zum Hauptinhalt

Selbsthilfe gegen hohe Zinsen: Bankkunden in der Falle

Wer sein Konto überzieht, zahlt für den Dispokredit ordentlich drauf. In Deutschland sind die Zinsen höher als in vielen anderen EU-Staaten. Warum das so ist und was Sie dagegen tun können.

„Ihre unkomplizierte Geldreserve“ für überraschende Reparaturen oder zusätzliche Ausgaben im Urlaub, wirbt die Deutsche Bank. Die Berliner Sparkasse lockt: „Vergrößern Sie Ihren finanziellen Spielraum – mit einer Kreditlinie, die Sie jederzeit von Ihrem Girokonto abrufen können.“ Jeder fünfte bis sechste Kontoinhaber in Deutschland folgt dem Rat seiner Hausbank regelmäßig und überzieht sein Konto. Dabei nutzen die meisten Kreditinstitute die oft nur temporäre Geldknappheit und die Scheu vor einem aufwändigen Kontowechsel Ihrer Kunden ungeniert aus.

Elf Prozent Zinsen werden im Schnitt fällig, wenn Kunden einen vorher vereinbarten Dispo-Rahmen nutzen, hat die Frankfurter FMH Finanzberatung ausgerechnet. Nicht vereinbarte, aber geduldete Überziehungen kosten gar im Durchschnitt 15,5 Prozent. Deutlich hemmungsloser noch greifen die großen Geschäftsbanken und die Sparkassen klammen Bürgern in die Taschen: Bei der teilverstaatlichten Commerzbank kosten Überziehungen 13,24 Prozent, geduldete Dispos gar 18,74 Prozent. Die Berliner Sparkasse verlangt 13,25 beziehungsweise 18,25 Prozent, die Deutsche Bank 12,75 beziehungsweise 17,5 Prozent. Wer Kunde beim deutschen Bankenprimus ist, muss ab Juli noch genauer auf sein Konto achten und sollte den Rahmen nicht um einen einzigen Euro überziehen. Denn die Deutsche Bank erhöht ihre vierteljährliche Strafpauschale für das geduldete Kontominus von 4,80 auf 6,90 Euro. Überzieht der Kunde also ohne Vereinbarung auch nur einen einzigen Tag pro Quartal um einen einzigen Euro sein Girokonto oder seinen Verfügungsrahmen, so kostet ihn das 27,60 Euro im Jahr – oder fast 3000 Prozent Zinsen.

Verbraucherschützer kritisieren die hohen Sätze in Zeiten niedrigster Markt- und Leitzinsen seit langem. So sank der Leitzins seit Herbst 2008 von vier auf ein Prozent, die Dispozinsen gingen im gleichen Zeitraum jedoch im Schnitt nur von zwölf auf zehn bis elf Prozent zurück. Klamme Bankkunden zahlen damit im europaweit stabilsten Land ähnlich hohe Sätze wie in Griechenland – und deutlich mehr als der durchschnittliche EU-Bürger, der nur 8,8 Prozent berappen muss. Im Nachbarland Österreich reicht den Banken gar ein Zinssatz von durchschnittlich 5,5 Prozent.

Die EU-Verbraucherkreditlinie regle zwar inzwischen, dass Kreditzinsen nicht wahllos verändert und angepasst werden könnten, sondern sich an den tatsächlichen Marktveränderungen bei den Leitzinsen orientieren müssten, sagt Manfred Westphal, Finanzexperte beim Bundesverband der Verbraucherzentralen(VZBV). Doch seien die Zinsen absolut „deutlich zu hoch“. Vor allem fehle eine Begrenzung der maximalen Spanne zwischen Markt- und Kreditzinsen beziehungsweise zwischen Spar- und Kreditzinsen. Wer einen Referenzzinssatz angibt, müsse auch die Zinsmargen nennen, fordert der VZBV. Die europäischen Banken können sich derzeit bei der Zentralbank Geld gegen ein Prozent Zinsen besorgen. Die Banken untereinander leihen sich Geld je nach Laufzeit zu 0,3 bis 1,2 Prozent. Weiterverliehen wird es dann allerdings zu Sätzen von bis zu knapp 19 Prozent, während Spareinlagen nur ein Bruchteil davon abwerfen: So erhält der Kunde bei der Deutschen Bank beispielsweise 0,15 Prozent auf seine Sparcard, 0,5 Prozent fürs Geldmarktsparen oder ein Prozent für Festgelder. Westphal sagt: „Bei Disposätzen von elf Prozent und mehr muss man einfach sagen: Da funktioniert der Wettbewerb nicht mehr.“ Das Bundesministerium für Verbraucherschutz hat deswegen ein Gutachten in Auftrag gegeben, das die Marktsituation und eventuellen rechtlichen Anpassungsbedarf prüfen soll.

Was hilft?

Banken und Sparkassen hingegen verweisen auf ihre Kosten für Verwaltung und Besicherung des Kredits. Vor allem der geduldete Dispo sei als unbesicherte Forderung für die Bank sehr kostspielig, heißt es. Da die große Mehrheit der Kunden ihr Konto nicht überziehe, seien unter dem Strich für die Kunden geringere Kontoführungsgebühren sinnvoller als niedrige Dispozinsen, sagt Kerstin Altendorf, Sprecherin des Bundesverbandes deutscher Banken. Insgesamt empfiehlt der Verband eine Grenze von „zwei bis drei Monatsgehältern“ als maximalen Disporahmen. Überziehe ein Kunde regelmäßig oder dauerhaft sein Konto, so werde er von einem Bankmitarbeiter angesprochen, heißt es bei der Deutschen Bank. Ein Dispo sei ohnehin kein Rahmen, in dem man sich dauerhaft bewegen solle. Denn die Überziehung ist eher eine flexible Notlösung für den plötzlichen, unerwarteten Geldbedarf. Wer bei der Berliner Sparkasse beispielsweise dauerhaft 8000 Euro im Minus ist, zahlt pro Jahr ohne jede Tilgung 1074 Euro Überziehungszinsen, wenn der Rahmen zuvor eingeräumt wurde. Je nach Geldeingang und Rückzahlungsmöglichkeiten kann es da sinnvoller sein, die Disposumme mit Hilfe eines günstigen Konsumentenkredits abzulösen. Auch die Banken selbst empfehlen dies.

Doch wer bei der eigenen Hausbank einen Ratenkredit unterschreibt, kommt oft kaum oder gar nicht günstiger weg als mit dem Dispo. Eine Untersuchung des VZBV in 59 Schuldnerberatungsstellen hat ergeben, dass Banken und Sparkassen Umschuldungswünsche häufig ignorieren oder glattweg ablehnen. In der Stichprobe der Verbraucherschützer war der Wunsch nach einem Kreditwechsel in 70 Prozent der untersuchten Fälle gar nicht erfüllt worden. Gelang er dennoch, so standen sieben von zehn Kunden am Ende schlechter da als mit dem Dispo. Dies hat wohl meist mit der Bonität des Kunden zu tun, um die es bei häufiger und intensiver Nutzung des Dispo nicht zum Besten steht, die sich jedoch direkt auf die Zinskonditionen auch bei Ratenkrediten auswirkt. So gelten günstige Konditionen aus der Werbung meist nur für sehr gute Bonitäten bei sehr kurzen Laufzeiten. Oft sind auch niedrigere Summen teurer als höhere. Für Kunden mit schlechterer Bonität summieren sich die Sätze indes oft auf zehn bis 15 Prozent.

Eine Alternative können bonitätsunabhängige Kredite sein, wie sie manche Direktbanken und kleinere Häuser im Programm haben. Anders als bonitätsabhängige Gelder orientiert sich die Zinshöhe nur an Laufzeit und Kredithöhe. Der Kredit wird allerdings auch nur zugeteilt, wenn die Bonität es grundsätzlich erlaubt. Wer dies nicht möchte, sollte über einen Bankwechsel nachdenken. Kreditinstitute wie die DAB Bank, die Skatbank, die DKB oder die ING-Diba bieten Kunden, die beim Konto ins Minus rutschen, akzeptable Zinsen zwischen 5,5 und 8,75 Prozent. Allerdings sollte beim relativ aufwändigen Wechsel eines Girokontos nicht nur der Dispo-Satz eine Rolle spielen. Entscheidend sind die Kosten des Gesamtpakets inklusive Kontoführung.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false