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Gestützt. Die indische Notenbank interventiert am Devisenmarkt, um den Verfall der Rupie zu bremsen.

© dpa

Schwellenländer: Wechselhafte Investments

In den aufstrebenden Volkswirtschaften verfallen die Währungen. Auf dem G20-Gipfel könnten die BRICS-Staaten eine konzertierte Aktion beschließen. Was Anleger tun können, um Verluste zu minimieren.

Wenn die Staatschefs der G20 an diesem Donnerstag zum Gipfel in Sankt Petersburg zusammenkommen, werden die Turbulenzen in den Schwellenländern eines der Hauptthemen sein. Denn deren Währungen, besonders in Indien, Brasilien, der Türkei und Indonesien, haben in den vergangenen Wochen massiv an Wert verloren. Anleger, die ihr Geld in brasilianischen Real, indischen Rupien oder indonesischen Rupiah angelegt haben, mussten zum Teil hohe Verluste hinnehmen. Wie ernst die Lage ist, zeigt eine Studie von Bank of America Merrill Lynch Global Research. Investoren aus der ganzen Welt zogen demnach allein vergangene Woche netto zwei Milliarden Dollar aus Rentenfonds aufstrebender Volkswirtschaften ab. Seit Ende Mai sollen es rund 23 Milliarden Dollar gewesen sein.

DIE USA SORGEN FÜR UNRUHE

Grund für den Verfall der Währungen ist in erster Linie die Notenbankpolitik der USA. Die Federal Reserve hatte Ende Mai angedeutet, ihre monatlichen Anleihekäufe in Höhe von 85 Milliarden Dollar zur Stützung der heimischen Wirtschaft bald zurückzufahren. Denn in den USA mehren sich die Anzeichen einer wirtschaftlichen Erholung. Im zweiten Quartal legte das Bruttoinlandsprodukt stärker zu als erwartet. Wenn die Fed weniger billiges Geld auf den Markt wirft, stärkt das das Interesse der Anleger am Dollar. Investoren, die ihr Geld bisher lieber in die renditeträchtigeren Währungen der so genannten „Emerging Markets“ gesteckt hatten, könnten also umschichten.

Zudem belastet die Syrien-Krise die Märkte und sorgt für zusätzliche Unsicherheit. „Die Risikowahrnehmung der Anleger steigt“, sagt auch Lutz Karpowitz, Währungsstratege bei der Commerzbank. Die Folge: Das Geld fließt in als sicherer betrachtete Anlageformen wie Gold statt in risikobehaftetere Schwellenländer.

Dass es besonders die Währungen von Staaten wie Indien oder der Türkei getroffen hat, liegt an den schwachen Fundamentaldaten. „Wenn die Skepsis im Markt zunimmt, schauen die Anleger genau auf die volkswirtschaftlichen Kennzahlen“, sagt Karpowitz. So schwäche sich in Indien das Wachstum ab, die Exporte gingen wegen der geringeren weltweiten Nachfrage zurück, die Reformen seien vernachlässigt worden, der Schuldenberg wachse. „Wenn der Markt erwartet, dass die Währung auch längerfristig geschwächt wird, verschärft das den Rückzug der Investoren“, sagt er.

TEURE IMPORTE SCHWÄCHEN

Viele Schwellenländer haben ein Leistungsbilanzdefizit. Das heißt, sie verbrauchen mehr, als sie selbst erwirtschaften. Das will aber finanziert werden, und nun fehlt dazu das Kapital aus dem Ausland. Die Verteuerung der Einfuhren verschärft das Problem noch. „Besonders Energieimporte sind durch den Anstieg des Ölpreises in der Syrien–Krise teurer geworden“, sagt Mauro Toldo, Experte für Schwellenländer bei der Deka Bank. „Es droht eine Zahlungsbilanzkrise, in der die Importe nicht mehr bezahlt werden können“, sagt auch Commerzbank-Stratege Karpowitz. Schon jetzt litten Wirtschaft und Verbraucher in den betreffenden Ländern unter steigenden Preisen.

INTERVENTION DER ZENTRALBANKEN

Einige Staaten haben kurzfristige Maßnahmen ergriffen, um den Abwärtstrend aufzuhalten. Indien etwa verkaufte am Mittwoch massiv Dollar und verhalf damit seiner Währung zu einem Kursplus von mehr als einem Prozent. Die Zentralbank Brasiliens erhöhte ihren Leitzins um 0,5 Punkte auf 9,0 Prozent – zum vierten Mal in diesem Jahr. Auch Indonesien, das unter hoher Inflation und konjunktureller Abkühlung leidet, folgte. Zwar locken höhere Leitzinsen ausländische Investoren, verteuern zugleich aber Unternehmens- und Verbraucherkredite und stellen so eine Belastung für die Konjunktur dar. „Die Notenbanken sind in einer Zwickmühle“, sagt Karpowitz.

Auf dem G20-Gipfel dürften die BRICS-Staaten nach einer konzertierten Lösung suchen. Angedacht ist ein Rettungsfonds in Höhe von 100 Milliarden US-Dollar, der kurzfristige Liquiditätsengpässe überbrücken und für Stabilität sorgen soll. Der Fonds werde in „absehbarer Zeit“ gestartet, kündigte der Vizegouverneur der chinesischen Zentralbank, Yi Gang, bereits im Vorfeld des Gipfels an. Experten sehen aber weiteren Handlungsbedarf. „Kurzfristig kann die zusätzliche Liquidität dämpfend wirken“, sagt Deka-Analyst Toldo. „Langfristig müssen die Länder strukturelle Reformen anpacken, um wieder attraktiv für ausländische Geldgeber zu werden.“

MEHR DIVERSIFIZIEREN

Wer in Währungen investiert hat – etwa über Derivate oder Anleihen – sollte sich neben aktuellen Krisenwirkungen die volkswirtschaftlichen Kennzahlen der Staaten genau ansehen. „Hier ist wichtig, den Blick nicht nur aufs Wachstum zu lenken, sondern auch auf die Inflation“, rät Commerzbank-Analyst Karpowitz. „Während die Kennzahlen bei Brasilien in eine positive Richtung weisen, ist die Lage in Indien kritischer.“

Nicolas Schlotthauer, Schwellenländerexperte bei der Deutsche Asset & Wealth Management, der Vermögensverwaltungstochter der Deutschen Bank, rät dazu, das Investment breit zu streuen, weil bei Währungen der Emerging Markets das Risiko höher sei als bei denen reifer Volkswirtschaften. „In den Fonds, die in dem Bereich angeboten werden, steckt ein Mix aus Anleihen von Ländern aus verschiedenen Regionen und mit unterschiedlicher Wirtschaftsstärke“, erklärt er. Auch lohne sich ein Blick etwa auf die Währungen in Osteuropa, wo sich die Märkte zuletzt besser entwickelten.

Eine langfristige Schwäche vergleichbar der Asienkrise 1997 erwarten die meisten Experten aber nicht. „Viele Schwellenländer sind heute ökonomisch und finanziell deutlich besser aufgestellt als in den 90er Jahren“, sagt der Fondsexperte Schlotthauer. Länder wie Brasilien, Mexiko, Chile oder Malaysia hätten hohe Polster an Devisenreserven, eine überschaubare Auslandsverschuldung und in den vergangenen Jahren Strukturreformen umgesetzt. Auch China ist trotz der aktuellen Wachstumsschwäche weniger betroffen. „Die Währung ist nicht frei handelbar, der Kapitalfluss aus dem Ausland ist streng reguliert“, sagt Schlotthauer. Das mache den Yuan unabhängiger von internationalen Währungsturbulenzen.

Schlotthauer zufolge ist Panik daher nicht angebracht. „Es gibt auch derzeit keinen Grund, Anlegern generell von den Emerging Markets abzuraten.“

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