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Wirtschaft: „Schutz für den Steuerzahler“

Gläubiger und Eigentümer sollen in Zukunft für strauchelnde Banken haften.

Der irische Finanzminister Michael Noonan hat das Gesetz, das er als EU-Ratsvorsitzender in der Nacht zu Donnerstag mit seinen europäischen Amtskollegen erfolgreich verhandelt hat, vor zwei Jahren wahrscheinlich selbst am meisten herbeigesehnt. Es war im Frühjahr 2011, als Milliarden Euro für die von der Vorgängerregierung abgegebene Bankengarantie fällig wurden. „Wir haben mit der Europäischen Zentralbank gesprochen, ob wir auch die Gläubiger unserer kaputten Banken stärker heranziehen können“, sagte Noonan, „aber es gab keine Rechtsgrundlage dafür.“

Jetzt wird es sie geben. Denn nach dem Europaparlament hat mit der Finanzministerrunde auch der zweite EU-Gesetzgeber eine klare Haftungsabfolge festgelegt. Sie bittet nicht mehr die öffentliche Hand zur Kasse, sondern grundsätzlich zuerst die Eigentümer und Gläubiger. „Der Steuerzahler wird geschützt“, erklärte Noonan nach der zweiten Verhandlungsnacht in nur fünf Tagen, „das ist eine Revolution der Art und Weise, wie Banken in der Europäischen Union behandelt werden.“

Die EU-Richtlinie, die nach den Verhandlungen mit dem Parlament 2015 in Kraft treten und 2018 ihre volle Wirkung entfalten soll, dient nicht zuletzt der Vorsorge. Alle Banken müssen künftig Pläne für ihre eigene Abwicklung in der Schublade haben und diese auch ihren Aufsehern übermitteln. Geldinstitute können schon in Schieflage von außen ein neues Management verpasst bekommen. „Es ist immer billiger, etwas zu verhindern, als es zu reparieren“, so EU-Kommissar Michel Barnier, der den Gesetzentwurf 2011 eingebracht hatte: „Wenn man aber eingreifen muss, ist es besser, dies geschieht nach Regeln, die schon im Vorfeld allen bekannt sind.“

Umstritten war bis zuletzt, wie flexibel nationale Aufsichtsbehörden sein dürfen, wenn es um die Aufteilung der Verluste geht. In deutschen Regierungskreisen wurde es als Erfolg gefeiert, dass diese Ausnahmen vom Grundsatz der Gläubigerhaftung „klar limitiert“ sind.

So müssen künftig in einem ersten Schritt bis zu acht Prozent der Bilanzsumme einer Bank von Eignern, Aktionären oder Gläubigern aufgewendet werden. Diese müssten also – nimmt man etwa den Fall der Commerzbank, die 2008 eine Bilanzsumme von rund einer Billion Euro aufwies – bis zu 80 Milliarden Euro beisteuern. Der deutsche Steuerzahler, der damals mit insgesamt 18 Milliarden Euro haften musste, wäre unter den neuen Regeln also überhaupt nicht belangt worden.

In einem zweiten Schritt sieht die Einigung vor, dass weitere Verluste in Höhe von bis zu fünf Prozent der Bilanzsumme der Pleitebank auf die Finanzbranche umgelegt werden. Die Banken werden daher verpflichtet, in nationale Abwicklungsfonds einzuzahlen. Diese sollen in zehn Jahren gefüllt werden – im Topf soll sich dann eine Summe befinden, die 0,8 Prozent aller gesicherten Einlagen bis 100 000 Euro entspricht. In Deutschland sind das etwa 1,7 Billionen Euro. 0,8 Prozent davon wären 13,6 Milliarden Euro.

Solange die Banken ihre Krisenfonds jedoch noch nicht gefüllt haben, bleibt die öffentliche Hand teilweise in der Verantwortung. Die Regierung des jeweiligen Landes müsste dem Bankenfonds Geld leihen, das im Falle eigener Knappheit vom Rettungsschirm ESM kommen müsste. Dieser EU-Staat müsste dafür bestimmte Auflagen erfüllen.

Erst bei Verlusten, die über diese 13 Prozent der Bilanzsumme einer Pleitebank hinausgehen, erhalten die nationalen Aufsichtsbehörden Flexibilität. Sie können dann entscheiden, ob sie Verluste an den Steuerzahler weiterreichen oder bestimmte Guthaben bei einer Bank auflösen oder teilweise heranziehen.

Erklärtes Ziel ist eine Einigung zwischen Ministerrat und Parlament bis Jahresende. Hauptknackpunkt dürften die Beträge sein, die die Bankenbranche beisteuert. Dem SPD-Europaabgeordneten Peter Simon sind sie zu gering. Das Parlament fordert, dass sowohl Abwicklungsfonds wie auch Einlagensicherungsfonds jeweils 1,5 Prozent der Summe der gesicherten Einlagen ausmachen – zusammen also drei Prozent. Die EU-Finanzminister verlangen nur die Hälfte. Das sei zu wenig, argumentiert Simon, so bleibe es bei der „Bankenrettung mit vorprogrammierter Selbstbeteiligung des Steuerzahlers“. In der Bundesregierung wird das ähnlich gesehen – weshalb sie nun auf das Europaparlament setzt.

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