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Geld wechseln. Die indonesische Wirtschaft, die größte in Südostasien, wuchs 2013 so langsam wie zuletzt vor vier Jahren.

© AFP

Schwellenländer: Der Absturz bietet auch Chancen für Anleger

Aktien aus Schwellenländern werden verkauft, Währungen stürzen ab – doch die Profis warnen vor Panik. Einige steigen schon wieder ein.

Bloß raus aus den Schwellenländern, lautet der Trend derzeit. Weltweit kippen Anleger Aktien, Anleihen und Devisen der Emerging Markets aus ihren Depots. Länder wie Brasilien, Malaysia, Südafrika, Indien und die Türkei – eben noch als wirtschaftliche Wunderkinder gepriesen – mutieren zu Prügelknaben. Ein Gutteil jener 4000 Milliarden Dollar, die seit 2009 in die Schwellenländer geflossen sind, floss zurück in die Heimatländer der Anleger. Lokale Währungen, aber auch Aktienmärkte, fielen wie Blei.

Mit am stärksten gebeutelt wurden die türkische Lira, die binnen eines Jahres um 27 Prozent abwertete, und der türkische Leitindex ISE 100, der um 21 Prozent einbrach. Während manche Marktbeobachter nun Crashs in vielen Schwellenländern vorhersagen und sogar eine Ansteckungsgefahr für die entwickelten Märkte sehen, sind viele Profis entspannter - und suchen bereits nach Schnäppchen.

ZWISCHENTIEF ODER CRASH?

Der Chef der Schweizer Großbank UBS, Sergio Ermotti, etwa hält den Ausverkauf für übertrieben. Auch Jim O Neill, der einst für Goldman Sachs das Schwellenländer-Kürzel BRIC (für Brasilien, Russland, Indien, China) schuf und einen Investment-Hype auslöste, glaubt, dass gute Kaufgelegenheiten „wahrscheinlicher sind als eine Panik“.

Dagegen hält die Vermögensverwaltung der Deutschen Bank eine taktische Zurückhaltung für sinnvoller. Die Schwellenländer-Experten von Allianz Global Investors glauben, dass ein Kollaps der Schwellenländer nicht mehr sei als ein „Extremrisiko“, das mit großer Wahrscheinlichkeit nicht eintreten werde.

Gegenteiliger Meinung sind die Experten von Goldman Sachs. „Finger weg“, heißt es hier. Aktien, Anleihen und Devisen aus den Schwellenländern würden sich in den kommenden zehn Jahren „erheblich schlechter“ entwickeln als Assets in den industrialisierten Ländern. Nachdem die Emerging Markets jahrelang von den großen Geldspritzen der US-Notenbank und deren Nullzinspolitik profitiert hätten, „läuft der Film nun rückwärts“, warnt Goldman Sachs. „Ein Investment in den Schwellenländern hängt auch aktuell vor allem vom Anlagehorizont ab“, relativiert Tom Friess vom unabhängigen Schweizer VZ Vermögenszentrum.

Derzeit sind die Korrekturen noch nicht sehr ausgeprägt. Rote bis dunkelrote Minuszeichen finden sich auf Jahressicht nur in Brasilien, China, Russland, der Türkei, Mexiko oder Polen. Hinzu kommt, dass dort aktive Anleger aus dem Euro-Raum zu ihrem Minus die Abwertung der lokalen Währungen addieren müssen: So hat der südafrikanische Rand auf Jahressicht um 24 Prozent und der brasilianische Real um 21 Prozent verloren. Die Börsen in Indien, Argentinien, Ägypten oder Kenia notieren im Zwölf- Monats-Vergleich dagegen satt im Plus. Ohnehin gilt: „Es ist ein schwerer Fehler, nun alle Schwellenmärkte querbeet über einen Kamm zu scheren“, betont Friess. Deshalb könne auch, wer langfristig denke und sein Geld breit streue, durchaus jetzt in den Schwellenländern wieder einsteigen. Antizyklisches Verhalten habe in der Vergangenheit häufig zu guten Gewinnen geführt. In der eigenen Vermögensverwaltung, räumt Friess ein, sei man dagegen noch „querbeet zurückhaltend“. Besonders kritisch sieht er die Türkei und Südafrika, für kurzfristig problematisch hält Friess zudem China.

LANGFRISTIG IM PLUS

Der längerfristige Blick auf die Schwellenländer relativiert die Verkaufswelle. So notiert der Real etwa auf dem gleichen Niveau wie 2002 und noch weit über seinem Tiefstkurs. Auch die indonesische Rupiah, der malaiische Ringitt und der mexikanische Peso lagen schon tiefer. Der koreanische Won und der chinesische Renminbi haben aufgewertet. Auch langfristig schwach notieren dagegen die türkische Lira, der südafrikanische Rand, das ägyptische Pfund und die indische Rupie.

Ähnlich ist es bei den Aktienmärkten: Trotz des dicken Jahresminus haben Anleger, die schon fünf Jahre investiert sind, vielfach noch dicke Pluszeichen in den Depots. In der Türkei etwa sind es 140 Prozent, in Polen 61 Prozent, in Indien 123 und in Brasilien je nach Index immer noch 17 bis 45 Prozent.

Langfristig eine schlechte Wahl war der chinesische Shanghai-Composite-Index. Die Experten des Versicherers und Vermögensverwalters Axa warnen aktuell vor unerwartet gravierenden Problemen in China. Schlechte Konjunkturdaten, Umweltprobleme, Gerüchte über einen Finanzcrash angesichts hoher Verschuldungsraten bei steigenden Zinsen gelten als explosive Mischung. Umgekehrt verfügt Peking über ausreichend Geld, um größere Ausfälle abzufangen. China gehört auch nicht der Gruppe der „Fragilen Fünf“, deren wirtschaftliche Probleme vielen Fachleuten am massivsten erscheinen: Neben Brasilien, Indien und Südafrika sind es die Türkei und Indonesien, gelegentlich wird auch Malaysia genannt.

Negativ wird die Türkei gesehen: Das Land leidet unter einem enormen Handelsbilanzdefizit, hoher Inflation, politischen Turbulenzen und der Anhebung des Leitzinses, was Kreditnehmer in Bedrängnis bringen und das Risiko einer wirtschaftlichen Abkühlung erhöhen könnte. Die Türkei steht an der Spitze eines Risikoratings, das Morningstar für 16 Emerging Markets entwickelt hat. Es folgen Thailand, Mexiko, Malaysia, Argentinien, Kolumbien und Südafrika.

Was also tun? Wer eher die langfristigen Chancen als die kurzfristigen Risiken sieht, ist mit einem breit gestreuten Fonds oder passiven Indexpapieren (ETF) am besten bedient. Das meiste für ihre Anleger aus dem Markt geholt haben dabei nicht deutsche, sondern vor allem angloamerikanische Fonds, etwa die Papiere von JP Morgan, Aberdeen, Fidelity und Templeton, die seit 2009 jährlich zwischen 17 und 23 Prozent Plus eingefahren haben. Eine Alternative ohne Management, quasi ein passives Abziehbild des Marktes, sind ETF, die auf den gesamten Markt für Schwellenländer und damit meist auf den Index MSCI Emerging Markets setzen. Sie liegen im Zwölf-Monats-Vergleich gut 13 Prozent im Minus, aus der Sicht von fünf Jahren jedoch 84 Prozent im Plus. Auch wer sehr mutig ist und auf einzelne Länder setzen möchte, findet in den ETF-Paletten der Anbieter ishares, db x-trackers oder Lyxor eine breite Auswahl. Fondsmanager Mark Mobius, dessen Expertise in den Emerging Markets als legendär galt, blickt bereits weiter: Er hat neue Frontier-Markets erspäht, die noch Pioniergewinne abwerfen sollen - und setzt derzeit auf Nigeria und Ghana.

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