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Schuldenkrise: Griechenland-Hilfe: Unfreiwillig freiwillig

Private Gläubiger sollen beim neuen Hilfspaket für Griechenland in die Pflicht genommen werden. Aber nur, wenn sie wollen. Kann das funktionieren?

Die Uhr tickt. Noch vier Wochen, dann bricht in Griechenland das Chaos aus. Zumindest, wenn Athen bis dahin kein frisches Geld bekommt - zwölf Milliarden Euro sind nötig, um den Bankrott abzuwenden. Die Euro-Staaten, die Europäische Zentralbank (EZB) und der Internationale Währungsfonds (IWF) wollen aber nur zahlen, wenn sich das griechische Parlament möglichst geschlossen zu weiteren Einsparungen und Privatisierungen bekennt. Und wenn sich die Banken, Fonds und Versicherungen, die Griechenland Geld geliehen haben, an einem neuen Hilfspaket beteiligen. "Das ist ein Drahtseilakt", beklagte sich am Montag ein einflussreicher Bankmanager. Die Branche malt das Szenario einer neuen Finanzkrise an die Wand, sollte die Politik die falschen Entscheidungen treffen.

Was wurde beschlossen?

Vor allem Deutschland wollte die Finanzbranche verpflichten, sich an neuen Lasten zu beteiligen. Von dieser Forderung ist Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vergangenen Freitag abgerückt, als sie sich mit Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy traf. Zwar verlange man einen substanziellen Beitrag der Institute, allerdings nur auf freiwilliger Basis, erklärten die Politiker. Damit setzten sich die Franzosen durch, die zu starke Lasten für ihren Finanzsektor fürchten.

Auf diese Linie einigten sich auch die Euro-Finanzminister in der Nacht zum Montag. "Es darf keinerlei Druck auf den Privatsektor ausgeübt werden", sagte Jean-Claude Juncker, Chef der Euro-Gruppe. Man strebe an, dass die Banken ihre Anleihen verlängern, sobald sie ausgelaufen sind - es geht also um einen Zahlungsaufschub, eine sanfte Umschuldung. Dabei soll auf Banken und Versicherungen aber kein Druck ausgeübt werden, neue Bonds zu zeichnen.

Grund für den Eiertanz: Setzt die Politik die Finanzbranche zu stark unter Druck, werten die Ratingagenturen dies womöglich doch als Staatspleite. Mit weitreichenden Folgen: Kreditausfallversicherungen in Milliardenhöhe würden fällig, die griechischen Staatsanleihen in den Büchern der Banken würden auf einen Schlag einen Großteil ihres Wertes verlieren, die griechischen Banken würden zusammenbrechen. Denn sie finanzieren sich, indem sie der EZB Staatspapiere als Pfand überlassen. Minderwertige Anleihen darf die Notenbank ihren Regeln zufolge aber nicht akzeptieren. "Das ist eine tricky Kiste", sagte ein Frankfurter Spitzenbanker angesichts der komplexen Lage.

Es gibt ein weiteres Problem: Die EZB hat seit einem Jahr im großen Stil Staatspapiere Griechenlands gekauft und ist einer der größten Gläubiger Athens. Wäre die Bank verpflichtet, sich an der Sanierung zu beteiligen, geriete sie in arge Probleme und bräuchte womöglich neues Kapital.

Gleichwohl haben vor allem die Deutschen ein Interesse daran, nicht nur die Bürger, sondern auch die Banken einzubinden. "Es wäre nicht verantwortbar, dass wir zulasten der europäischen Steuerzahler die Privatgläubiger völlig von ihrem Risiko freistellen", befand Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).

Wie soll das Konzept der Freiwilligkeit funktionieren, zugleich aber genügend Geld zusammenkommen?

Das ist noch völlig offen. Schäuble ermahnte die Banken, auch sie müssten daran interessiert sein, dass Griechenland nicht zahlungsunfähig werde, eine dramatische Zuspitzung der Lage würde alle treffen. Im Blick haben die Finanzminister die sogenannte "Wiener Initiative". Dabei hatten sich österreichische Banken vor einigen Jahren bereiterklärt, fällige Anleihen osteuropäischer Staaten in neue Papiere umzutauschen, um die Länder in der Finanzkrise zu stützen.

Die Frage ist allerdings, wie viele Institute sich an einer solchen Aktion beteiligen. Das zweite Hilfspaket soll sich auf bis zu 120 Milliarden Euro summieren, 30 Milliarden waren vom Privatsektor eingeplant. In Branchenkreisen war dagegen nur von einem mittleren einstelligen Milliardenbetrag die Rede. Klare Bekenntnisse gab es am Montag nicht - nur Forderungen: Der Verband der privaten Banken verlangte Anreize, damit die Institute neue Anleihen aus Athen kaufen. Michael Kemmer, dem Hauptgeschäftsführer des Verbandes, schwebt eine bessere Bonität der neuen Papiere vor - durch "gewisse Sicherheiten", sprich Staatsgarantien für den Pleitefall. Möglich wäre auch, dass die neuen Anleihen einen Vorrang vor anderen Schuldtiteln Griechenlands bekommen. hieß es in der Branche. In beiden Fällen wäre am Ende aber wieder der Steuerzahler im Spiel, sollten die Anlagen tatsächlich ausfallen. Es gehe nicht anders, sagte ein Banker - würden die Manager wirtschaftlich fragwürdige Anleihen kaufen, liefen sie Gefahr, von ihren Aktionären verklagt zu werden, weil sie vorsätzlich das Vermögen ihrer Unternehmen geschädigt haben.

Wissenschaftler halten es für denkbar, dass die Politik auch ohne Lockmittel einen Beitrag der Banken einfordern kann. "Es kann sein, dass Schäuble die Großbanken zu sich bittet und einen Schwur abfordert", sagte Mark Wahrenburg, Banken-Professor an der Uni Frankfurt am Main. Sanfter Druck könne den Minister ans Ziel bringen, denn: "Keine Bank möchte isoliert dastehen und einen Streit mit dem Finanzminister anzetteln - die Banken sind auf gute Beziehungen zum Bundesfinanzministerium angewiesen, denn es übt die Fachaufsicht über die Bankenaufsicht aus." Fraglich wäre dennoch, ob sich ausländische Institute in die Pflicht nehmen lassen - etwa die Hypo-Vereinsbank, die zur italienischen Unicredit gehört. "Es läuft wohl darauf hinaus, dass sich keiner von griechischen Papieren trennt", sagte ein Top-Banker.

Warum werden die Steuerzahler in die Pflicht genommen und die Banken dürfen frei entscheiden?

Maximal 190 Milliarden Euro könnte die Deutschen die Rettung ihrer Währung kosten. 22 Milliarden Euro Bareinlagen und 168 Milliarden Euro Garantien steuert die Bundesrepublik zum neuen Europäischen Stabilisierungsmechanismus ab 2013 zu. Da findet es die Politik nur recht und billig, auch die Finanzbranche an den Lasten zu beteiligen - einerseits.

Andererseits erinnern sich viele Staatslenker mit Unbehagen an die Finanzkrise. Nur mit knapper Not entging Deutschland auf dem Höhepunkt 2008 einem Run auf die Banken und einem Zusammenbruch des Zahlungssystems. Im schlimmsten Fall könnte eine unkontrollierte Pleite Griechenlands zu einem ähnlichen Szenario führen. Darauf verwies am Montag noch einmal der IWF. Die Schuldenkrise könne nicht nur den eigentlich guten ökonomischen Ausblick in der Eurozone selbst deutlich eintrüben, schrieben die Experten, sondern auch negativ auf die auf die Weltwirtschaft ausstrahlen.

Deswegen scheut die Politik eine zu starke Einbindung des Privatsektors - und nimmt lieber den Unmut der Bürger in Kauf, die erneut das höchste Risiko eines Zahlungsausfalls schultern müssen. Denn es geht nicht nur um Griechenland: Sollte Athen fallen, könnte es auch andere Euro-Länder wie Portugal, Spanien, Belgien und Italien treffen. Das wäre das Ende der Währungsunion, weil niemand genügend Geld aufbringen kann, um auch diese Staaten zu retten.

Am Ende ist es für die Banken ein Rechenexempel. Die deutschen und die französischen Institute gehören zwar zu den größten Geldgebern Griechenlands. Einen Zahlungsausfall des Landes würden viele von ihnen dennoch überstehen, ohne beim Staat um Finanzhilfe betteln zu müssen - etwa die Deutsche Bank mit ihren Rekordgewinnen. Probleme dürften vor allem Institute bekommen, an denen der Staat beteiligt ist - die Commerzbank, die Landesbank Baden-Württemberg oder die staatlichen Bad Banks der Institute Hypo Real Estate und WestLB.

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