren – und an ihr Ende – verstärken Horrorphantasien auch noch: Welcome back, German Angst.

Da fällt es leicht, Ökonomen und Regierungsvertretern, die nun abwiegeln, Blauäugigkeit oder Zweckoptimismus vorzuwerfen. Das am Mittwoch von den Statistikern vermeldete Schrumpfen der deutschen Wirtschaft im dritten Quartal um 0,2 Prozent: War das eine „Unterbrechung des Aufschwungs“, wie Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier sagt? Oder der Anfang vom Ende des seit neun Jahren anhaltenden Aufschwungs? Niemand weiß es. Die Geschichte ist noch nicht geschrieben. Nur ein kleines Beispiel: Wenn man analysiert, wie Trump mit dem Thema nordamerikanische Freihandelszone (Nafta) umgegangen ist, stellt man fest, dass von dem vielen Rauch, den der Präsident rausgeblasen hatte, fast alles verflogen ist. Soll heißen: Hier geht noch alles – oder nichts.

Deutschland und Europa vorbereitet?

Beim Blick in den Abgrund sollte man sich also lieber auf die Frage konzentrieren, ob und wie Deutschland und Europa auf einen Abschwung vorbereitet sind. Haben die Regierenden und die Entscheidungsträger in Unternehmen das nötige Maß an Gestaltungswillen und -macht, um Folgen einer Krise abzufedern? Stellen sie heute die richtige Weichen für den Aufschwung von morgen?

Hier tröstet die Beobachtung, dass manche ideologische Schlacht in Wirtschaftspolitik bereits geschlagen ist. Anders als vor zehn oder 20 Jahren geht es heute weniger um die Positionen radikaler Marktliberalisimus samt Deregulierung gegen das Konzept vom vollversorgenden Wohlfahrtsstaat. Heute ist bekannt: Keins dieser Extreme bringt Deutschland voran. Die meisten Akteure aus Politik und Wirtschaft gehen heute deutlich pragmatischer an konkrete Fragestellungen heran. Zum Beispiel in der sogenannten Kohlekommission. Deren Prinzip – konstruktiver Dialog aller Interessensgruppen, das Dicke-Bretter-Bohren am konkreten Problem – ist richtig.

Leider verleiten schlechte Umfragewerte Regierungsparteien dazu, die Komplexität, die strukturpolitische Weichenstellung in der Regel erfordert, zu reduzieren. Parolen wie „Hartz IV abschaffen!“ oder „Soli abschaffen!“ sind rückwärtsgewandt, destruktiv, billiger Wählerstimmenkauf. Soll aus einer Konjunkturdelle kein Knick oder Absturz werden, braucht es neue Worte, eine frische Erzählung vom Standort Deutschland, vom Zukunftsort Europa. Wer diese Geschichte gut und glaubhaft ausbuchstabieren kann, kann auch Nachrichten, die aus Washington, London oder Rom kommen, viel von ihrem Schrecken nehmen.

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