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Ausgelagert. Allein bei den Hausmeistern lassen sich laut Gutachten 1,5 Milliarden Euro einsparen.

© imago/Jürgen Ritter

Senat macht Druck: Berlins Wohnungsgesellschaften müssen sparen

Ein Gutachten drängt die sechs städtischen Berliner Wohnungsgesellschaften zu mehr Effizienz und Kooperation. Allein bei den Hausmeistern lassen sich 1,5 Millionen Euro sparen, heißt es.

Die sechs landeseigenen Wohnungsbauunternehmen in Berlin stehen vor weitreichenden Veränderungen. Das Land als Eigentümer verlangt von den Unternehmen, dass sie kostengünstiger arbeiten, enger zusammenarbeiten und gemeinsame Tochterfirmen gründen.

Hintergrund ist ein unveröffentlichtes Gutachten der Beratungsgesellschaft EY (früher Ernst & Young), das dem Tagesspiegel vorliegt. Das Papier empfiehlt die Gründung von gemeinsamen Tochtergesellschaften – „Shared Service“ genannt – in den Bereichen Hausmeisterdienste, Messdienste und Drittverwaltung. Die Zahl der sogenannten Drittverwaltungstöchter – diese Unternehmen betreuen als Hausverwalter fremde Wohnungsbestände – wurde bereits von sechs auf drei halbiert. So hat die Degewo-Tochter Gewobe das Drittverwaltungsgeschäft der Gesobau übernommen, wie Jens Metzger, ein Sprecher der Senatsfinanzverwaltung, dem Tagesspiegel bestätigte. Allerdings war dies bereits vor der Erstellung der Studie geplant.

Gravierende Folgen für 3400 Mitarbeiter

Sollten die Empfehlungen des Gutachtens umgesetzt werden, hätte dies gravierende Auswirkungen auf die Wohnungsbaugesellschaften und ihre knapp 3400 Mitarbeiter. Die Studie empfiehlt „Kosteneinsparungen“ und „Synergien“. Allein bei den Hausmeisterdiensten sehen die Berater Einsparpotenziale von 1,5 Millionen Euro pro Jahr. Im Gutachten heißt es: „Weitere Potenziale liegen in der Etablierung neuer Tarifstrukturen in den errichteten Gesellschaften, eine Optimierung der Betreuungsrelation sowie die Einführung eines Personal-Pools zum Kapazitätsausgleich und Erhöhung der Flexibilität.“ Mit anderen Worten: Die Beschäftigten würden weniger verdienen, müssten aber verdichteter und flexibler arbeiten. Auch die Führungskräfte werden nicht geschont. So wird eine „einheitliche Leitungsebene“ empfohlen, also der Abbau von Führungsposten.

Das Gutachten wurde im Namen aller Wohnungsbaugesellschaften von der Howoge in Auftrag gegeben. Die anderen sind Degewo, Gesobau, Gewobag, Stadt und Land, WBM. Nach Tagesspiegel-Informationen steht jedoch die Finanzverwaltung dahinter. Staatssekretärin Margaretha Sudhof, die in den Aufsichtsräten dreier Gesellschaften sitzt, gilt als Treiberin der Ideen.

Doppelter politischer Druck

Die landeseigenen Wohnungsbauunternehmen stehen unter doppeltem politischen Druck. Die Finanzbehörde will, dass sie ihre Schulden abbauen und effizienter wirtschaften. „Maßnahmen zur Effizienzsteigerung und Kostenoptimierung sind aus Sicht der Senatsverwaltung für Finanzen unerlässlich“, teilt die Behörde mit. Sie sieht weitere „Synergiepotenziale“ im „Back-Office-Bereich“, also in der EDV und bei der Verwaltung. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung wiederum verlangt mehr Investitionen in den Neubau. Deren Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup lässt wenige öffentliche Gelegenheiten aus, um die Gesellschaften für ihren „zurückhaltenden“ Neubau in der Vergangenheit zu kritisieren. Ein Widerspruch muss das nicht sein: Sollten die Gewinne durch Einsparungen steigen, könnten diese in den Neubau investiert werden. Die Vorschläge von EY ähneln den Vorstellungen der eher linken Initiatoren des Mietenvolksentscheides. Diese fordern gemeinsame Tochterunternehmen der Wohnungsbaugesellschaften.

"Gute Argumente für eigenständige Unternehmen"

Zurückhaltend äußert sich der Branchenverband BBU, der für die Gesellschaften Stellung bezieht: „Wo Kooperationen zu Effizienzsteigerungen sinnvoll sind, werden sie schon umgesetzt – zum Beispiel bei der Drittverwaltung“, sagt BBU- Sprecher David Eberhart. Zu Befürchtungen, dass die Shared-Service-Pläne nur ein erster Schritt zu einer Holding-Struktur der Gesellschaften sein könnten, sagt er: „Es gibt viele gute Argumente, die für den Erhalt eigenständiger Unternehmen sprechen.“ Werden die Pläne umgesetzt, würden die Verlierer auch private Dienstleister sein, die für einige Gesellschaften verschiedene Aufgaben erledigen. Diese sollen über eigens gegründete Töchter wieder in die Unternehmen geholt werden – „Insourcing“ genannt. Die Gewobag hat die Hausmeisterdienste komplett an eine Fremdfirma vergeben. Kompliziert würde es auch bei der Degewo. Die größte landeseigene Wohnungsbaugesellschaft hat ihre Hausmeister in die „Marzahn Gegenbauer Service“ ausgelagert, eine gemeinsame Tochter mit der Firma Gegenbauer. Die Finanzverwaltung sagt: „Vorgaben seitens des Gesellschafters, bestehende Beteiligungen oder vertragliche Vereinbarungen mit Dritten zu beenden, gibt es nicht.“ Erwartungen, bestehende Verträge auslaufen zu lassen, kann es demnach aber sehr wohl geben.

Besserverdiener werden bevorzugt

Im Gutachten finden sich weitere heikle Punkte. So empfehlen die Berater, sich von kleinen Hausverwaltungsaufträgen zu trennen, „sofern die Mandate geringe Margen aufweisen“. Hintergrund ist, dass die Gesellschaften in der Vergangenheit Wohnungen aus ihren Beständen an die Mieter verkauft hatten, die Hausverwaltung aber weiter betreiben.

Zu neuen Mietern in, wie es heißt, „problembehafteten Quartieren“ wird das Gutachten deutlich: „Die Auswahl der richtigen Mieter ist für die Stabilisierung dieser Quartiere aus Sicht der Wohnungsbaugesellschaften in besonderer Weise geboten.“ Damit wird klar, was die Gesellschaften bislang nicht offen zugeben: Dort, wo sie freie Hand haben, bevorzugen sie bei der Neuvermietung Normal- und Besserverdiener, die die höheren Mieten bei neuen Verträgen bezahlen können.

Gunnar Hinck

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