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Nervöser Handel. Nach einem Einbruch um mehr als sieben Prozent rettete sich der Dax am Dienstag zeitweise ins Plus.

© dapd

Schuldenkrise: Aktienhändler hoffen auf die Notenbanken

Fondsmanager und Aktienhändler stehen nach zehn Minustagen unter extremer Anspannung – und sie hoffen auf die Notenbanken.

Berlin - Bei 5502 Punkten fand der Dax endlich Halt. Am Dienstagmorgen, kurz nach halb elf Uhr, hatte der Deutsche Aktienindex 7,1 Prozent im Vergleich zum Schlusskurs am Montag verloren. Mehr als genug für einen rabenschwarzen Börsentag. Dabei war es schon das zehnte Minus in einer Kette dramatischer Kurseinbrüche seit dem 27. Juli. „Das ist die größte Verlustserie seit 1978“, fasste Lutz Röhmeyer, Direktor im Fondsmanagement der Berliner LBB Invest, die dramatischen Tage zusammen. Ein Viertel seines Wertes hat der deutsche Leitindex schon eingebüßt – so hart traf es ihn zuletzt nach der Lehman-Pleite, am Vorabend der Finanz- und Wirtschaftskrise.

Stunden vergingen am Dienstag, bis der Dax wieder Tritt fasste. Er schloss bei 5917 Punkten – ein kleines Minus von 0,1 Prozent. Die Aussicht auf eine Erholung der US-Börse hatte auch in Europa Aktienanleger wieder aufs Parkett gelockt. Tatsächlich startete die Wall Street im Plus, nachdem sie am Vorabend den tiefsten Absturz seit drei Jahren (minus 5,6 Prozent) erlebt hatte. Der Dow-Jones-Index schloss mit Aufschlägen von vier Prozent auf 11 239 Punkten. Getragen wurde er von der Hoffnung, US-Notenbankchef Ben Bernanke werde am Abend ein neues Ankaufprogramm für US-Staatsanleihen präsentieren – was nicht geschah.

Aktienfondsmanager Röhmeyer beschrieb die vergangenen Tage wie eine Talfahrt ohne Bremse. „Es gab einfach keine Möglichkeit auszusteigen.“ Kein Tag, an dem die Aktienkurse sich erholten. Kein Tag, an dem Anleger zur Besinnung kommen konnten. Allein automatische Verkaufskurse (stopp loss) zeigten Wirkung. Doch wohin mit dem frei werdenden Geld? Während der Markt immer schneller abwärts raste, „gingen einige Gewissheiten über Bord“, sagte Röhmeyer. Zum Beispiel diese: Wem Aktien zu riskant sind, der kauft besser Staatsanleihen. So einfach ist es nicht mehr. Die Schuldenkrise in der Eurozone und in den USA nimmt Anlegern wichtige Investmentalternativen. Doch Profis sehen darin auch einen heilsamen Lernprozess. Röhmeyer zitierte den größten Vermögensverwalter der Welt, den US-Konzern Pimco, der von „new normal“, einer neuen Normalität, gesprochen hatte: die Erkenntnis, dass Staaten Pleite gehen, Top-Bewertungen hinfällig werden, Sicherheiten abhanden kommen können. „Das ist kein Paradigmenwechsel, aber wir müssen wohl unser Bewertungssystem an den Märkten ändern“, sagte Röhmeyer. Er bleibt berufstypisch Optimist: Genauso schnell, wie es mit Dax und Dow Jones nach unten gegangen sei, werde es auch wieder nach oben gehen. „Die alten Höchststände werden wir aber so schnell nicht wiedersehen.“ Erst Ende dieses Jahres sieht der Fondsmanager den Dax wieder bei 7000 Punkten – gemessen am aktuellen Stand wäre das immerhin ein Plus von fast 20 Prozent.

Die Meinungen in der Branche gehen weit auseinander. Deutsche-Bank-Analyst Lars Slomka rechnete aus, dass der jüngste Kurssturz im Dax einen Rückgang der Unternehmensgewinne um mehr als 25 Prozent im kommenden Jahr bedeute. Das hält Slomka für übertrieben. Tim Albrecht von DWS Investments glaubt dennoch nicht, dass der Zeitpunkt zum Einstieg schon gekommen ist. „Ich würde eher sagen, wir sind in einer Haltephase. Denn die anhaltend hohe Unsicherheit birgt nach wie vor deutliche Risiken“, sagte er. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Politik eine angemessene Lösung für die Probleme finde, sieht er bei 50 Prozent. Dies sei eine Voraussetzung für eine Erholung der Börsen.

Dass viele Investoren noch unsicher sind und mit Aktienkäufen warten, zeigte sich am Dienstag erneut am Rohstoffmarkt. Gold, seit Wochen ein gefragter sicherer Hafen, verteuerte sich abermals um bis zu 3,4 Prozent auf 1779 Dollar je Feinunze. Im Handelsverlauf gaben die Notierungen wieder nach. Der Preis für Rohöl sackte wegen der verbreiteten Rezessionsangst erstmals seit Ende Januar unter die Marke von 100 Dollar je Barrel, später stieg er wieder auf 104 Dollar.

Die Europäische Zentralbank glättete unterdessen auch am Dienstag die Wogen am Anleihemarkt. Sie kaufte nach Angaben von Händlern weiter italienische und spanische Staatsanleihen und sorgte so dafür, dass deren Renditen deutlich nachgaben und sich knapp über fünf Prozent stabilisierten. Und Frankreich, um dessen Bestnote AAA für die Kreditwürdigkeit nun ebenfalls spekuliert wird, sagte eine strenge Haushaltsdisziplin zu, um sein Rating zu behalten. Unter den Euro-Ländern mit AAA-Rating hat Frankreich das höchste Defizit.mit dpa

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