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Wirtschaft: Sehnsucht nach Größe

Nach langer Verzögerung montiert Airbus jetzt den ersten A 380 für die Lufthansa. Die Fluglinie verspricht sich viel von dem Riesenjet

Das derzeit größte Projekt der Deutschen Lufthansa macht Halt vor der Mutter Gottes. Vergangenen Mittwoch kurz vor Mitternacht: Sechs Tieflader schnaufen durch das südfranzösische Dorf Levignac sur Save bei Toulouse. Sie transportieren Cockpit, Rumpf, Tragflächen und das Heck eines Airbus A 380, des größten Passagierflugzeuges der Welt. An den Straßenseiten stehen die Menschen, einige trinken Rotwein, andere haben sich Stühle vors Haus gestellt, um das Spektakel entspannt zu beobachten. Mit einem Zischen kommt der erste Truck neben der 1896 errichteten weißen Madonna im Dorfkern zum Stehen. Die hinteren Wagen rücken auf. Es gibt Stau – wohl nicht, weil die Fahrer besonders gottgläubig wären, eher besonders vorsichtig. Die Stelle ist eng, ihre Fracht sperrig und insgesamt viele Millionen Euro Wert.

Einmal im Monat schleppt sich so ein Konvoi vom Fluss Garonne bei Bordeaux drei Nächte lang 250 Kilometer über die Straßen bis nach Toulouse, wo die Teile endmontiert werden: 45 Meter lange Tragflächen aus Wales, bis zu 36 Tonnen schwere Rumpfteile aus Hamburg und das Höhenleitwerk, das mit fast 31 Metern hochkant auf dem Lkw steht und alle Häuser des Dorfes überragt, stammt aus Spanien.

Unter die Dorfbewohner haben sich diesmal auch staunende Deutsche gemischt. Denn diesmal sind es Teile für den ersten A 380, der an die Lufthansa geliefert wird und ab März kommenden Jahres den Linienflugbetrieb aufnehmen soll. Darauf hat man bei Deutschlands größter Fluggesellschaft lange warten müssen: Im Dezember 2001 fiel die Entscheidung, diesen Jet zu bestellen. Vor zwei Jahren schon hätte der erste A 380 mit einem Kranich am Leitwerk abheben sollen. Dafür baute die Lufthansa am Frankfurter Flughafen für 150 Millionen Euro eigens Europas größten Hangar, der vier A 380 oder sechs Boeing 747 Jumbojets fasst. Aber wegen technischer Probleme musste die EADS-Tochter die Auslieferung immer wieder verschieben.

Seit dem Jungfernflug im April 2005 konnten erst drei Gesellschaften den Flieger in ihren Dienst stellen: Zuerst Singapore Airlines im Oktober 2007, dann die arabische Emirates und Qantas aus Australien. 15 Maschinen pendeln derzeit zwischen New York, London, Dubai, Tokio, Sydney und Los Angeles. 2009 will Airbus 18 weitere Modelle ausliefern, insgesamt liegen Bestellungen von 16 Kunden für 198 Maschinen vor – darunter auch die eines Scheichs, der sich das Gerät mit einem Listenpreis von rund 250 Millionen Euro privat leistet. Aus dem Hamburger Werk hört man, dass sich vor allem der wichtigste Kunde Emirates über kleinere Pannen beklagte. Grundsätzlich aber äußerten sich die Chefs aller drei Fluggesellschaften hochzufrieden. Passagiere würden Umwege in Kauf nehmen, um mit der A 380 zu fliegen.

Airbus-Manager vergleichen ihr neues Flagschiff gern mit der 747 des US-Rivalen Boeing. Der A 380 fliegt mit einer Tankfüllung angeblich gut 2000 Kilometer weiter, bis zu einen Kilometer höher, befördert 30 Prozent mehr Passagiere, braucht eine deutlich kürzere Start- und Landebahn, benötigt viel weniger Kerosin – und ist trotzdem so schnell wie die sogenannte Konkurrenz. Das sind alles Gründe, warum im vergangenen Jahr zehnmal so viele Bestellungen für den A 380 vorlagen wie bei Boeing für die aktuelle Version 747-400. Allerdings absolvierte dieser Grundtyp des US-Jumbos seinen Jungfernflug schon vor 40 Jahren. So gesehen ist der A 380 in der Klasse für mehr als 500 Passagiere heute ohne echte Konkurrenz. Boeings Experten in Seattle tüfteln an einem Nachfolgemodell, der 747-8 Intercontinental. Das Modell soll leiser, größer und sparsamer sein als sein Vorgänger. Aber solange Boeing den neuen Jumbo nicht in die Luft bekommt, kann Airbus seinen Marktanteil an Passagierflugzeugen mit über 100 Sitzen von 54 Prozent weiter ausbauen.

Insgesamt 438 Flugzeuge lieferte Airbus 2008 aus. „Ja, wir hatten zuletzt auch Stornierungen“, räumt Thomas Schmidt-Mumm, stellvertretender Verkaufsleiter von Airbus für Nord- und Mitteleuropa, ein. Aber 2009 wolle man wieder so viele Maschinen ausliefern. Allerdings auch nicht mehr. Jüngste Schätzungen, wonach Boeing und Airbus im Krisenjahr nur halb so viele Flieger verkaufen werden, weist Airbus zurück.

Bei Lufthansa hat man die Vorbereitungen zur Einführung des A 380 wegen der Lieferverzögerung weitgehend abschließen können. Alle Maschinen werden in Frankfurt am Main stationiert. Zur Ausstattung, die jede Airline frei gestalten kann, teilte die Gesellschaft jetzt mit, dass sie wie erwartet drei Klassen im A 380 einrichten will: Gäste der First- und der Business-Class finden auf dem Oberdeck Platz und betreten den Flieger über ein eigenes Terminal, ohne die Fluggäste der Economy-Class auf dem Unterdeck zu Gesicht zu bekommen. Die beiden Treppen zwischen den Decks sollen daher nur im Notfall und dem Begleitpersonal zur Verfügung stehen.

Dirk Sus, der bei der Lufthansa für die Integration des Modells in die Flotte verantwortlich ist, kündigte vor allem starke Verbesserungen in der Business-Class an: „Wir haben unsere Lektion aus Fehlern der Vergangenheit gelernt“, sagt er und verspricht zugleich für alle Klassen mehr Komfort, bessere Sitze und ein „unvergleichliches Flugerlebnis“.

Unvergleichlich eng können Fluggäste wohl bald bei der Gesellschaft Air Austral von der kleinen Insel Réunion im Indischen Ozean reisen. Die Gesellschaft orderte zwei A 380, und zwar klassenlos. Mit Air Austral sollen 840 Passagiere gemeinsam von Paris auf die Insel fliegen können. Passagier-Weltrekord!

Die Lufthansa wird ihre ersten drei Traumflieger aus Toulouse mit maximal 550 Sitzen dagegen eher locker bestuhlt zunächst auf den Strecken von Frankfurt nach New York, Washington und Hongkong einsetzen. Später will man bis zu 19 Ziele in aller Welt anfliegen: Sieben in Nordamerika, die wichtigsten Ziele im Mittleren und Fernen Osten. Auch die Route nach Johannesburg im Fußball-WM-Gastgeberland Südafrika ist als A-380-Ziel im Gespräch.

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