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Wirtschaft: Sieg der Mullahs

Fast zwei Jahre sind vergangen, seit die USA den Franzosen, Briten und Deutschen die Verhandlungsführung in Sachen Atompolitik des Iran überließen. Das Ergebnis: Vor wenigen Tagen wurden die UNSiegel an der umstrittenen Atomanlage in Isfahan entfernt, die Anlage ist damit wieder voll arbeitsfähig.

Fast zwei Jahre sind vergangen, seit die USA den Franzosen, Briten und Deutschen die Verhandlungsführung in Sachen Atompolitik des Iran überließen. Das Ergebnis: Vor wenigen Tagen wurden die UNSiegel an der umstrittenen Atomanlage in Isfahan entfernt, die Anlage ist damit wieder voll arbeitsfähig. Und falls irgendjemand immer noch Illusionen über die wahren Absichten des Iran oder den Wert der diplomatischen Strategie Europas hat: Niemand geringerer als Teherans Chefunterhändler Hosein Musavian gab Anfang des Monats im iranischen Staatsfernsehen zu, dass die Gespräche mit den Europäern von Beginn an nur ein Kniff gewesen seien. Das Regime ließ sich nur auf die Verhandlungen ein, um ausreichend Zeit für die Fertigstellung der Anlage in Isfahan zu gewinnen, erklärte Musavian.

Ohne die Intervention der Europäer hätte die Internationale Atomenergiebehörde IAEA den Iran schon vor langer Zeit an den UN-Sicherheitsrat übergeben. „Jetzt sind wir in einer guten Position“, fügte Musavian hinzu. Iran sei in der Lage gewesen, 36 Tonnen ,yellow cake’, pulverförmiges Uran, in Gas umzuwandeln und zu speichern.

Und wie reagiert Bundeskanzler Gerhard Schröder, einer der Hauptarchitekten der europäischen Iranpolitik, auf die Herausforderung der Mullahs? Genauso wie er letztes Mal reagierte, als er 2002 einen harten Wahlkampf zu bestreiten hatte: Er probiert es einmal mehr mit Anti-Amerikanismus. Bei einer Wahlkampfrede in seiner Heimatstadt Hannover räumte Schröder am vergangenen Wochenende ein, dass Teheran ein ernsthaftes Problem darstelle. Und er fügte hinzu, dass jene, die das Regime drängten, seine atomaren Ambitionen aufzugeben, überzeugender klängen, wenn sie auch ihr eigenes Atomarsenal reduzierten. Einen Tag zuvor hatte US-Präsident George W. Bush bekräftigt, dass im Hinblick auf die Atompolitik des Iran „alle Optionen auf dem Tisch liegen“. Schröders Antwort ließ nicht lange auf sich warten: „Nehmt die militärischen Optionen vom Tisch. Wir haben gesehen, dass das nicht funktioniert.“

Schröder unterminiert die Bemühungen, eine einheitliche westliche Position zu beziehen. Und wenn der Kanzler die Notwendigkeit „friedlicher Lösungen“ anmahnt, impliziert er, dass die USA militärische Konflikte friedlichen Lösungen vorziehen. In seinen Augen besteht die wahre Gefahr offenbar nicht in der Aussicht auf einen atomar bewaffneten Iran, sondern in den Versuchen der USA, die Mullahs daran zu hindern, den Westen mit Nuklearwaffen zu erpressen.

Die oppositionellen Christdemokraten, nach wie vor führend in den Umfragen zu den bevorstehenden Wahlen, stellten den Kanzler nicht in Frage. Zwar kritisierten sie Schröder dafür, den Iran als Wahlkampfthema zu missbrauchen, schlossen jedoch eine „militärische Option“ ebenfalls aus. Mit einer neuen Regierung wird sich möglicherweise der Stil, aber nicht unbedingt die Substanz deutscher Außenpolitik ändern. Diese Botschaft wird in Teheran gewiss nicht überhört und sie wird die Mullahs darin bestärken, dass sie zu einer Atommacht werden können – ohne europäische Vergeltungsmaßnahmen befürchten zu müssen.

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