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Ein Mitarbeiter eines Sicherheitsdienstleisters kontrolliert Handgepäck im Sicherheitsbereich am Flughafen Tegel.

© Jens Kalaene/dpa

Sicherheitswirtschaft will mehr Regulierung: Security-Firmen wollen ihren Ruf verbessern

Ihr Markt ist unübersichtlich. Ein Register soll Transparenz bei Sicherheitskräften schaffen, funktioniert aber noch nicht. Eine Reform lässt auf sich warten.

Fast jeder ist schon mit ihnen in Kontakt gekommen. Bei Konzerten und Fußballspielen kontrollieren sie Besucher, an Flughäfen durchleuchten sie Passagiere und prüfen das Gepäck. Die Rede ist von Mitarbeitern privater Security-Firmen. Securitas und Kötter sind führend in der Branche. Die Einsatzbereiche reichen von Atomkraftwerken bis zu Dorffesten und der Markt der Privatanbieter ist unübersichtlich. In den vergangenen Jahren litt der Ruf der Branche, wozu Vorfälle in Flüchtlingsunterkünften und bei Großveranstaltungen beitrugen.

Ein bundesweites Bewacherregister, das im Juli dieses Jahres an den Start ging, soll Abhilfe schaffen und das Feld der Sicherheitswirtschaft transparenter machen. Zum Beschluss des neuen Registers im Bundestag kam es nach Übergriffen privater Wachleute in der Flüchtlingsunterkunft Burbach in Nordrhein-Westfalen. Flüchtlinge waren dort vom Sicherheitspersonal offenbar monatelang eingesperrt, geschlagen und gequält worden.

Über das Bewacherregister sollen Behörden wie Polizei oder Zoll Auskünfte über die Qualifikation und Zuverlässigkeit der Beschäftigten rasch elektronisch abrufen können, was für diese bei einer Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften von Vorteil sein kann. Und auch doppelte Überprüfungen bei Arbeitgeberwechseln sollen vermieden werden. Die Realität sehe bislang jedoch völlig anders aus, sagt Gregor Lehnert, Präsident des Bundesverbands der Sicherheitswirtschaft (BDSW). Dem Verband gehören circa 1000 der rund 6500 Unternehmen der Branche in Deutschland an.

„Das Register ist nicht voll funktionsfähig,“ sagte Lehnert am Donnerstag in Berlin. Die Sicherheitsunternehmen hätten nur für etwa 25 Prozent der Sicherheitskräfte eine Freigabe erhalten, teilweise seien Beschäftigte aus ungeklärten Gründen zurückgewiesen worden. Die Mitgliedsunternehmen im Verband seien deshalb häufig nicht in der Lage, alle gesetzlichen Vorgaben des Bewachungsrechts einzuhalten. Den Grund dafür sehen sie bei den Behörden. Der Gesetzgeber habe den Verband zu wenig in die konkrete Ausgestaltung des Registers sowie den Zeitpunkt von dessen Start einbezogen. Dies sei unverständlich, da die Unternehmen selbst das Register befüllen müssen.

Vermehrt „schwarze Schafe“ auf dem Markt

Die Firmen hätten beispielsweise mit IT-Probleme zu kämpfen. Die Freigabe neuer Mitarbeiter verzögere sich zudem bei den zuständigen Dienststellen. Bislang war für die Zulassung eines Mitarbeiters eine Behörde am Unternehmenssitz zuständig. Nun sollen die Beamten am jeweiligen Wohnort der Mitarbeiter – ausgehend von einer Sicherheitsüberprüfung – über die Freigabe der Mitarbeiter im neuen System entscheiden. Doch diese seien darauf unzureichend vorbereitet.

Lehnert konstatiert, dass derzeit vermehrt „schwarze Schafe“ auf den Markt drängten, „die ohne Freigabe durch die Behörden ihr Personal zum Einsatz bringen“. Deshalb drohten Sicherheitslücken. Obwohl die Nachfrage momentan groß sei, könnten Sicherheitsunternehmen wegen der bürokratischen Hindernisse viele Aufträge nicht annehmen.

Zur Lösung der Probleme habe der BDSW dem Bundeswirtschaftsministerium einen Runden Tisch vorgeschlagen. Darauf habe es bislang nur ausweichende Reaktionen gegeben. Das Ministerium teilte auf Anfrage mit, dass es den BDSW entgegen dessen Darstellung in die Ausgestaltung des Registers einbezogen habe. Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrollen unterstütze Länder und Vollzugsbehörden bei der Befüllung des Registers und gehe Hinweisen auf technische Problemen "unverzüglich nach und beseitigt diese". Das Ministerium äußert zudem, dass es erst auf Wunsch der Branche die Zuständigkeit für die Zuverlässigkeitsüberprüfung auf die Wohnsitzbehörden verlagert habe. Grund dafür sei, dass so "auch für Mitarbeiter, die für mehrere Unternehmen tätig sind, künftig nur eine Zuverlässigkeitsüberprüfung stattfindet."

Der Bedarf an Sicherheitskräfte wächst

Nach Angaben des BDSW arbeiten fast 270 000 Personen in der Sicherheitswirtschaft. Ähnlich viele wie bei Bundespolizei und Landespolizeien zusammen. Und die Branche wächst. So konnte sie im ersten Halbjahr 2019 eine Umsatzsteigerung um 4,4 Prozent verzeichnen. Grund dafür sind laut BDSW wachsende Betätigungsfelder, zum Beispiel an Flughäfen oder im Bergschutz. Es sei zudem mit einer Verschärfung der Sicherheitslage zu rechnen, unter anderem „aufgrund einer zunehmenden Gewaltbereitschaft in der deutschen Gesellschaft“, die Sicherheitskräfte bei der Sicherung von Notaufnahmen in Krankenhäusern oder öffentlichen Gebäuden zu spüren bekämen.

„Nach dem Angriff vergangene Woche auf die Synagoge in Halle ist auch klar, dass in Zukunft nicht alle Synagogen von der Polizei überwacht werden können. Auch hier kommen private Sicherheitskräfte zum Zug“, sagt Lehnert.

Eine weitere Sorge seines Verbands sei, dass die aktuellen Probleme mit dem Bewacherregister ein im Koalitionsvertrag vereinbartes Gesetz verzögern könnten, das sogenannte Sicherheitsdienstleistungsgesetz. In einem Eckpunktepapier fordert der Verband, dass in dem Gesetz verbindliche Qualitätsanforderungen für Sicherheitskräfte festgeschrieben werden sollen. Zudem solle der Staat bei Ausschreibungen nicht länger die „billigsten Sicherheitsanbieter“ beauftragen, wie es die Regel sei, sondern angemessen zwischen Qualität und Preis gewichten. „Beispielsweise im Verhältnis 60 zu 40 Prozent.“

Mit dem neuen Gesetz würde die Sicherheitswirtschaft außerdem dem Bundesinnenministerium unterstellt, was Verbandspräsident Lehnert angesichts der Abstimmungsschwierigkeiten mit dem Bundeswirtschaftsministerium zum Bewacherregister für den richtigen Schritt hält. Ein Sprecher des Bundesinnenministeriums äußerte hierzu, dass die Verhandlungen zwischen den Ministerien zum geplanten Aufgabenübergang noch andauern. Die Gespräche seien „zielgerichtet und konstruktiv“, aufgrund der Vielzahl an Detailfragen gebe es aber noch keine abschließende Einigung.

Anna Parrisius

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