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BP lügt. Das sagen jedenfalls Demonstranten in den USA. Nachhaltigkeitsfonds gehen weniger kritisch mit dem Ölkonzern um.Foto: AFP

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Wirtschaft: Schwarz statt grün

Viele Nachhaltigkeitsfonds halten trotz des Ölunglücks Aktien des Mineralölkonzerns BP im Portfolio

Frankfurt am Main - Die Weltöffentlichkeit beobachtet am Bildschirm gebannt die Folgen der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko: Die Tier- und Pflanzenwelt stirbt, Fischer bangen um ihre Existenz, Strände werden zu Schlammwüsten. Verantwortlich für das Desaster ist der Ölkonzern BP, der das auch freimütig einräumt.

Der ein oder andere Fondsmanager allerdings scheint kein Fernsehen zu schauen. Wie sonst lässt sich erklären, dass sich die Aktie von BP nach wie vor in vielen Nachhaltigkeitsfonds findet – als würde es die schlimmste Umweltkatastrophe in den Weltmeeren seit Generationen gar nicht geben?

Beispiel Dexia: Die Bankengruppe unterhält gleich mehrere Nachhaltigkeitsfonds mit BP-Anteilen. Konsequenzen hat sie bisher nicht gezogen. Die Gesellschaft arbeite an einem „Update“ für den europäischen Energiesektor, im Juni solle es so weit sein, kündigt Laurent Milliat, Nachhaltigkeitsanalyst von Dexia Asset Management, vage an. „Wenn das fertig ist, werden wir entscheiden, ob wir die BP-Aktie auf unserer Nachhaltigkeitsliste behalten oder sie ausschließen.“

Ähnlich fällt die Bewertung der Schweizer Privatbank Pictet aus, die sich als Marktführer bei „nachhaltigen Themenfonds“ mit einem Volumen von insgesamt mehr als drei Milliarden Euro sieht. BP sei im Urteil vieler Nachhaltigkeitsanalysten im Vergleich zu anderen Firmen des Ölsektors immer überdurchschnittlich gut bewertet worden, sagt Pictet-Experte Christoph Butz. „Aus diesem Grund sind wir noch mit knapp drei Prozent in BP investiert.“ Auch im Fondsmanagement von BNP Investment Partners gibt man sich selbst angesichts Millionen Litern ins Meer fließenden Öls entspannt: „Unsere Entscheidungen sind eher langfristig angelegt“, sagt ein Manager des französischen Investmenthauses.

Dexia, Pictet und andere Gesellschaften sind nur die Spitze des Eisbergs. Allein unter den Nachhaltigkeitsfonds mit einer mindestens zweistelligen Millionensumme als Anlagevolumen haben zehn Fondsmanager BP noch nicht aussortiert. Ihr Verhalten wirft einen Schatten auf die gesamte Nachhaltigkeitsbranche, die in den vergangenen Jahren einen regelrechten Boom erlebte. Nach Angaben des Branchenverbandes Eurosif werden inzwischen allein in Europa rund 2,7 Billionen Euro im Sinne „nachhaltiger Ansätze“ verwaltet.

Nachhaltige Portfolios sollen eigentlich nur Aktien von Firmen aufnehmen, die umweltschonend und sozial verantwortlich handeln. Doch einige Anlagehäuser relativieren diese Firmenbewertung: Sie nehmen Unternehmen in ihre grünen und sozialen Portfolios, die im Vergleich zu anderen Firmen innerhalb ihrer Branche die Nachhaltigkeitskriterien am besten erfüllen. „Best in class“ lautet diese Strategie im Finanzjargon. Sie hat zur Folge, dass selbst ein Schluderer als Klassenbester glänzen kann, wenn nur Schmutzfinken in der Klasse sitzen. BP galt in diesem Sinne bisher als nachhaltigster Ölkonzern – ungeachtet einer defekten BP-Pipeline, die 2006 in Alaska große Umweltschäden verursacht hatte.

Nachhaltigkeitsfonds, die strenger urteilen, bringen solche Bewertungsmethoden auf die Palme. „Der Raubbau fossiler Ressourcen ist absolut nicht nachhaltig“, sagt Pascal Schuler, Manager des nachhaltigen Fonds der Firma Swisscanto. „Die aktuelle Umweltkatastrophe zeigt lediglich besonders krass, welche enormen, bisher unterschätzten Risiken diese Art der Ölförderung hat.“ Darum wolle sein Unternehmen grundsätzlich nichts mit der Gewinnung fossiler Energieträger zu tun haben. „Wir haben den gesamten fossilen Energiesektor ausgeschlossen“, sagt auch Horst Hamm, Sprecher des Ausschusses für den Natur-Aktien-Index. „BP erzielt praktisch seinen gesamten Umsatz im Ölbereich“, sagt er. „Und Öl ist für uns grundsätzlich nicht nachhaltig.“HB

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Ingo Narat

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