zum Hauptinhalt
Hans-Werner Sinn

© Kai-Uwe Heinrich

Schuldenkrise: "Das Rettungspaket schadet Deutschland"

Ifo-Chef Hans-Werner Sinn befürchtet, dass die Milliarden für Schuldenstaaten die Konjunktur in der Bundesrepublik bremsen. Der Ökonom widerspricht der These, dass sich die Finanzkrise ohne Rettungspaket verschärft hätte.

Berlin - Es ist das Wort der Stunde. „Alternativlos“ sei das Euro-Rettungspaket, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel. Ebenso sieht es ihr wichtigster Krisenmanager, Finanzminister Wolfgang Schäuble. Die 750 Milliarden, über die der Bundestag an diesem Freitag abstimmt, seien nötig, „wenn man den Euro als stabile Währung verteidigen will“.

Auf die Zustimmung der Opposition im Bundestag kann die Regierung allerdings nicht zählen. SPD und Grüne knüpfen ihre Zustimmung an ein klares Bekenntnis zur Einführung einer Finanztransaktionssteuer. Die SPD will sich enthalten, die Linkspartei dagegen stimmen. Der CSU-Abgeordnete Peter Gauweiler kündigte eine Verfassungsklage an. Trotzdem gilt die Mehrheit der Koalition als sicher.

Unterstützung bekommen die Kritiker jetzt aber von Hans-Werner Sinn. „Der Rettungsschirm ist für Deutschland ein unkalkulierbares Abenteuer und eine sichere Wachstumsbremse“, sagte der Chef des Münchner Ifo-Instituts am Donnerstag. Der deutsche Anteil von bis zu 148 Milliarden Euro berge nicht nur ein Haushaltsrisiko und die Gefahr steigender Zinsen. Es verhindere auch Investitionen in Deutschland – und schade letztlich dem Wirtschaftswachstum. Sinn widerspricht der These, dass sich die Finanzkrise ohne Rettungspaket verschärft hätte. „Nicht der Euro, sondern die Fähigkeit der Schuldenländer, sich günstig zu finanzieren, war gefährdet“, schreibt der Ökonom in einer Studie. Seit dem Start der Währungsunion sei das Zinsniveau vieler Länder auf dem Kontinent deutlich zurückgegangen – ein Anschubprogramm für die Konjunktur. Dieser Vorteil ging in den vergangenen Wochen verloren. „Das und nichts anderes war der Grund für die Alarmstimmung der Schuldenländer“, sagt Sinn. Sowohl hinsichtlich des Wechselkurses als auch der Inflation habe indes keine Gefahr für den Euro bestanden. Sinn bestreitet, dass es „ein Komplott von Spekulanten“ gegeben habe. Deren Einfluss sei zu gering – allein die Angst vor unsoliden Staatsfinanzen habe die Anleger „zu einer Neubewertung ihrer Risiken“, also zur Flucht aus Griechen-Anleihen, bewogen. Dies sei eine „natürliche Entwicklung“ gewesen.

Mit womöglich schlimmen Folgen. Eine Neujustierung des Zinsniveaus in Europa sei durch das Rettungspaket verhindert worden, dank der niedrigeren Zinsen könnten sich Defizitländer wieder billiger verschulden, „mit äußerst problematischen Auswirkungen für die Wachstumsdynamik unseres Landes“.

Die hat seiner Ansicht nach unter dem deutschen Kapitalexport der vergangenen Jahre gelitten. „Deutschland exportiert seine Ersparnisse, anstatt sie in Kredite für die inländische Wirtschaft umzusetzen.“ 2008 seien 60 Prozent der laufenden Ersparnisse ins Ausland geflossen.

Dies wird sich Sinn zufolge nun fortsetzen. „Deutschland verhilft seinen Konkurrenten am Kapitalmarkt mit seiner Bürgschaft wieder zu frischem deutschem Sparkapital, das sonst zur Finanzierung von Neubauten oder Ausrüstungsinvestitionen in Deutschland verwendet worden wäre.“ Nun wachse die „Schuldenblase“ weiter, „es steigt die Gefahr, dass diese Blase eines Tages mit einem noch viel größeren Knall zerplatzt, als er durch einen Konkurs Griechenlands hervorgerufen worden wäre“. Eine Umschuldung wäre die bessere Alternative gewesen.

Andere Ökonomen teilen diese Einschätzung nicht. „Rettet man Griechenland nicht, gibt es eine Krise Lehman 2.0“, sagte der US-Ökonom Michael Burda von der Humboldt-Universität. Nicht nur die voll oder zum Teil verstaatlichten Institute HRE und Commerzbank müssten dann vom Staat gerettet werden, womöglich auch der US-Versicherungsriese AIG. Dann könne die Krise außer Kontrolle geraten. „Bei einer Pleite Griechenlands wäre die gesamte Peripherie vom Kapitalmarkt abgeschnitten gewesen“, befand Uwe Angenendt, Chefökonom der BHF-Bank.

„Das Rettungspaket ist im Interesse der deutschen Sparer und der Wirtschaft“, sagte Volker Treier, Chefvolkswirt des Deutschen Industrie- und Handelskammertages. Der Euro habe zudem nicht nur die Zinsen in anderen Ländern gedrückt, sondern auch die deutsche Wettbewerbsfähigkeit gesteigert. „Ohne das Gemeinschaftsgeld hätten andere Länder ihre Währungen permanent abgewertet, das hätte dem deutschen Export schwer geschadet.“ Wichtig sei nun, entschiedene Schuldenregeln für die EU zu verabschieden, um die Staatsfinanzen in Zukunft in den Griff zu bekommen.

Zur Startseite