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Senioren

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Senioren: Angst vor dem Verfall

Die Deutschen fürchten sich vor körperlichen und geistigen Einschränkungen im Alter. Weniger als die Hälfte hat gut vorgesorgt.

Es ist nicht die Armut und auch nicht die Einsamkeit, die den Deutschen am meisten Angst machen, wenn sie an das Alter denken. Es ist die ganz konkrete Furcht, eines Tages nicht mehr allein auf die Toilette gehen und sich nicht mehr ohne fremde Hilfe waschen zu können. 75 Prozent der Deutschen haben davor am meisten Angst. Das ergab eine repräsentative Umfrage unter 4000 Menschen über 14 Jahre, die TNS Emnid im Auftrag der Allianz durchgeführt hat und die dem Tagesspiegel vorliegt.

Die Versicherung wollte von den Bürgern wissen, was sie im Alter am meisten fürchten, wie sie sich ihre spätere Pflege vorstellen und ob sie für das Alter ausreichend finanziell vorgesorgt haben. Die Daten wurden nach den 40 Regierungsbezirken aufgeschlüsselt und lassen daher Rückschlüsse auf die Befindlichkeiten in den unterschiedlichen Regionen zu.

Die Umfrage zeigt deutliche Unterschiede zwischen Ost und West. Die Angst vor körperlichen und geistigen Einschränkungen im Alter ist in Westdeutschland größer als im Osten. Besonders ausgeprägt ist die Furcht davor, auch bei intimsten Dingen auf fremde Hilfe angewiesen zu sein, in Trier, in Schwaben und in Unterfranken. Berlin liegt auf Platz 33 und damit auf dem siebtletzten Rang. Die Schere zwischen Ost und West könnte mit dem Wohlstandsgefälle innerhalb Deutschlands zusammenhängen. Denn die Umfrage ergab auch: Die Angst vor körperlichen und geistigen Gebrechen wächst mit dem Einkommen und dem Bildungsgrad.

Altersarmut wird im Osten dagegen als wichtiges Thema wahrgenommen. Die Furcht davor, im Alter finanziell nicht mehr über die Runden zu kommen, ist besonders groß in Dessau, Leipzig und Magdeburg (siehe Grafik). Aber auch in Berlin (Rang acht) ist die Angst vor Geldsorgen im Alter größer als in Hamburg, Stuttgart oder Düsseldorf. Das dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass in der Hauptstadt viele Menschen von Sozialleistungen leben.

Nach langem Hin und Her haben sich die Regierungsparteien Ende Juni auf eine Reform der Pflegeversicherung geeinigt. Demenzkranke sollen mehr Geld bekommen, auch die ambulante Pflege und die Pflege von Schwerpflegebedürftigen im Heim sollen besser bezahlt werden. Dafür sollen die Beiträge ab Juli 2008 um 0,25 Prozentpunkte steigen.

Heute reicht das Geld hinten und vorne nicht. Für einen voll stationären Heimpflegeplatz zahlt man derzeit im Schnitt knapp 3000 Euro, die höchste Pflegestufe III in der gesetzlichen Pflegeversicherung ersetzt maximal 1432 Euro im Monat. Hinzu kommt, dass nur reine Pflegeleistungen erstattet werden. Unterkunft und Verpflegung müssen die Betroffenen aufbringen. Das können viele nicht. Konsequenz: Entweder die Angehörigen springen ein oder die Sozialbehörden.

Das Problem könnte sich in den nächsten 20 Jahren noch verschärfen. Bereits heute sind rund zwei Millionen Deutsche auf Leistungen der Pflegeversicherung angewiesen, 2010 werden es nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung 2,4 Millionen sein, zehn Jahre später sogar drei Millionen. Wer wird die Pflegebedürftigen später einmal betreuen? Junge Leute zwischen 14 und 29 Jahren rechnen laut den Ergebnissen der Emnid-Umfrage überwiegend damit, später von der eigenen Familie gepflegt zu werden (92 Prozent), auch bei den heute 30- bis 39-Jährigen liegt die Familie (84 Prozent) an oberster Stelle. Wer 40 ist oder älter, hat eine andere Sicht der Dinge: Hier liegen die ambulanten Pflegedienste an oberster Stelle, wenn es um die Frage geht, wer im Alter künftig bei der täglichen Versorgung hilft – gefolgt von der Familie, dem Heim, der Betreuung durch gute Freunde und Nachbarn. Im West-Ost-Vergleich zeigt sich, dass Ostdeutsche mehr auf die eigene Familie vertrauen als Menschen im Westen. Auch scheint der Zusammenhalt zwischen guten Freunden und Nachbarn im Osten enger zu sein. Das gilt auch für Berlin.

Das könnte daran liegen, dass in Berlin wenig privat für das Alter vorgesorgt wird. Die Hauptstadt liegt bei der privaten Vorsorge auf dem fünftletzten Platz, nur Dessau, Mecklenburg-Vorpommern, Bremen und Leipzig haben noch schlechtere Werte. Insgesamt haben rund zwei Drittel aller Deutschen ein mulmiges Gefühl, wenn sie ihre Vorsorge betrachten. Nur 46 Prozent meinen, dass sie für das Alter ausreichend vorgesorgt haben, berichtet Infratest. 15 Prozent geben sogar unumwunden zu: „Damit habe ich mich noch nicht beschäftigt.“

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