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Auch am Wochenende demonstrierten Staatsbedienstete in Athen erneut gegen die Sparpläne der griechischen Regierung.

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Schulden: Euro-Länder gegen neue Strafen

Euro-Staaten, die notorisch die Defizitregeln der EU verletzen, müssen auch künftig keine automatischen Geldstrafen befürchten. Entsprechende Pläne von EU-Wirtschaftskommissar Olli Rehn stießen bei den Mitgliedstaaten auf breiten Widerstand, heißt es in diplomatischen Kreisen in Brüssel.

Rehn hatte vorgeschlagen, dass Strafen automatisch greifen, wenn ein Euro-Staat wiederholt die Haushaltsregeln der Währungsunion verletzt. Der EU-Finanzministerrat hätte dann kein Mitspracherecht mehr über mögliche Strafen. „Darauf will sich kein Minister einlassen“, heißt es in EU-Kreisen. Rehn habe nur die Europäische Zentralbank (EZB) auf seiner Seite, die zum Strafautomatismus einen detaillierten Vorschlag angekündigt habe. Die EU-Regierungschefs hatten im März beschlossen, die Haushaltsregeln des Stabilitätspakts zu verschärfen und zogen damit die Konsequenz aus der Euro-Schuldenkrise. Dem Pakt zufolge darf das Staatsdefizit den Grenzwert von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) nicht überschreiten. Der gesamte Schuldenstand darf maximal 60 Prozent des BIP betragen. Alle Euro-Staaten verstoßen derzeit gegen diese Regeln. Eine von EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy geleitete Task Force soll nun Vorschläge für die Reform des Stabilitätspakts ausarbeiten. Die Task Force, der die EU-Finanzminister angehören, kommt am heutigen Montagabend in Luxemburg zu Beratungen zusammen. Statt automatischer Strafen wird nun immerhin erwogen, die Sanktionsverfahren gegen Defizitsünder zu beschleunigen. Dazu liegen mehrere Ideen auf dem Tisch. Zum einen geht es dabei um die Rolle des EU-Wirtschaftskommissars innerhalb seiner Behörde. Wenn Rehn Sanktionen verhängen will, benötigt er dafür erst einmal die Billigung der anderen EU-Kommissare. In der Vergangenheit seien Sanktionen gegen Griechenland daran womöglich schon gescheitert, hieß es in Brüssel. Rehn solle deshalb hier ein alleiniges Vorschlagsrecht erhalten – ein in der EU-Kommission sehr seltenes Privileg. Rehn würde dann immer noch die Zustimmung des EU-Finanzministerrates (Ecofin) benötigen, um Sanktionen durchzusetzen. Im Ecofin-Rat könne man allerdings die Abstimmungsregeln ändern. Künftig solle eine einfache Mehrheit genügen, statt der bislang benötigten qualifizierten Mehrheit. In den Beratungen der Task Force geht es auch darum, wie die Euro-Zone Schuldenkrisen künftig von vornherein verhindern kann. Der EU-Wirtschaftskommissar verlangt, dass die Euro-Staaten ihre Haushaltspläne deutlich früher als bisher in Brüssel vorlegen. „Nur so können wir frühzeitig erkennen, wo die Schulden aus dem Ruder zu laufen drohen“, heißt es in Kommissionskreisen. Dieser Vorstoß Rehns finde bei den Finanzministern erstaunlich viel Verständnis, sagte ein EU-Diplomat. Die meisten Minister seien bereit, bereits im Frühling ihre Stabilitätsprogramme mit den wichtigsten Haushaltsdaten für das darauffolgende Jahr in Brüssel abzuliefern. Umstritten sei allerdings der Umfang der in den Programmen enthaltenen Informationen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hatte darüber hinaus gefordert, die Stabilitätsprogramme von einer unabhängigen Instanz prüfen zu lassen. Denkbar sei für diese Aufgabe zum Beispiel die Europäische Zentralbank. Mit diesem Vorstoß sei der deutsche Finanzminister allerdings auf breiter Front aufgelaufen, hieß es in Brüssel. Frankreich, die Südeuropäer und die Europäische Kommission seien strikt dagegen.

Ruth Berschens

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