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Wirtschaft: Sherry-Produzenten kämpfen gegen ihr Großmutter-Image

Schwarze Holzfässer stapeln sich in langen Reihen meterhoch übereinander. Das Licht in dem hohen kirchenartigen Gewölbekeller ist schummrig, der Geruch etwas muffelig.

Schwarze Holzfässer stapeln sich in langen Reihen meterhoch übereinander. Das Licht in dem hohen kirchenartigen Gewölbekeller ist schummrig, der Geruch etwas muffelig. Extra für die Besucher hat der Sherry-Hersteller Sandeman aus dem südspanischen Jerez spezielle Fässer aufstellen lassen, deren Frontwände durch Scheiben ersetzt wurden und nun den Einblick ins Innere ermöglichen. So wie bei Sandeman sieht es fast in jedem andalusischen Weinkeller, die hier Bodegas genannt werden, aus: Alles ist sehr urig und traditionell, der Sherry reift genau so in alten Eichenholzfässern wie vor hundert Jahren. Auch außerhalb der Keller ähneln sich die Anlagen der spanischen Sherry-Erzeuger: Gepflegte Gebäude werden von alten Steinmauern umgeben, gepflasterte Wege, Blumen und Zitrusbäume runden das Bild ab.

Tradition und Stil sind den Südspaniern wichtig, doch die konservative Einstellung der Weinhäuser sorgt auch für ein etwas verstaubtes Image. Gerade in Deutschland wird Sherry landläufig als Aperitif angesehen, der eher in Kreisen Canasta spielender Damen getrunken wird; vom Aufwärtstrend im Weinmarkt kann Sherry daher nicht profitieren. Seit Jahren geht die Nachfrage hier zu Lande zurück, allein in den letzten acht Monaten dieses Jahres verringerte sich der Gesamtumsatz im deutschen Lebensmittelhandel um 5,8 auf 48 Millionen Mark gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Hinzu kommt, dass die heimische Gastronomie in den meisten Fällen dafür sorgt, dass die Gäste nicht einmal auf die Idee kommen, ein Glas Sherry zu bestellen: Zu warm und abgestanden wird das edle Getränk angeboten, weiß Barbara Schmithals vom Weinkontor Steglitz in Berlin aus Erfahrung: "Es gibt eben kaum jemanden, der sich um Sherry in der Gastronomie kümmert."

Die Weingüter haben dieses grundsätzliche Problem zwar erkannt, doch das Vorhaben, den Sherry vom Oma-Image zu befreien, ist keine einfache Aufgabe. Traditionelle Käuferschichten sollen nicht abgeschreckt, gleichzeitig aber neue Liebhaber gefunden werden. Sandeman fährt in dieser Beziehung zweigleisig. Zum einen will das Unternehmen mit hochwertigen Produkten wie dem "Rare Fino" seinen Ruf in Deutschland aufpolieren. Von dem trockenen Liebhaber-Sherry werden pro Jahr nur 3000 Halbliterflaschen für rund 20 Mark das Stück im Fachhandel angeboten. Zum anderen setzt Deutschlands bekannteste Sherry-Marke - Umsatzanteil rund 50 Prozent - wie bisher auf seine Standardprodukte, die hauptsächlich im Supermarkt verkauft werden. "Das sind Weine, die auch für höhere Kategorien wichtig sind", sagt die für den deutschen Markt zuständige Pilar Muñoz. Mit dem ganz trockenen Supermarkt-Sherry sollen daneben auch junge Leute angesprochen werden: Zusammen mit Sprite, Eiswürfeln und Zitrone entsteht nach Sandemans Vorstellungen ein hipper Modedrink. Weinkennerin Schmithals ist jedoch skeptisch, dass die Idee mit dem Mixgetränk das Ansehen des Sherrys verbessern kann: "Für einen guten Sherry ist das unmöglich."

Spaniens bekanntester Sherry-Erzeuger, Gonzales Byass, geht da einen etwas anderen Weg. Das Unternehmen besitzt hier zu Lande keinen großen Marktanteil, gilt wegen seiner Lieferbeziehungen zu 110 Ländern jedoch als Global Player. In Deutschland verkauft Gonzales Byass seine Produkte - vor allem den trockenen Sherry "Tio Pepe" - im Fachhandel. "Die Zukunft des Sherry liegt eindeutig in der Hochqualität und nicht im Supermarkt", ist Paul Kerstens, der bei Gonzales das weltweite Marketing verantwortet, überzeugt. Mit Preisen, die deutlich über dem durchschnittlichen Niveau liegen, will Gonzalez sein guten Ruf verteidigen. Denn eng mit dem Imageproblem verknüpft ist auch der niedrige Marktpreis für Sherry. Der Durchschnittspreis für eine 0,75-Literflasche im deutschen Lebensmitteleinzelhandel liegt derzeit knapp unter acht Mark. 95 Prozent aller Sherrys werden in Deutschland unter zehn Mark verkauft.

"Der Preis reflektiert überhaupt nicht den langen Entstehungsprozess bis zum fertigen Sherry", sagt Kerstens. Die Kritik ist verständlich, denn bereits der billigste Supermarkt-Sherry lagert mindestens drei Jahre in alten Eichenholzfässern. Überhaupt muss der Wein auf Grund seiner komplizierten Herstellungsweise stark betreut werden. Das gilt auch für die typische Kundschaft. Da Sherry ein sehr erklärungsbedürftiges Getränk ist, erläutern zahlreiche Führer in den Bodegas Hunderttausenden von Andalusien-Touristen im Jahr die Herstellung und die Vielfalt von Sherrys. Bei einer Trinkprobe kann jeder dann seinen persönlichen Favoriten herausfinden. Das ist wichtig, denn "einem Sherry-Interessierten kann der Geschmack schnell vergehen, wenn er den falschen Wein erwischt", sagt Pilar Muñoz.

Tobias Symanski, Jerez de la Frontera

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