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Serie „Mein Geld“ – Teil 8: Wann sich Anlageberatung lohnt – und wann man auf sie verzichten kann

Früher führte der Weg zu Aktien nur über eine Bank und ihren teuren Beratern. Das ist heute anders. Doch wo finden Anleger wirklich neutralen Rat?

Thesaurierend, ETF, Dividende: Für viele Verbraucher sind die Begriffe der Geldanlage Fremdwörter. Gleichzeitig sind sich Experten einig, dass man in Zeiten von Inflation und Rentensystemen, die unter demografischem Wandel leiden, um Aktien kaum herumkommt – wenn man Vermögen aufbauen will. Beratung bietet jede Bank. Doch ist das die beste Lösung?

Tatsächlich vermittelt fast jedes Geldinstitut Informationen zu Geldanlagen – und damit auch über den Kauf von Aktien und Anteilen an Aktienfonds. Welche Anforderungen ein Beratungsgespräch erfüllen muss, hat die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf ihrer Webseite aufgelistet.

Zunächst einmal ist vorab mit den Interessent:innen zu klären, ob eine provisionsgetriebene Beratung oder eine unabhängige Honorarberatung stattfindet. Danach folgen laut BaFin vier Schritte: So werden von den Kund:innen zunächst Informationen zu Anlagezielen, finanziellen Verhältnissen und nach Erfahrungen mit Geldanlagen erfragt. 

Dann folgt eine Information über Kosten und Risiken verschiedener Finanzprodukte. Im dritten Schritt empfiehlt die Beratung ein geeignetes Produkt wie zum Beispiel die Investition in einen Aktienfonds. Zum Schluss wird die Empfehlung dokumentiert.

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Vorsicht bei provisionsgetriebener Beratung

Und genau hier liegt der Haken. Dass Bankberater:innen dabei immer die Interessen der Anleger:innen haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Erk Schaarschmidt, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Brandenburg, sagt: „Eine Bank will zuerst Geld verdienen. Beratende verkaufen deshalb in der Regel Produkte, mit denen sie eine möglichst hohe Provision für sich und ihr Institut erzielen.“

Aktienfonds in Form von ETFs sind aber häufig provisionsfrei, weshalb bei Provisionsberatungen selten ein Anreiz für eine Empfehlung da ist – obwohl sie womöglich zum Kunden passen würden. In einer Bamberger Studie wurde der Schaden durch mangelhafte Beratung bei Finanzdienstleistungen auf 50 Milliarden Euro im Jahr geschätzt.

Dazu passen die Erkenntnisse der Stiftung Warentest: Im jüngsten Testlauf haben nur drei von 23 bewerteten Banken ihre Kund:innen wirklich „gut“ beraten. Die Verbraucherorganisation bemängelte vor allem Verstöße gegen gesetzliche Vorgaben wie schlechte Produktempfehlungen und dass Beratungsprotokolle nicht ausgehändigt wurden.

Allerdings hat sich die Beratungsqualität seit der Finanzkrise im Jahr 2007 über die Jahre verbessert. Zu diesem Schluss kommt die Stiftung Warentest. Mittlerweile müssen die Institute bei jeder Anlageberatung eine Geeignetheitserklärung aushändigen, auf der die Kund:innen zum Beispiel die Empfehlung für ein Produkt für die private Rentenversicherung nachvollziehen können.

Und nicht jede Beratung in der Bank kommt zwangsläufig einer Werbeveranstaltung gleich. Für Bankkund:innen kann ein solches Gespräch zumindest als guter erster Anhaltspunkt dienen, um Anlageprodukte zu verstehen.

Mehrere Beratungsgespräche sind für den Anfang empfehlenswert

Kaufinteressierte müssten sich laut Schaarschmidt letztlich gut überlegen, ob sie am Ende einer provisionsgetriebenen Beratung die angebotenen Produkte kaufen wollen. „Wer noch überhaupt keine Erfahrung bei Geldanlagen wie Aktien-, Rohstoff- oder Rentenfonds hat, sollte sich zunächst grundsätzlich einlesen, um im Beratungsgespräch die richtigen Fragen stellen zu können. Auch mehrere Beratungsgespräche bei anderen Banken können helfen.“ 

Ob die Ratschläge des Bankberaters im Interesse der Kunden sind oder doch im Interesse der Bank? Das weiß man nicht immer.
Ob die Ratschläge des Bankberaters im Interesse der Kunden sind oder doch im Interesse der Bank? Das weiß man nicht immer.

© imago/photothek/Ute Grabowsky

Vermutlich könne es schwer sein, einen Termin zu bekommen, solange Kaufinteressierte bei der angefragten Bank noch kein Kunde sind oder noch kein Depot eröffnet haben. „Es gibt aber auch Banken, die Honorarberatungen anbieten.“

Wer sich bei einer Verbraucherzentrale beraten lässt, greift ebenfalls auf dieses Modell zurück. Das Honorar ist einerseits die Entlohnung für eine fachgerechte Beratung. Andererseits soll das Honorar mögliche Interessenkonflikte auflösen, die eine Provisionsberatung mit sich bringt, bei der der Lohn der Beratenden vom Abschluss bestimmter Produkte abhängt. Bislang fristet die Honorarberatung für Geldanlagen in Deutschland allerdings ein Nischendasein, anders als zum Beispiel in Großbritannien oder in den Niederlanden.

Ein bis vier Beratungsstunden sind üblich

Manchmal rechnen die Beratenden in Pauschalen ab, häufig zahlen die Kund:innen nach Stunden. So kostet die persönliche Beratung für Geldanlagen bei den Verbraucherzentralen in der Regel je nach Bundesland zwischen 40 und 100 Euro pro Stunde. Anbieten würden sich Beratungen laut Schaarschmidt zur Altersvorsorge immer – ob mit oder ohne Aktienfonds –, egal wie der Kenntnisstand ist. „Wir holen die Verbraucher dort ab, wo Bedarf an Wissen besteht.“

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Serie „Mein Geld“ – bisher erschienene Teile:

Wie viel Beratung notwendig ist, hängt laut dem Finanzexperten Schaarschmidt deshalb vom Wissensstand der Kund:innen ab. „Bei Interessierten mit Vorkenntnissen und etwas Anlageerfahrung reichen oft ein oder zwei Beratungsstunden. Manche Kunden brauchen aber auch drei oder vier Stunden Beratung, weil sie zum Beispiel bereits fertige Angebote oder Verträge zur Prüfung vorlegen oder noch wissen wollen, wo sie ihr Depot für die Fonds eröffnen sollen.“

Auf dem freien Beratungsmarkt hält Schaarschmidt ein Honorar von 100 bis 300 Euro pro Stunde für normal. „Im Provisionsgeschäft zahlt der Kunde unbemerkt oft mehr.“ Denn hier sind die Kosten häufig in klein anmutenden prozentualen Gebühren zusätzlich zur monatlichen Sparrate verrechnet.

Die Kostenloskultur in der Finanzberatung hat seinen Preis

Fabian Schmitz, Finanzwissenschaftler an der Ruhr-Universität Bochum, hat sich bei seiner Forschung mit Finanzberatungen beschäftigt. „Durch den Wegfall von Fehlanreizen ist die Honorarberatung der Provisionsberatung überlegen. Viele Verbraucher erwarten jedoch eine kostenlose Beratung, weshalb sie nicht auf das Angebot zurückgreifen.“

Honorarberatungen seien vielen Verbraucher:innen zudem gar nicht bekannt. Diese Gratiskultur könne die Beratenen teuer zu stehen kommen, wenn sie sich am Ende einer provisionsgetriebenen Beratung für ein überteuertes oder für sie ungeeignetes Finanzprodukt entscheiden. Auch hier gilt: Die überteuerten Preise fallen nicht sofort auf, sondern kommen oft in Form regelmäßiger Abgaben daher.

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Laut Schmitz ist aber auch eine honorarbasierte Beratung nicht frei von Fehlanreizen. „Beratende, die ihre Leistungen pro Stunde abrechnen, haben beispielsweise einen Anreiz, ihre Kunden zu umfangreich zu beraten, um viele Stunden berechnen zu können. Eine Beratungsstunde mehr ist allerdings immer noch günstiger als eine Fehlentscheidung bei der Geldanlage im Aktiengeschäft.“

Auf dem Markt gibt es nicht nur in Banken und Verbraucherzentralen Beratung. Weitere Angebot finden sich zum Beispiel im Register auf der Webseite des Bundesverbands unabhängiger Honorarberater. Dort lassen sich auch direkt zwei Wunschtermine nennen.

Geld anlegen ist durch Neobroker spielend einfach geworden

Für viele Interessierte an Aktien und Aktienfonds kommt eine Beratung wegen der Kosten nicht infrage. Dieser Trend wird immer stärker, weil der Handel mit Aktien dank Apps und Onlinebanking inzwischen leicht, fast spielerisch möglich ist. Gerade junge Anleger:innen haben in den vergangenen Jahren sogenannte Neobroker für sich entdeckt, mit denen man kostenlos Aktien und Fonds kaufen und verkaufen kann. 

Inzwischen kann man per App Aktien handeln, eine Bank und deren Berater braucht es dafür nicht mehr.
Inzwischen kann man per App Aktien handeln, eine Bank und deren Berater braucht es dafür nicht mehr.

© imago images/Westend61

In der Krise um die Aktie von Gamestop im vergangenen Winter hat sich allerdings gezeigt, dass diese jungen Anbieter nicht immer verlässlich laufen. Denn wie bei den meisten Angeboten im Internet, die kein Geld kosten, zahlen die Kund:innen mit ihren Daten, die die Neobroker an andere Geldinstitute weitergeben.

Eine eigenständige Recherche im Netz sollte hier in jedem Fall vor dem ersten Investment stehen. Neben dem Finanzwissen, das man sich über Medien und Finanzblogs selbstständig aneignen kann, ist auch hier der Vergleich, welcher Broker die besten Konditionen bietet, nötig. Kostenübersichten finden sich zum Beispiel in Vergleichsportalen wie Verivox oder Finanzportalen wie justetf.com.

Ohne Beratung Geld anzulegen ist möglich – aber ist es auch sinnvoll?

Wer keine kleinen Geldsummen anlegen, sondern seine Rente mithilfe von Aktienfonds langfristig sichern will, sollte nicht ohne Beratung loslegen. Das findet zumindest Finanzwissenschaftler Schmitz. „Gerade die Altersvorsorge gehört zu den komplexeren Fällen. Zudem ist die finanzielle Allgemeinbildung in Deutschland eher schlecht, was mehr Beratung nötig macht.“

Als die Aktienmärkte zu Beginn der Corona-Pandemie abstürzten, verkauften viele Menschen am Tiefpunkt der Preise panikgetrieben ihre Anteile. „Ein Honorarberater kann deshalb auch in schwierigen Situationen seinen Kunden als Coach zur Seite stehen und sie vor möglichen impulsiven Fehlentscheidungen bewahren“, sagt Schmitz.

Robo-Advisor bieten keine Beratung im engeren Sinne

Digitalaffine Verbraucher:innen können auch einen Robo-Advisor für die Anlage in Aktienfonds (ETFs) benutzen. Dabei handelt es sich häufig um ein browserbasiertes Programm, das nach der Beantwortung von Fragebögen die passende Geldanlage für den Vermögensaufbau oder die Altersvorsorge vorschlägt.

Dabei orientiert sich der Robo-Advisor zum Beispiel an der Risikobereitschaft der Interessierten. Wer Risiken in Kauf nimmt, bekommt vor allem renditestärkere Aktienfonds vorgeschlagen. Ist das Sicherheitsbedürfnis größer, bekommen Interessierte einen Mix aus ETFs und mehr sicheren Anlagen wie Anleihen avisiert.

Im Gegensatz zum menschlichen Kontakt gibt es bei Robo-Advisorn allerdings keine Gelegenheit für Nachfragen. Die Empfehlungen richten sich strikt nach den Angaben der Interessierten. Die laufenden Kosten pro Jahr betragen bei einer Geldanlage durch einen Robo-Advisor etwa ein Prozent der Anlagesumme, denn bei den angeschlossenen Banken fällt zusätzlich zu den Verwaltungsgebühren eine Grundgebühr an.

Wenn Kund:innen ihre Aktienfonds hingegen selbst verantworten, liegen die laufenden Kosten häufig bei weniger als 0,5 Prozent im Jahr. Robo-Advisor eignen sich daher für Interessierte, die bei ihrer Geldanlage in Aktienfonds unbedingt an die Hand genommen werden wollen. Alle, die sich nach umfangreicher Beratung oder eigener Recherche im Stande sehen, sich selbst um den eigenen Vermögensaufbau zu kümmern, kommen mit ETFs am günstigsten weg. Zumindest da sind sich alle Experten einig.

(Die weiteren Teile der Serie erscheinen unter tagesspiegel.de/mein-geld.)

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