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Schweinegrippe: Ist der Welthandel bedroht?

Krankheiten wie die Schweinegrippe können die Weltwirtschaft kurz und hart treffen. Wie gravierend der Schaden diesmal sein wird, ist noch ungewiss.

Es mag zynisch klingen, über die Auswirkungen einer Grippewelle auf die Weltwirtschaft zu spekulieren, während Menschen sterben. Dennoch geht eine Angst an den Börsen der Welt um: Könnte eine Grippe-Pandemie, ausgelöst durch das Influenza-Virus A/H1N1, die ohnehin von der Finanzkrise getroffene Weltwirtschaft weiter hinabziehen?

Eine These lautet: Sie kann, wenn auch nur kurz. "Pandemien können erhebliche Auswirkungen auf die Wirtschaft haben – aber nicht auf Dauer", sagt Boris Augurzky, Gesundheitsfachmann des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung in Essen. Der Ökonom hat untersucht, wie groß die wirtschaftlichen Schäden waren, die vergangene Pandemien verursacht haben. Sein Fazit: Zwar kann eine Pandemie das Wachstum der Weltwirtschaft kurzfristig um ein bis fünf Prozent drücken. Die Kraft, einen längeren Abschwung herbei zu führen, hat sie aber nicht.

Die wirtschaftlichen Auswirkungen der neuen Grippe lassen sich mit denen von Sars vergleichen

Als Beleg führt Augurzky unter anderem die Seuche Sars an. Die Lungenkrankheit brach 2003 in Südostasien aus. Rund 1000, vor allem ältere Menschen starben, bis die Seuche nach vier Monaten eingedämmt wurde. Zwar rutschten kurz darauf Singapur und Hongkong in eine Rezession. Das Tourismusgeschäft in den betroffenen Regionen brach zeitweise um 70 Prozent ein, der Einzelhandel um 30 Prozent. Am Ende kostete die Lungenkrankheit die Länder im Osten und Südosten Asiens nach Schätzungen der Asiatischen Entwicklungsbank rund 18 Milliarden Dollar. Nach einem Jahr jedoch hatten sich die betroffenen Volkswirtschaften wieder erholt, die Weltkonjunktur blieb weitgehend verschont.

Eine Erklärung hierfür geht so: Die Menschen schränken ihren Konsum wegen einer Pandemie nicht ein, sondern verschieben ihn nur auf später, wenn die akute Gefahr gebannt ist. Anders als bei Naturkatastrophen bleiben die Fabriken, Maschinen und Infrastruktur erhalten. Ist die Krankheit eingedämmt, können die Menschen wieder zur Arbeit gehen. Tatsächlich, sagt Rolf Langhammer, Vizepräsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, wuchs die globale Wirtschaft bis 2007 "fantastisch – trotz Vogelgrippe und Sars".

Fleischhandel und Tourismus leiden zuerst unter der Epidemie

Das tröstet keinesfalls über die kurzen ökonomischen Leiden hinweg. Die Angst vor H1N1, jenem Virus, das bereits mehr als 150 Tote forderte, hat die Wirtschaft erfasst. China, der größte Konsument von Schweinefleisch, untersagt mittlerweile die Einfuhr von lebenden Tieren. Ebenso wie Russland verbietet das Land auch den Import von Schweinefleisch aus Mexiko und Teilen der USA – und das, obwohl der Erreger bisher bei keinem Tier nachgewiesen wurde. Das lähmt den Welthandel weiter. Touristikunternehmen – auch die deutsche TUI und Thomas Cook – streichen Flüge nach Mexiko-Stadt und müssen andere Flieger umleiten.

An den Börsen sanken am Dienstag die Preise für Rohöl, weil die Anleger fürchten, die Weltrezession könne sich weiter verschärfen. Vor allem an den Handelsplätzen Asien fielen die Kurse. Anleger investierten in sichere Staatsanleihen und Gold. An den Devisenmärkten profitierte der japanische Yen. Er gilt als Indikator dafür, wie risikoscheu die Anleger sind: Wertet er auf, ist das ein Indiz dafür, dass die Anleger weltweit riskante Positionen auflösen.

Auch die Konsumenten könnten bald reagieren. Sie werden womöglich weniger einkaufen, weil sie nicht unter Leute wollen. Restaurants, große Möbelhäuser, Konzerthallen – sie alle könnten an Umsatz einbüßen, wenn sich die Krankheit nicht in den kommenden Wochen eindämmen lässt. Am stärksten werden bei alledem die Schwellenländer leiden: In Zeiten der Unsicherheit ziehen Investoren ihr Geld in sichere Häfen ab – meist in die Industrieländer. (Zeit online)

Philip Faigle

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