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Wirtschaft: Schwarz-Rot will bei den Medikamenten sparen

Kabinett billigt Gesetzentwurf - Patienten müssen nach Ansicht der Pharmaindustrie mehr zahlen

Berlin – Die Bundesregierung hat ein Arzneimittel-Sparpaket auf den Weg gebracht, mit dem die gesetzlichen Krankenkassen im nächsten Jahr um eine Milliarde Euro entlastet werden sollen. Die Gesetzesänderungen, die das Kabinett am Mittwoch billigte und die im April 2006 in Kraft treten sollen, könnten nach Ansicht der forschenden Pharmaindustrie zu steigenden Belastungen für die Patienten führen. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte, die deutlich steigenden Arzneimittelausgaben müssten eingedämmt werden, damit die Krankenkassenbeiträge stabil bleiben können.

Die Versicherten müssen sich dann auf zusätzliche Zuzahlungen einstellen, wenn die Pharmafirmen ihre Preise im nächsten Jahr nicht deutlich senken. Die Krankenkassen erstatten für zahlreiche Arzneien innerhalb einer Gruppe mit vergleichbaren Wirkstoffen nur eine bestimmte Summe – den so genannten Festbetrag. Diese Obergrenzen will der Gesetzgeber nun weiter absenken. Setzt der Hersteller den Preis für ein Medikament höher an und macht die Preissenkung nicht mit, so muss der Versicherte die Differenz aus eigener Tasche zahlen. Diese Zuzahlung bleibt nur dann erspart, wenn die Krankenkasse mit dem Hersteller einen speziellen Rabattvertrag abschließt.

Seit vergangenem Jahr fallen erstmals auch patentgeschützte Medikamente unter die Festbeträge. Der Pharmakonzern Pfizer weigerte sich, für seinen Blutfettsenker Sortis den Preis zu senken, hatte mit einer Klage gegen die Regelung jedoch keinen Erfolg. Der monatelange Protest der forschenden Arzneimittelhersteller blieb allerdings nicht ohne Wirkung: SPD und Union verständigten sich nun darauf, künftig großzügiger zu prüfen, ob ein Medikament als echte Innovation gilt – und damit nicht unter die Festbeträge fällt. Der Vorsitzende des Bundesverbands der Betriebskrankenkassen (BKK), Wolfgang Schmeinck, fürchtet, dadurch könne die Versorgung der Patienten eingeschränkt werden.

Der Verband der forschenden Arzneimittelhersteller (VfA) begrüßt die Änderungen hingegen. „Es ist grundsätzlich ein positives Signal, wenn Therapieverbesserungen durch Arzneimittel auch entsprechend honoriert werden sollen“, sagte Hauptgeschäftsführerin Cornelia Yzer dem Tagesspiegel. Sie sei aber skeptisch, ob die neugefasste Klausel ausreichend wirken werde, weil es viele Unklarheiten in den Gesetzesformulierungen gebe.

Zu den Einsparungen, die sich nach Berechnungen des Gesundheitsministeriums auf 1,3 Milliarden Euro pro Jahr belaufen werden, sollen auch die Generikafirmen beitragen. Die Hersteller von meist günstigeren Nachahmerpräparaten dürfen demnächst Apothekern keine Naturalrabatte mehr gewähren und müssen damit auf ein zentrales Marketinginstrument verzichten. Wenn ein Apotheker eine Mindestmenge bestellte, konnte er bisher mit Gratispackungen rechnen.

Für Arzneimittel, die nicht unter Patentschutz fallen, soll es außerdem einen Abschlag von zehn Prozent beim Preis geben. Hermann Hofmann, Geschäftsführer beim Verband Pro Generika, kritisierte die Belastungen. „Das trifft ausgerechnet die Anbieter preiswerter Medikamente, die im Unterschied zu den Kostentreibern in der Branche bestraft werden“, sagte er dem Tagesspiegel. Für verschreibungspflichtige Arzneien gilt außerdem ein zweijähriger Preisstopp, der bis Ende März 2008 wirken soll.

Die große Koalition plant zudem, Ärzte künftig stärker in die Pflicht zu nehmen, dass sie wirtschaftlich verordnen. Wenn ein Mediziner seinen Patienten viele und teure Pillen verschreibt, soll er finanziell bestraft werden können. Ist ein Kassenarzt sparsam, so kann die Kassenärztliche Vereinigung ihm einen Bonus gewähren. Die Ausgaben in den einzelnen Bundesländern unterscheiden sich deutlich: Während die Kassen im Juli 2005 in Mecklenburg-Vorpommern für Medikamente gut 257 Euro pro Versicherten zahlen, sind es in Schleswig-Holstein knapp 198 Euro.

Insgesamt soll das Arzneimittel-Sparpaket mit 1,3 Milliarden Euro etwa 700 Millionen pro Jahr weniger bringen, als Gesundheitsministerin Ulla Schmidt zunächst geplant hatte. Ihr erster Entwurf war auf Widerspruch in der Union gestoßen. Schmidt wollte den Preisstopp bis Ende 2008 durchsetzen. Außerdem wollte sie den Unternehmen untersagen, die Mehrwertsteuererhöhung 2007 auf die Preise umzulegen. Das hätte die Branche mit rund 700 Millionen Euro belastet.

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