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Wirtschaft: SERIE: ABGESTÜRZT (9): Rickes Rücktritt überraschte alle

Mit aller Kraft wollte Helmut Ricke das Ruder herumreißen und den schweren Supertanker Telekom auf Kurs bringen.Der geduldige Vorstandsvorsitzende der Telekom hatte bis zuletzt alles versucht.

Mit aller Kraft wollte Helmut Ricke das Ruder herumreißen und den schweren Supertanker Telekom auf Kurs bringen.Der geduldige Vorstandsvorsitzende der Telekom hatte bis zuletzt alles versucht.Doch das behäbige Behördenschiff steuerte trotz seiner Bemühungen weiter auf einen gewaltigen Schuldenberg zu.

Bei der angestrebten Kurskorrektur eckte der ehemalige Telekom-Kapitän Ricke denn auch nicht nur mit Postminister Wolfgang Bötsch (CSU) an.Auch die eigene Mannschaft meuterte.Die Gewerkschaft sperrte sich hartnäckig gegen die Postreform und rang mit Ricke um jeden Arbeitsplatz.Um die Privatisierung der Telekom überhaupt noch durchzubekommen, mußte sich der Vorstandschef auf unrealistische Beschäftigungszahlen einlassen.Die Konsequenz: Die Firma, die er flottmachen wollte, hatte nach wie vor zu viele Mitarbeiter an Bord.

Selbst an oberster Stelle wurden Rickes Befehle mißachtet.So hatte Ricke in seitenlangen Briefen an seinen Dienstherrn, Postminister Bötsch, vor politischer Einflußnahme auf die Telekom gewarnt."Er könne seinen künftigen Aktionären nicht erklären, weshalb sie eine aufgeblähte Holding mitfinanzieren sollten", schrieb Ricke an Bötsch.Dennoch konnte er nicht verhindern, daß Beamten und Politiker aus dem Postministerium ihre Hände nach neuen Posten bei der Telekom ausstreckten.Bei der Besetzung des Telekom-Aufsichtsrats ging Minister Bötsch aber zu weit: Der ewigen Machtquerelen überdrüssig, verließ der Telekom-Boß im Dezember 1994 nur wenige Wochen vor der Privatisierung schließlich resigniert das künftige Unternehmen.

Rickes Rücktritt schlug ein wie eine Bombe.Schlimmer hätte es die damalige Bundesbehörde kaum treffen können, stand sie doch zu dem Zeitpunkt vor revolutionären Umwälzungen.Die Noch-Behörde mußte zum einen die Umwandlung in ein privatwirtschaftliches Unternehmen mit dem Ziel Börsengang verkraften, zum anderen den bevorstehenden Fall des Telefonmonopols und den damit drohenden Wettbewerb.

Genau dafür war eigentlich im Jahr 1989 Helmut Ricke vom damaligen Bundespostminister Schwarz-Schilling an die Spitze der Telekom berufen worden.Der Manager aus dem Rheinland, der vom mittelständischen Fernsehhersteller Loewe-Opta GmbH kam, bereitete damit eines der größten Privatisierungsprojekte Europas und die Umstellung einer über 100 Jahre alten deutschen Monopolkultur auf den Wettbewerb vor.700 000 DM Jahresgehalt kassierte er für den nervenaufreibenden Job, den er selbst als "eine der größten Unternehmens-Umstrukturierungen in der deutschen Wirtschaftsgeschichte" bezeichnete.

Ricke sah von Anfang an klar und drängte, anders als seine Vorstandskollegen bei Postbank und Postdienst, auf die Umwandlung der Telekom in eine Aktiengesellschaft.Dies vor allem, "um sich aus dem Würgegriff des öffentlichen Dienstrechts und der politischen Bevormundung befreien zu können", wie der Manager selbst sagte."Wettbewerb ist die Regel - Monopol die zu begründende Ausnahme", so lautete dabei sein Grundsatz.

Ricke legte dabei eine Engelsgeduld an den Tag, ließ sich dabei aber immer wieder auf Diskussionen um Kompetenzen ein.Man habe in den Telekom-Gremien zu lange palavert und zu wenig entscheiden, warfen ihm seine Kritiker vor und legten seinen auf Konsens bedachten Führungsstil eher als "Entscheidungsschwäche" aus.

Am Ende konnte sich Ricke doch nicht durchsetzen.Er stieg aus und ließ die Telekom mitsamt ihren 38 Töchtern im Stich.Statt auf dem inzwischen in Fahrt gekommenen Telekom-Dampfer segelt der nunmehr 62jährige fortan auf seinem eigenen Zweimaster "Libertas" durchs Mittelmeer.Sein Wunschziel Aktiengesellschaft hat die Telekom längst auch ohne sein Zutun erreicht.

Den Draht zur Telekommunikation verloren hat die Familie Ricke dennoch nicht ganz.Erstens hat der Ex-Telekom-Chef beim Segeln immer ein Mobiltelefon dabei.So kann er jederzeit den Kurs der Telekom-Aktie abfragen.Er selbst hat inzwischen auch in die T-Aktie investiert und am ordentlichen Kursgewinn sein Vermögen vergrößert.Und zweitens ist sein Sohn Kai-Uwe Geschäftsführer bei der Telekom-Tochter T-Mobil.

FRIEDERIKE STORZ

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